USA 2012 - 2. Teil Nebraska ...

Reisezeit: Juni / Juli 2012  |  von Uschi Agboka

Von Bismarck nach Medora

22. Tag - Washburn/Fort Mandan/Knife River Indian Villages/Garrison Damm

Mittwoch, 27. Juni 2012 22. Tag
Medora, North Dakota Badlands Motel - The Bunkhouse

Bismarck / Washburn - Lewis & Clark Interpretive Center / Fort Mandan / Bison Scenic Byway / Fort Clark Trading Post State Historic Site / Knife River Indian Villages Historic Site / Garrison Damm / Lake Sacajawea / Freedom Mine / Grassy Butte / Medora
Gefahrene Meilen: 262 (422 km)

Heute werden wir, hoffentlich klappt es, bei Lois in Grassy Butte übernachten. Die Hotelsituation in North Dakota hat sich gegenüber 2010 nochmals verschlechtert. Kaum ein Zimmer zu finden und wenn doch, alles überteuert durch die Öl-Miner. Gestern auf der phantastischen Strecke durch die Indianer-Reservaten haben wir nur ein Motorrad und 3 PKW gesichtet. Es scheint, als haben nur wenige Amerikaner an der wirklichen Geschichte - Lewis & Clark Trail - Interesse. Das Unrecht, das den Sioux in South und North Dakota angetan wurde, ist bis heute nicht wirklich real und nicht aufgearbeitet, geschweige denn wieder gut gemacht. Und wenn man das Land heute sieht, weit, fast menschenleer, fragt man sich, wofür all dieses Unrecht?

Der Wecker schellt um 6.30 Uhr, heute lassen wir es langsam angehen. Rolf hat gestern noch Rozy in der Pioneer-Bar in Virginia City angerufen und dieser fragte, was zur Hölle macht Ihr in Bismarck?
Obgleich Bismarck die Hauptstadt North Dakotas ist, verirrt sich selten ein Tourist hierher. Doch wir befinden uns ja auf den Spuren von Lewis & Clark. Das Frühstück im Hotel ist sehr gut und reichlich. Wir haben eine nette Unterhaltung mit drei älteren Menschen aus Kalifornien, die an die Grenze Montana/Kanada reisen, um dort das 100-jährige Bestehen der Farm ihrer Vorfahren zu feiern. Im Fernsehen sehen wir leider weiterhin schreckliche Bilder der Feuer in Colorado, mehr als 12.000 Menschen mussten bereits ihre Häuser räumen.

Gegen 7.40 Uhr starten wir, HW 1806 North. Plötzlich hört die geteerte Straße auf, wir haben mal wieder eine Gravel Road vor uns. An einem einsamen Briefkasten spricht uns eine Deutsch sprechende Frau an, Ranee Gienger. Sie lebt mit ihrem Mann Ole Stetten (selbständiger Tiefbauunternehmer) und Tochter Katarina auf einer sehr einsam gelegenen Ranch. Ihr Vater, ein Russland-Deutscher, lebte in Ruhmannsfelden und auch nach dem Tod ihres Vaters besucht sie fast jedes Jahr Freude dort. Sie lädt uns spontan auf einen Kaffee ein und wir folgen ihrem Truck, vorbei an furchteinflößenden Rindern mit riesigen Hörnern, bis zu ihrem Haus. Dort leben sie, umgeben von vielen Tieren, wie Katzen, Hunden, Gänsen, Pferden, Hühnern, Ziegenbock etc. Sie haben ein sehr schönes großes Haus mit einigen Gästezimmern für Besucher. Auf dieser Seite des Flusses leben keine Rattle Snakes, sondern nur harmlose Schlangen wie die Bull Snake etc. Die beiden großen Hunde bewachen nachts die Farm und das Haus vor Kojoten und anderen Raubtieren. Ranee erzählt uns, dass sie im Frühjahr eine alte Scheue für 200 Dollar gekauft habe. Der Transport ca. 70 km auf ihr Grundstück kostete allerdings 10.000 Dollar, da einige Elektroleitungen abgebaut werden mussten. Bei uns wohl undenkbar. Ranee hat die Scheune restauriert und instand gesetzt, ganz toll. Ein altes Schulhaus wurde auch bereits restauriert. In dessen Keller befindet sich nun ihre Kohleheizung. Das Treffen mit dieser Frau und ihre warme Gastfreundschaft ist mit ein Highlight dieser Reise. Wir hoffen, dass Ranee uns bei ihrem nächsten Deutschlandbesuch besuchen kommt.

Ungern verlassen wir Ranee und fahren auf der Gravel Road bis Washburn, zum Lewis & Clark Interpretive Center, wo wir um 11 Uhr eintreffen. Unterwegs haben wir noch Mr. Winger getroffen, einen netten Trucker. Besonders schön waren die vielen wilden Büffel, die in der Prairie grasten.

Das Interpretive Center ist nicht zu übersehen, es stehen dort drei 12-Meter hohe Stahl-Statuen von Meriwether Lewis, William Clark und dem Mandan-Chief Sheheke. Das Kunstwerk stammt von Tom Neary. Das Zentrum bietet einen Überblick über die Lewis & Clark Expedition, mit besonderem Schwerpunkt auf die Zeit während des Winters von 1804/1805 in Fort Mandan. Hier lesen wir auch die Geschichte von "Seaman", dem berühmten Neufundländer. Lewis kaufte den Hund für 20 Dollar in Pittsburgh und dieser Hund begleitete die Expedition auf ihrem langen Weg, er war das einzige Tier, das die Reise lebend überstand. 263 Hunde wurden auf der Reise verspeist, nur er wurde verschont. Zwar wurde Seaman von einem Biber gebissen, doch eine Operation rettete ihm das Leben. 1806, schon auf der Rückreise, wurde er von Indianern gestohlen und Lewis drohte diesen mit dem Tod, falls sie den Hund nicht zurück brächten. Statuen für den Neufundländer finden sich verschiedenen Stellen des Lewis & Clark Trails, auch in Fort Mandan.
Über das Ende dieses bemerkenswerten Hundes gibt es einige Geschichten. Er soll das Grab seines Herrn nach dessen Tod nicht verlassen und die Nahrung verweigert haben, bis er selbst starb.

Die Tour führt weiter auf dem Bison Scenic Byway, Alternative HW 200 West. Wir machen einen kurzen Halt um 12 Uhr an Fort Clark Trading Post State Historic Site. Fort Clark war einst eine Mandan und später eine Arikara Siedlung. Heute finden sich hier mehr als 2.200 Überreste von Häusern und Gräbern.

Die Arikara waren Halb-Nomaden, die in den Great Plains lebten. Sie bewohnten saisonal Erdhäuser und besaßen tragbare Tipis als temporäre Unterkunft während der Bison-Jagd. In erster Linie lebten sie von Landwirtschaft, die Frauen züchteten verschiedene Sorten Mais. Die Ernte von Mais war in ihrer Gesellschaft wichtig, sie nannten sie "Mutter-Korn". Die Arikara Familien besaßen meist 40 Hunde, diese dienten als Wach- und Jagdhunde und zum Transport von Säuglingen oder erlegten Bisons. Ein Hund konnte ¼ eines Büffels ziehen. Doch auch Feuerholz und andere Materialien wurden von den Hunden in einem speziellen Gestell gezogen.

Nächster Halt ist an Knife River Indian Villages Historic Site, gegründet 1974, wo der Knife River auf den Missouri River trifft. Dieser Ort bewahrt die historischen und archäologischen Überreste der nördlichen Plains Indianer auf. Dieser Bereich im Upper Missouri River Valley war ein wichtiger Handelsplatz und eine große landwirtschaftlich genutzte Gegend. Im Bereich des Knife River gab es drei Dörfer, man nimmt an, dass die Gründung des Big Hidasta Dorfs um ca. 1600 war. Die Überreste der Erd-Loch-Wohnungen, 12 m im Durchmesser, sind zu besichtigen. Sie boten Platz für bis zu 20 Familien, Pferde und Hunde. Die Vogelfrau Sacajawea lebte in einem dieser Dörfer am Knife River. Die Indianer am Knife River dienten als Mittelspersonen im Handelsgeschäft, das sich von Minnesota, um die Great Plains bis zur Pazifischen Westküste erstreckte. Gehandelt wurden hauptsächlich Pelze, Waffen und Metalle wie Kupfer. Die Blütezeit der Knife River Dörfer endete 1837, als die Pocken die Bevölkerung fast vollständig auslöschte. Die wenigen Überlebenden wanderten nach Norden in das Dorf Like-a-Fish-Hook.

Als die Indianer die Knife-River Region bewohnten, gab es dort eine ganz andere Landschaft als heute. Die Bergregion war gemischte Prairie, mit nur wenigen Bäumen. An den Flussufern gab es fruchtbare Auwälder. Dieses Land wurde zur Produktion von Mais, Bohnen, Kürbissen und Sonnenblumen eingesetzt. Bäume wie grüne Esche, Pappeln, Ulmen warn dort üblich, ebenso die Sandbank Weide, Korbweide, roter Hartriegel und Büffel Beere. Seit 1974 unternimmt man den Versuch, den historischen Wert und die Schönheit zu bewahren, wie es früher einmal war. Die Umgebung des Parkes wird zurückverwandelt, man findet nun wieder Gras-Prairien, exotisches Gründland, Laubwald, Kultur-Dorf-Sites, Feuchtgebiete und Sandbänke - wie zu der Zeit, als die Indianer das Land bewohnten. Heute ist der Park Heimat vieler Tier- und Pflanzenarten.

Der Besuch des Knife River Indian Villages lohnt sich wirklich. Man kann nicht nur alles anschauen, sondern auch anfassen und ausreichende Infos (Filme, Broschüren, Musik) stehen zur Verfügung, die das Leben damals anschaulich darstellen und erläutern. Wir machen an dem schönen Ort Teepause, Rolf raucht seine Zigarre und dann geht es auf den Rundwanderweg. Es ist heute angenehm, nicht zu heiß, aber wieder sehr windig.

Nach 14.30 Uhr fahren wir weiter, HW 200 East, bis zum Garrison Damm, einem der größten Staudämme der Welt, und zum Stausee Lake Sacajawea. Der Missouri wird hier, nachdem er den Yellowstone River aufgenommen hat, vom Garrison Damm aufgestaut. Der Erdaufschütt-Damm wurde vom US-Army Corps of Engineers gebaut und von ihm betrieben. Der Staudamm ist mit seinem Volumen von 50.845 Millionen m³ bei einer Höhe von ca. 64 m und einer Länge von 3.444 / 4.000 m, einer der größten der Welt. Der Bau hat ca. 300 Millionen Dollar gekostet und es wurden 9 Millionen LKW-Ladungen Erde herantransportiert, täglich 60.000 m³, um ihn aufzuschütten. Die Talsperre dient dem Hochwasserschutz, der Stromgewinnung, der Schiffbarmachung, der Bewässerung und der Fischzucht. Ein beeindruckendes Bauwerk.

Nach Besichtigung fahren wir zurück, HW 200 West. Rolf wird mal wieder von einer Biene gestochen, gut, dass wir den "Wunderstift" dabei haben. Wir biegen ab auf HW 1806, weil diese Straße nicht so stark befahren ist, vor allen Dingen wollen wir den riesigen Öl-Lasttankwagen ausweichen.

An Übersichtstafeln "The Coteau Property Company" halten wir. Die North American Coal Corporation Freedom Mine in Beulah, North Dakota, gegründet 1983, liefert mehr als 16 Millionen Tonnen Kohle pro Jahr und ist damit der größte Braunkohletagebau in den USA und einer größten der der Welt. Der Betrieb nutzt zwei Bucyrus-Erie 2570 Draglines zur Entfernung von Abraum und gewinnt damit über 600 Hektar Land jährlich zurück. Diese riesigen Kohleschaufellader sind nur von weitem zu sehen, beeindruckend. Diese Gesellschaft fördert die Kohle in Eintracht mit der Natur. Nach dem Kohleabbau werden die natürlichen Gräser und Pflanzen wieder ausgesät bzw. erneut Weideland geschaffen. Auf den Schautafeln wird alles ausführlich dargestellt, erklärt und belegt. Ganz interessant.

Wir folgen dem HW 1806 bis Halliday, biegen ab auf HW 8 South, dann auf HW 200 West. Leuchtend gelbe Rapsfelder, wechseln sich ab mit ursprünglicher Prairie, eine phantastische Landschaft. Die unendliche Weite der Prairie ist immer wieder atemberaubend. Doch ab Dunn Center ändert sich alles. Permanent sind Ölbohrer inmitten der Felder bzw. der Prairie zu sehen und auf dem HW 200 rasen die Öltrucks auf Teufel komm raus, in beiden Richtungen. Sie fahren, ohne auf den Tacho zu schauen, wie die Verrückten. Wie wir später erfahren, sind in den letzten Monaten einige Auto- und Motorradfahrer durch diese Trucks getötet worden. Inzwischen hat eine Biene Rolf zum zweiten Mal gestochen. Anhalten, Super-Stift raus und draufschmieren. Und als ob das nicht schon reicht, fahren wir mitten durch einen Bienenschwarm und ich werde nun am linken Fuß gestochen. Rolf macht das super mit dem Stachel entfernen, Wunderstift drauf und weiter geht es. Es gibt hier viele bunte Wildblumen und auch sehr viele Bienenstöcke sind zu sehen. Das finden wir ja alles sehr schön, nur nicht die Stiche. Wir kommen kurz vor Grassy Butte (Grasiger Hügel) in das Little Missouri National Grassland. Eigentlich ein Naturparadies, bei unserem ersten Besuch hier 2006. Doch inzwischen ist die Landschaft durch Öl-Bohrer und Öl-Miner-Camps total verschandelt. Wir sind entsetzt, das zu sehen. So bald werden die uns hier nicht wiedersehen. Um 17.30 Uhr, nach 244 Meilen, 393 km, sind wir in Grassy Butte am Haus von Lois Fleck, unserer Bekannten. Doch alles ist verschlossen, niemand da. Das ist merkwürdig, hatten wir doch telefonisch den Besuch verabredet. Ich ahne Schlimmes. In einem Krimskramsladen erfahren wir, dass Lois in Bismarck im Krankenhaus liegt, mit Pfeiffer-Drüsen-Fieber. Wir sind traurig, die nette alte Dame, bei der wir 2010 übernachtet haben, nicht anzutreffen. Doch es hilft alles nichts, wir müssen notgedrungen weiter fahren, gen Süden, auf HW 85, bis Belfield. Dort ist kein Hotelzimmer zu bekommen, also fahren wir nun auf der Interstate 94 West, durch die Umgebung des Theodore Roosevelt National Park - Unit South - bis Medora. Eine herrliche Landschaft, bizarr geformte Hügel, grün bewachsen. Fire Danger ist hier auf Low eingestellt, im Gegensatz zu den anderen Gegenden, wo wir bisher waren. Es hat hier viel geregnet, alles ist saftig grün, feucht, blühend. Gegen 19.15 Uhr, nach 11 ½ Stunden, landen wir in dem teuren Medora. Im Badlands Motel fragen wir nach einem Zimmer. Wir sehen anhand der Schlüssel und der geparkten Autos, dass das Hotel fast leer ist. Doch sie sind unverschämt mit den Preisen, trotz AAA wollen sie 140 Dollar, plus Tax. Das ist uns zu teuer. Doch sie bieten uns ein Zimmer im "The Bunkhouse" an, für 100 Dollar! Auch ein Wucher, denn das Zimmer ist die letzte Absteige, klein, winzig, alles renovierungsbedürftig, um Eis zu holen, muss man 1 km laufen bis zu einem heruntergekommenen Gebäude. Eis muss man mit der Hand schöpfen, da keine Kelle vorhanden, sehr hygienisch und das bei den Amis, sehr verwunderlich. Wir haben keinen Kühlschrank und keinen Tisch im Zimmer, so essen wir an der Kommode, ich habe es fotografiert.

Gut, dass wir gestern eingekauft haben, denn der einzige Lebensmittelladen in Medora ist sauteuer. Rolf macht sich an die Arbeit, unsere Taschen etc. zu waschen, denn gestern sind wir rot eingestaubt worden, heute gelb! Doch die Gerüche, Geräusche und die Sichtweite, die wir auf dem Motorrad haben, sind unvergleichbar, weder im Auto noch im Campingbus kann man Natur so hautnah erleben. Nachdem wir unser Dinner mit Ölsardinen, Thun-fisch, Klätschbrot, Bier und Wein verspeist haben, verschwindet Rolf mit einem wackligen Stuhl vor die Baracke, die den tollen Namen "Mountain Lion" hat, raucht seine Zigarre und plant unsere Route um, da wir den Ölbohrungen entgehen und eine andere Strecke nach Montana nehmen wollen. Ich dusche, verarzte meinen Fuß, der dick geschwollen ist, mit Indianersalbe und schreibe mein Tagebuch. Um 21 Uhr liegen wir im Bett und schauen in einen total veralteten Fernseher. Dieses Motel ist das schlechteste dieser Reise und dazu völlig überteuert.

Medora wurde im Jahr 1883 von einem französischen Adeligen, dem Marquis de Mores gegründet Er nannte die Stadt nach seiner Braut, Medo-ra von Hoffmann, der Tochter eines New Yorker Bankers. Mit finanzieller Hilfe seines Schwiegervaters gründete der Marquis Medora, östlich des Flusses. Er baute eine Fleischfabrik, ein Hotel, Geschäfte und ein großes Haus (Chateau de Mores) für sich, auf einem Hügel gelegen, mit einem schönen Ausblick über die ganze Stadt. Aber die Träume des Marquis endeten in einem finanziellen Fiasko im Herbst 1886. Der Marquis kehrte mit seiner Frau und seinen Kindern nach Frankreich zurück. Er versuchte später in verschiedenen Gegenden auf der ganzen Welt, seine Träume zu verwirklichen, bis er von Einheimischen in der Sahara im Jahr 1896 getötet wurde.

© Uschi Agboka, 2012
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Reisetagebuch über die Motorradtour durch 11 Staaten des Süd- und Nordwestens der USA vom 6. Juni bis 9. Juli 2012 - zurückgelegte Meilen 7.930 (12.767 km) – Text: Uschi Agboka Fotos: Rolf Kummer – www.harley-rolf.de
Details:
Aufbruch: 23.06.2012
Dauer: 17 Tage
Heimkehr: 09.07.2012
Reiseziele: Vereinigte Staaten
Der Autor
 
Uschi Agboka berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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