Mittelamerika

Reisezeit: Juni 2023 - Januar 2024  |  von Beatrice Feldbauer

Austern

Ein ruhiger Tag, ein heisser Tag. Ich bleibe im klimatisierten Zimmer, schreibe und tatsächlich geht es wieder besser, seit ich mich entschieden habe, aktuell zu schreiben und nicht der verlorenen Zeit hinterherzurennen.

Erst gegen Aband, als die grösste Hitze vorbei ist, entschliesse ich mich, zum Zocalo zu gehen. Weil es nicht mehr gar so heiss ist, uind weil der Zocalo eigentlich gar nicht so weit weg ist, gehe ich zu Fuss. Ich wohne ja auf dem Hügel, es geht angenehm hinunter ans Meer. Wenn man zu Fuss unterwegs ist, sieht man ganz andere Dinge. Wie zum Beispiel die etwas heruntergekommenen Hotels, oder die Häuser, die im Laufe der Zeit immer wieder um ein Zimmer aufgestockt wurden, bis sie eine ansehnliche Höhe erreichen.

Es ist verboten, Abfall wegzuwerfen - an diesem Ort

Es ist verboten, Abfall wegzuwerfen - an diesem Ort

Oder die graffitti-artige Anweisung, dass hier kein Abfall weggeworfen werden darf. Das scheint zu funktionieren. NIcht nur hier, eigentlich ist ganz Mexiko sehr sauber. Die Strassen und Plätze werden ständig von Strassenkehrern gereinigt, aber ein eigentliches Littering habe ich in diesem Land noch nicht gesehen. Und das, obwohl sehr viel von den verschiedenen Imbissständen in Plastikbechern und Geschirr angeboten wird.

Auch heute wieder ist der Zocalo von lauter Essensständen überstellt. Man kann hier alles haben von Zuckerwatte zu verschiedenen Gebäcken, Getränke, Eis, Pizza. Und alles in Papier und Plastik verpackt. Und der ganze Platz bleibt sauber. Ich finde das erstaunlich und merke, dass ich immer wieder meine Vorstellungen von anderen Ländern überprüfen muss. Ich bin nämlich längst der Meinung, dass die Schweiz nur so sauber ist, weil auch bei uns über Nacht alles wieder gereinigt wird.

Heute ist Samstag-Abend, heute bevölkern die Einheimischen den Platz. An einem Ort werden kleine Stühle aufgetellt, es scheint eine Kindervorstellung zu geben. An verschiedenen Orten sehe ich Clowns, die auf ihren Auftritt warten. Publikum ist bereits genügend auf dem Platz, man will sich vergnügen.

Schuhputzer überall

Schuhputzer überall

Ich gehe weiter. Hinunter an den Quai und laufe dem Meer entlang zum grossen Strand. Dabei fallen mir die riesigen Mangobäume auf. Es gibt tatsächlich sehr viele Mangos hier. Schon Daniel hat mich gestern überall darauf aufmerkdam gemacht. Wenn im Juni die Mangos reif sind, wirst du dich kaum erwehren können, hat er gemeint. Jetzt hängen keine Früchte an den Bäumen, aber mir ihrem satten Grün und dem kräftigen Wuchs sind sie überall eine Augenweide.

Eigentlich wollte ich nur bis zum Zocalo, um dort in einem der Restaurants etwas zu essen, aber es geht noch eine knappe Stunde bis zum Sonnenuntergang und mein Hunger hält sich noch in Grenzen, also laufe ich dem Meer entlang, dem langen Marinegebäude, wo der Hafen für die grossen Kreuzfahrtschiffe sind. Es kommen nicht mehr so viele wie früher, hat mir Daniel gestern erzählt. Früher waren es bis 150 im Jahr, jetzt sind es höchstens noch 50. Und sie werden erst im nächsten Monat erwartet.

Als ich nach dem langen Hafengebäude wieder ans Meer komme, entdecke ich bei einem Blick über die Mauer hinunter auf den Sandstrand, dass da unten unter dem Blechdach ein einfaches Restaurant ist. Die Tische stehen direkt im Sand und in den Tellern liegen Austern. Ich liebe Austern.

Jetzt muss ich nur noch den Eingang zum Restaurant finden.

Beim Eintreten vergewissere ich mich bei den zwei Frauen, die eben heraus kommen, ob das Essen hier gut sei. Was sollen die beiden schon sagen, sie rühmen, wie fein und frisch alles sei. Unbedingt empfehlenswert.

Es ist tatsächlich ein sehr einfaches Lokal. Tische und Stühle stehen im Sand. Darüber gibt es ein Holzdach mit den obligaten farbigen Scherenschnitten, wie es sie fast in allen Lokalen gibt. Die Küche ist hinter dem ersten Tisch, aber auf einem anderen Tisch stehen Bottiche mit frischen Muscheln. Die Bedienung zeigt mir einen freien Tisch, wischt ihn noch sauber und bringt die Karte.

Mariscos in allen Varianten, vorwiegend roh. Sowohl Austern - Ostiones, wie auch andere Muscheln gibt es. Dazu grosse Meeresschnecken, Crevetten in jeder Variante, Ceviches von Fischen oder Crevetten. Neben mir auf dem Holzgeländer stehen ebenfalls ein paar Plastikbecken, die Bedienung erklärt sie mir.

Die Austern sehen aus wie Steine. Ich würde da nie erkennen, wo man sie öffnet, doch sie werden mir geöffnet serviert. Ein junger Mann öffnet sie und präpariert sie auf eine Plastikteller. Perfekt losgelöst von der Schale. Und wie sie schmecken. Ich glaube ich habe noch nie so feine Austern gegessen. Danach versuche ich noch ein paar andere Spezialitäten: Perlmuscheln und andere Muscheln von denen ich nicht wusste, dass man sie ebenfalls so frisch direkt essen kann. Ich könnte in keinem feinen Restaurant besser essen. Dazu ein Corona, das hier in Acapulco gebraut wird.

Während ich am Essen bin, kommt ein kleines Mädchen vorbei. Sie verkauft Erdnüsse und guckt begierlich auf meinen Teller.

Magst du eine? Sie nickt und ich schiebe den Teller zu ihr. Mit spitzen Fingern wählt sie eine Muschel aus. Doch sie will sie nicht so simpel. Sie weiss genau, welche von den vielen Sossen auf dem Tisch ihr am besten schmeckt. Ein Spritzer pikante rote Sosse, und nachher wird die noch mit dem Finger abgeschleckt. Zufrieden zottelt sie davon. Luxus und Armut direkt nebeneinander. Immer wieder werde ich damit konfroniert und weiss nicht so genau, wie damit umgehen.

Pata de Mula

Pata de Mula

Perlmuscheln. Aber sie sind noch zu klein, als dass sie eine Perle entwickeln könnten.

Perlmuscheln. Aber sie sind noch zu klein, als dass sie eine Perle entwickeln könnten.

Die Sonne ist inzwischen untergegangen, gesehen hat man sie hier in der Bucht nicht, aber die letzten Strahlen erleuchten die Skyline auf der anderen Seite der Bucht mit einem rosa Schimmer.

Das Restaurant leert sich langsam, man will schliessen. Und was macht man mit den Muscheln? Ich sehe zu, wie der junge Mann sie in Netzsäcke auf Plastik füllt, dann bindet er die Säcke zu und wirft sie ins Meer. Nicht weit, nur halbwegs in die Brandung, so dass sie zurück ans Ufer, zwischen die Steine zurück geworfen werden. So überleben sie und bleiben frisch bis morgen. Kein Kühlschrank! lacht er und ich überlege, dass es einfach wäre, nachts einen der wertvollen Säcke aus dem Wasser zu holen. Aber vielleicht übernachtet jemand von der Belegschaft hier.

Ich bezahle und bedanke mich bei der Bedienung für die Geduld und das Erklären der verschiedenen Muscheln. Vielleicht komme ich noch einmal. Ich bin jedenfalls begeistert von meinem heutigen Abendessen.

Ich bummle noch etwas weiter entlang dem Sandstrand. Auch die anderen Restaurants sind jetzt geschlossen. Dafür liegen die Fischerboote hoch oben am Strand. Sonntag-Abend. Es wird ruhig hier am Ufer. Ich wechsle die Strassenseite, halte ein Taxi an und bin innert ein paar Minuten zurück in der Quebrada, wo die Leute eintreffen, um eine der letzten Shows des Tages zu sehen. Ich ziehe mich ins Zimmer zurück.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Am Start einer neuen Reise ist meist noch alles ganz klar. Nur das erste Ziel: Guatemala und später im Jahr eine Hochzeit in Mexika. Es wird also einmal mehr eine sehr lange Reise mit vielen Überraschungen. Ich freue mich über virtuelle Mitreisende und werde wie gewohnt über meine Erlebnisse berichten.
Details:
Aufbruch: 09.06.2023
Dauer: 7 Monate
Heimkehr: Januar 2024
Reiseziele: Guatemala
Mexiko
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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