Mittelamerika

Reisezeit: Juni 2023 - Januar 2024  |  von Beatrice Feldbauer

Cerro del Cruz

Mein Hotel hat eine Dachterrasse und heute morgen bin ich hinauf gestiegen. Wäre sehr schön, wenn der Himmel nicht so verhangen wäre. Der Vulkan Agua, der dominant über Antigua thront, versteckt sich hinter dicken Wolken. Dafür kann man über die Dächer der Stadt sehen, Hoch ist sie nicht. Mein Hotel mit seinen vier Stockwerken ist eines der höchsten Gebäude. Die Dächer bestehen aus Wellblech und Flachdächern.

Also nichts mit Aussicht, ich stelle mich auf eine Fototour in den Strassen der Stadt ein. Aber zuerst geht es zum Frühstück ins Cafe Condesa, heute gibt es Pancakes, dann bummle ich durch den Park, schlendere zum Arco.

Dabei fällt mir auf, dass überall geputzt wird. Noch ist es früher Morgen, der Verkehr hat noch nicht eingesetzt, die Strassenhändler haben ihre Verkaufsplätze noch nicht aufgenommen.

Aber die Strassenwischer sind da. Im Park wird mit dem Laubbläser der Unrat zusammen geblasen. Lärmbelästigung am frühen Morgen scheint kein Thema zu sein. Auch nicht die Hochdruckreiniger, mit denen unter den Arkaden lautstark geputzt wird. Jeder Fetzen Papier, jede Plastikflasche, jeder Dreck wird weggespritzt oder weggeblasen und in grossen Kübeln entsorgt.

Auf der Strasse entdecke ich Strassenarbeiter, die mit Eisenzangen auch noch die kleinsten Schnipsel Unrat einsammeln. Das ist gar nicht so einfach zwischen den groben Steinen, mit denen die Strasse gepflastert ist.

Pancakes mit Ahornsirup

Pancakes mit Ahornsirup

Im Innenhof des Condesa

Im Innenhof des Condesa

Mit Laubbläser...

Mit Laubbläser...

... und Hochdruckkreiniger sind die Gemeindearbeiter unterwegs

... und Hochdruckkreiniger sind die Gemeindearbeiter unterwegs

Jedes kleinste Fötzelchen wird eingesammelt

Jedes kleinste Fötzelchen wird eingesammelt

Noch ist die Stadt ruhig

Noch ist die Stadt ruhig

Beim Arco werde ich von einem Tuctuc-Fahrer angesprochen. Ob ich hinauf zum Cerro del Cruz fahren wolle, dem Aussichtspunkt mit dem grossen Kreuz über Antiga. Tatsächlich hatte ich mir überlegt, heute da hinauf zu steigen, aber man könnte natürlich auch mit dem Tuctuc hinauf fahren. Er liegt nur knapp 100 Meter über der Stadt. Früher hatte man empfohlen, dass man für den kurzen Aufstieg Polizeibegleitung - es gibt extra dafür die Touristenpolizei - in Anspruch nehmen sollte, aber ich glaube, das sollte sich inzwischen erledigt haben.

Tomas, so heisst mein Tuctucfahrer, will mir auch noch andere Attraktionen zeigen, aber ich bin erst noch etwas skeptisch, fahren wir erst mal hinauf, dann sehen wir weiter.

Es ist nicht weit aber die Strasse steigt recht steil hinauf. Tomas nimmt die Kurven, plaudert von weiteren Aussichtspunkten und schon bald kommen wir oben beim Kiosk an. Schau, die Leute, die mit dem Taxi oder zu Fuss kommen, müssen hier Eintritt bezahlen, nur wenn man mit dem Tuctuc kommt, ist es gratis, erklärt mir Tomas. Ich sehe tatsächlich, dass ein Wärter andere Leute anhält, während er uns nur einen Gruss zuruft und mit Handzeichen durchwinkt. Mir erschliesst sich die Logik davon nicht, aber es soll mir recht sein.

Tomas will warten, während ich die paar Schritte hinunter zur Plattform gehe. Es sind erst wenige Leute da. Von hier oben hat man eine tolle Übersicht über die ganze koloniale Stadt mit ihren rechteckigen Strassenzügen, ihren grossen Innenhöfen, den alten Kirchen und Klöstern, die zum Teil nach dem letzten grossen Erdbeben von 1773 nicht mehr aufgebaut wurden und seither als Ruinnen verteilt stehen. Damals wurde die Hauptstadt nach Guatemala City verlegt, nachdem diese Stadt mehr als 200 Jahre nicht nur die Hauptstadt des Landes, sondern sogar der wichtigste Ort ganz Mittelamerikas war.

Mir kommt Antigua noch immer vor, als wären die spanischen Eroberer erst vorhin aus der Stadt verschwunden. Die dicken Mauern, die groben Kopfsteinpflaster über die sich die Autos und Tuctucs quälen und die erdigen Farben geben der Stadt ihren ganz besonderen Charme.

Der Vulkan Agua, stolze 3760 Meter hoch, bleibt auch jetzt teilweise versteckt.

rechts ist die Merced und in der Mitte der Arco zu erkennen

rechts ist die Merced und in der Mitte der Arco zu erkennen

Früher hiess der Vulkan anders, erzählt mir Tomas. Im September 1541 füllte sich der Krater nach heftigen Regenfällen mit Wasser, der Kraterrand barst und eine gewaltige Schlamm- und Wasserlawine verschüttete die erst kurz vorher gegründete Hauptstadt. Seither heisst der Vulkan Agua und die Hauptstadt wurde ein erstes Mal verlegt. Gegründet wurde die heutige Stadt Antigua, die alte Hauptstadt wurde zu Villa vieja. Inzwischen ist auch Antigua schon wieder die alte Stadt und die aktuelle Hauptstadt befindet sich gut 50 km davon entfernt. Guatemala lebt schon immer mit gewaltigen Naturereignissen, wie Vulkanausbrüchen, Erdbeben und Schlammlawinen. Die Erde ist hier sehr lebendig und kommt nie ganz zur Ruhe.

Rechts vom Vulkan Agua liegen die beiden Vulkane Fuego und Acatenango. Der Fuego ist noch immer aktiv und es kann schon sein, dass gelegentlich eine graue Wolke dem Krater entsteigt. Erst vor ein paar Wochen ist er zum letzten Mal richtig ausgebrochen, aber es gab zum Glück keine gravierenden Schäden, ausser dass die Lava ganze Wälder zerstört hat. Dörfer blieben verschont.

Inzwischen haben wir uns geeinigt, wir setzen unsere Tour fort. Aber nicht zu höheren Aussichtspunkten, dafür liegen mir die Wolken zu tief, aber Tomas hat noch weitere Ass im Ärmel. Er will mir die Kaffeefince Filadelfia zeigen.

Dazu fahren wir durch die Dörfer Jocotenango und San Felipe mit der eigenwilligen Kirche.

Die Kirche von San Felipe sei die einzige mit einer Uhr im Turm

Die Kirche von San Felipe sei die einzige mit einer Uhr im Turm

Die Finca Filadelfia ist eine sehr grosse Kaffeeplantage, gegründet vor gut 150 Jahren und noch immer im Besitz der gleichen Familie.

Eine breite Strass führt zum imposanten Eingangstor mit dem roten typischen Brunnen und dem geld und weiss gestrichenen Doppelbogen. Alles ist sehr gepflegt Auf dem Weg zum Hauptgebäude fahren wird durch Kaffeepflanzungen auf beiden Seiten der Strasse. Die Kaffeebohnen sind noch grün, im November, wenn die Ernte beginnt werden sie leuchtend rot sein. Es ist fast ausschliesslich Arabica, der hier in Guatemala angebaut ist. Wir sind hier auf ca 1500 m was die ideale Höhe für den Anbau von Kaffee ist. Unter hohen Böumen wachsen die niedrigeren Kaffeepflanzen mit den glänzenden grünen Blättern.

Beim Hauptgebäude empfängt mich ein Guide. Er würde mir gern eine Fahrt mit dem grossen Geländewagen durch die Pflanzung offerieren, aber es scheint, dass ich im Moment die einzige Interessentin bin. Mindestens 4 Personen wären nötig, sonst lohnt sich die Fahrt nicht. Es sieht nicht aus, dass sich nächstens noch mehr Touristen einfinden werden, darum setzen wir uns auf die Terrasse und lassen uns eine Erfrischung bringen.

Die Finca ist zwar riesig gross und ihr Hauptthema ist der Kaffeeanbau. Tomas erzählt, dass Starbucks Kaffee von hier bezieht, aber inzwischen wurde das Angebot für die Besucher erweitert. Es geht nicht mehr ausschliesslich um den Kaffeeanbau. So gibt es das schöne Restaurant und ein Hotel sowie verschiedene Unterkünfte und Vergnügungsangebote. Gemäss Fotos gibt es sogar eine Zipline. Die Finca hat sich zu einem Touristenangebot gemausert.

Hauptsächlich ist die Finca Filadelfia aber eine riesige Kaffeeplantage mit über 5000 Arbeitern.

Da wir schon einmal hier sind, schlage ich vor, dass wir auch der mir seit Jahren bekannten Kaffeefinca Azotea noch einen Besuch abstatten. Diese Finca ist seit Jahren auch ein Museum und ich bin gespannt, wie sich dieser Platz geändert hat.

Auf dem Weg dahin, der uns zurück durch Jogotenango führt, halten wir bei einer kleinen Holzwerkstatt an. Hier werden die typischen Holzfrüchte hergestellt, von denen ich früher immer ein paar gekauft hatte. Schöne Dekoartikel, die aussehen, als ob es echte Früchte wären. Es gibt sie aus rohem Holz oder mit verschiedenen Lackierungen. Da grad eine Gruppe Amerikaner durch den winzigen Laden stöbern, kann ich unbelästigt Fotos machen und werde nicht unnötig angesprochen. Ich habe ja nicht im Sinn etwas zu kaufen, freue mich aber an den sehr schönen Arbeiten

Das Kaffeemuseum mit seinen interessanten Informationen über die Produktion von Kaffee ist geblieben. Es gibt auch viele Fotos und die Familiengeschichte der Besitzer. Ausserdem kann man die Anlagen sehen. Wo der Kaffee im Hof an der Luft getrocknet wird, wo er sortiert und geschält wird und auch die Röstmaschine ist zugänglich.

Da aber keine Erntezeit ist, gibt es weiter nicht viel zu sehen.

Kaffee wird auf der ganzen Welt in der Nähe des Äquators angebaut

Kaffee wird auf der ganzen Welt in der Nähe des Äquators angebaut

Hauptproduzent ist mit grossem Abstand Brasilien.

Hauptproduzent ist mit grossem Abstand Brasilien.

Der Ertrag eines Kaffeestrauches: ca 3 kg rote Beeren - ergibt am Schluss nach Schälen, Fermentieren und Rösten noch ein halbes Kilogramm Kaffee.

Der Ertrag eines Kaffeestrauches: ca 3 kg rote Beeren - ergibt am Schluss nach Schälen, Fermentieren und Rösten noch ein halbes Kilogramm Kaffee.

Wohin das Geld fliesst von einem Dollar des Kaffeepreises.

Wohin das Geld fliesst von einem Dollar des Kaffeepreises.

Der Platz wo die Beeren zum Trocknen ausgelegt werden.

Der Platz wo die Beeren zum Trocknen ausgelegt werden.

Wie spät ist es? - Zeit für einen Kaffee.

Wie spät ist es? - Zeit für einen Kaffee.

Im Laden habe ich mich früher immer mit frischem Kaffee eingedeckt

Im Laden habe ich mich früher immer mit frischem Kaffee eingedeckt

Dafür gibt es im Gelände viele Neuerungen. Er gibt verschiedene kleine Restaurantbetriebe, Lokationen für private Feste, viele Fotosujets, viele schöne Blumen, eine Tour durch die Pflanzung. Ich vertreibe mir jedenfalls die Zeit mit einem kleinen Spaziergang und entdecke schöne lauschige Plätze, und ganz viele Blumen, lasse mich von jedem Schmetterling ablenken, bis ich fast den Ausgang nicht mehr finde.

Jetzt hat Tomas nur noch einen Punkt auf seiner Liste. Er will mir eine kleine Schokoladenproduktion zeigen. Dafür fahren wir durch die ganze Stadt auf die andere Seite. Dort in einem kleinen Dorf am Abhand des Agua liegt der kleine Laden von Carmen.

Sie zeigt mir, wie hier Schokolade produziert wird. Alles von Hand, betont sie mehrmals. Artesenal.

Leider ist im Moment keine Produktion im Gange, aber sie zeigt mir die Kakaokerne. So werden sie gekauft und hier weiter verarbeitet. Bereits sind sie aus den Kakaofrüchten entfernt und die weisse gelartige Masse ist ebenfalls weg.

Hier im Haus werden sie über dem Feuer geröstet, bis sich der Duft der Kerne wunderbar entfaltet. Danach müssen sie geschält werden. Mit schwarzen Händen ist eine Frau dabei, den Korb frisch gerösteter Kerne zu schälen. Sie sind ziemlich hart, aber die Frau ist sehr schnell.

Auch die Schalen können übrigens weiter verwendet werden. Für ein paar Quetzales werden sie im Laden verkauft. Das ergibt einen aromatischen Tee.

Ob sie ihre schwarzen Hände wieder sauber bekommt, will ich von der netten Frau wissen. Aber selbstverständlich. Es braucht aber warmes Wasser und viel Seife, dann sieht man nichts mehr von der Arbeit, lacht sie.

Die gerösteten Kerne werden geschält.

Die gerösteten Kerne werden geschält.

Den weiteren Verlauf kann mir Carmen nur noch anhand von Fotos zeigen. Die geschälten Kerne werden in die Mühle gegeben, wo sie gemalen werden. Sie werden so lange gemalen, bis sich das Kakaofett verflüssigt und als dickflüssige Masse aus der Maschine in das Auffangblech fliesst. Dort wird die Masse mit Zucker vermischt. Von Hand. Je nach Bedarf ist die Mischung halb Zucker/halb Kakao. Kakao, der für die Küche verwendet wird, enthält mehr Zucker, für den direkten Genuss braucht es weniger Zucker. In der Küche wird die Schokolade für Kakao mit Wasser oder Milch vermischt. Kakao wird auch für bestimmte Sossen verwendet.

Man knetet die Masse, bis sich ein Kakaoballen bildet. Aus diesem werden die Tafeln und runden Scheiben geformt. Alles von Hand. Eine sehr aufwändige Arbeit.

Die Schokolade hier enthält nur drei Indegrienzen, erklärt Carmen noch einmal: Kakao, Zucker und Aromen wie Ingwer, Zimt, Orangen und andere Gewürze.

Die fertigen Schokoladetafeln im Laden aufgereiht.

Die fertigen Schokoladetafeln im Laden aufgereiht.

Nach dieser eindrücklichen Präsentation führt mich Tomas noch in eine kleine Produktion von Nespole-Früchten. Wein werde daraus gemacht, erklärt er mir, aber eine kurze Degustation zeigt mir, dass es eher süsser Likör ist. Interessant daran ist eigentlich nur, dass die Nespole-Früchte, die ich von Spanien kenne, auch hier angebaut werden. Sie werden in Gläsern eingemacht, oder eben als Wein verkauft.

Mein Kopf-Speicher ist damit wieder gefüllt und mein Akku bald leer. Daher fahren wir jetzt zurück ins Hotel, wo ich erst einmal ein wenig ausruhe. Es hat eh angefangen zu regnen, da tut ein Nickerchen ganz gut.

Später gehe ich zum Nachtessen ins Escobar. Es ist ein sehr elegantes Restaurant, ganz in der Nähe. Fast hätte ich es vergessen, aber zufällig komme ich daran vorbei und gönne mir ein richtig feines Nachtessen mit einem Apero und einem Camerones-Ceviche. Das ist zwar eher peruanisch, aber es schmeckt erst recht wunderbar. Und der Weisswein aus Spanien passt perfekt.

Bald komme ich ins Gespräch mit dem Paar am Nachbarstisch. Claudia und Jorge sind Mexikaner, unterwegs auf einer Rundreise durch Guatemala. Wir unterhalten uns übers Reisen. Jorge arbeitet in der Reisebranche und die beiden haben schon viel von der Welt gesehen. Sie waren sogar in der Schweiz. Bleiben wir in Kontakt, meinen sie, wir können dir ein paar Tipps zu Mexiko geben.

Ceviche de Camarones

Ceviche de Camarones

Claudia und Jorge aus Mexico-City

Claudia und Jorge aus Mexico-City

Es war wieder ein wunderbarer Tag, voller Überraschungen, neuen Entdeckungen, und sympatischen Begegnungen.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Am Start einer neuen Reise ist meist noch alles ganz klar. Nur das erste Ziel: Guatemala und später im Jahr eine Hochzeit in Mexika. Es wird also einmal mehr eine sehr lange Reise mit vielen Überraschungen. Ich freue mich über virtuelle Mitreisende und werde wie gewohnt über meine Erlebnisse berichten.
Details:
Aufbruch: 09.06.2023
Dauer: 7 Monate
Heimkehr: Januar 2024
Reiseziele: Guatemala
Mexiko
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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