Leinen los und los!

Reisezeit: April - Oktober 2007  |  von Doris Sutter

Der Rhein -- von Koblenz bis Duisburg

Das Rheintal wird ab Koblenz breiter, die Berge sind nicht mehr so schroff. Zu behaupten der beeindruckendste Teil des Rheins wäre mit dem Ende der Bergstrecke vorbei, ist natürlich ungerecht.
Noch fließt der Rhein durch das Mittelgebirge und hat einiges zu bieten.

Den Yachthafen Neuwied zum Beispiel. Hier bleibt kein Wunsch offen. Vom Wohnmobilstellplatz über Waschmaschine, Helling, Restaurant und Liegeplätze bis zum Himmel.
Unbedingt das Neuwieder Schloss besichtigen. Hier wurde Elisabeth zu Wied geboren, die spätere Königin von Rumänien. Sie schrieb unter dem Pseudonym Carmen Sylva lyrische Gedichte und Verse, unter anderem auch über den Rhein, dem sie ein ganzes Leben lang verbunden blieb.

Vor Andernach war gerade ein Buss abgesoffen, als wir daran vorbeischipperten

Vor Andernach war gerade ein Buss abgesoffen, als wir daran vorbeischipperten

Andernach, die alte Römersiedlung, hat einen beeindruckenden Turm, 56 m hoch, 4 m dicke Wände. Nicht zu vergessen der alte Rheinkran von 1554, er war bis 1911 in Betrieb. Die Insel Namedy. 1903 wurde hier in 343 m Tiefe kohlensaurer Sprudel erbohrt. Rechtsrheinisch auf einem gewaltigen Felsen die Burgruine Hammerstein, die im Mittelalter die Reichsinsignien barg, daneben Rheinbrohl mit den Resten des römischen Limes. Die Barbarossa-Stadt Sinzig.
Unkel, der Lieblingswohnsitz von Ferdinand Freiligrath. Hier ehelichte er seine Ida. Über sein Haus schrieb er: "Ein Belvedere hart am Rhein, um das mich ein Fürst beneiden könnte." Es ist heute noch zu besichtigen.
Die Überreste der Feste Rolandseck mit dem Rolandsbogen. Ein Sturm hat das Restgemäuer 1840 weggefegt. Freiligrath, inzwischen vom Zauber der Rheinromantik voll ergriffen, nahm sich des zerstörten mittelalterlichen Monuments an, rief in der Kölnischen Zeitung zu Geldspenden auf, hatte Erfolg und der Bogen wurde wieder aufgebaut.

Die Brücke von Remagen, die so viel Blut gekostet hatte

Die Brücke von Remagen, die so viel Blut gekostet hatte

Mit dem Drachenfels hat sich das Siebengebirge seinen Platz am Rhein gesichert. 1140 ließ Arnold, Erzbischof von Köln, auf ihm eine starke Burg errichten, von der der Bergfried immer noch steht. Die Drachenfelsbahn ist die älteste Zahnradbahn Deutschlands. Den Südhang des Berges bedecken herrliche Buchenwälder. In diesem Forst soll der Drache gehaust haben, der den Nibelungenschatz bewacht hat. Sigfrid erschlug ihn mit seinem Schwert Balmung, gelangte so in den Besitz des Schatzes und badete anschließend im Blut des Drachen. Ein kleines Lindenblatt fiel auf seinen Rücken, das war die einzige Stelle an ihm, die nicht unverwundbar war. Dort traf ihn später Hagens Speer.
Über das Siebengebirge, die " Alpen der Holländer", findet der Interessierte Information im Internet unter www.siebengebirge.com.

Mobby Dick

Mobby Dick

Und schon sind wir in Bonn. Das römische Castra Bonnensia ist eine alte Residenz- und Universitätsstadt. Die Redoute im Godesberger Kurpark, die Kirchen, das Rathaus, der Kreuzgang des Münsters, die kurfürstliche Resistenz, die Universität, das Poppelsdorfer Schloss, der Botanische Garten, der Alte Zoll, Theater, Museen, ich könnte mit dieser Aufzählung noch endlos weitermachen. Die Grabinschriften auf dem Bonner Friedhof lesen sich wie ein Auszug aus "who is who."
Sollte aber einer glauben in Bonn wäre nichts mehr los, nur weil es nicht mehr Bonndeshauptstadt ist, so muss ich einen schlauen Zeitgenossen zitieren: wir irren allesamt, nur jeder irret anders. Neben dem langen Eugen bauten sie eine noch monströsere Hässlichkeit.

Langsam nähern wir uns der Kölner Bucht. Hier verlässt der Rhein das Mittelgebirge und wird zum Niederrhein. Er wird noch breiter, die Berge ziehen sich endgültig zurück. Burgen werden immer spärlicher bis sie völlig von Industrieanlagen verdrängt werden. Der Verkehr ist unbeschreiblich, entsprechend schaukelnd, schlingernd und stampfend kämpfen wir uns vorwärts.
So schön wie Friedrich Schlegel 1802 in einem Brief vom Lauf des Rheins schwärmte, kann ich es nicht ausdrücken:

"....Wie er durch die Felsen mit Riesenkraft in ungeheurem Sturz herabfällt, dann mächtig seine breiten Wogen durch die fruchtreichen Niederungen wälzt, um sich endlich in das flachere Land zu verlieren..."

Vor uns erscheint der Kölner Dom, darauf freuen wir uns schon. Einen Tag Aufenthalt im Rheinau-Sportboothafen gönnen wir uns.

Beluga im Rheinau Hafen in Köln

Beluga im Rheinau Hafen in Köln

Kein ruhiger Übernachtungsplatz, denn rund um den Hafen wird emsig gemauert, betoniert und gebaut. Alte Lagerhäuser werden restauriert und neue Büro- und Wohnpaläste gebaut. Microsoft wird sich hinter der neu hochgezogenen Flutmauer ansiedeln.
Auch der Rest der Stadt ist eine einzige Baustelle. Der Dom, Dauerbaustelle und Groschengrab der Stadt ist wie immer teilweise eingerüstet. Trotz größter Bemühungen kommt er in schmuddeliger Vernachlässigung daher. Gleich einem alten Witwer, dessen Krawatte die Bratensoße der letzten 3 Tage ziert und aus dessen offenem Hosenstall ein Zipfelchen Hemd hervorlugt.
Ob Dreck oder Baulärm, das kann die Rheinländer nicht wirklich aufregen. Der echte Rheinländer ist und bleibt eine Frohnatur.
"Wat kütt, det kütt un et bliev nix wie et wor!", sagen die Kölner.
Jedoch der Spruch entbehrt der Generalisation. Was sich nie ändern wird, ist die rheinische Lebensart und die rheinische Küche. Nichts ist hier nämlich so wie es scheint.
Der Kellner im Lokal heißt nicht etwa Ober, sondern Köbes.
Und der Köbes fragt nicht etwa: "Was darf's sein?"
Oh nein, er kommt mit der Standartfrage an den Tisch: "Unn?"
Und wenn du ihm nicht antwortest wie es sich gehört:" Aas klaar!", dann kann es durchaus passieren, dass er wieder geht und du auf dem Trockenen sitzen bleibst.
Findest du auf der Speisekarte einen halve Hahn und erhoffst dir ein knuspriges Hähnchen, dann liegst du falsch, denn es kommt ein Brötchen mit Senf und Käse.
Sauerkraut heißt Suure Kappes, ergo ist Rotkraut ruude Kappes. Blutwurst wird zum Kölsche Kaviar oder Flöns und Kartoffelpuffer zu Rievekoche. Hämmche ist eine gekochte Schweinshaxe und der Rheinische Sauerbraten ist weltberühmt, ob man ihn mag oder nicht.
Am besten wäre er ja mit Pferdefleisch, aber auch Rinderbraten sei ok. Ist er aus Schweinebraten heißt er Rheinische Pepse und was immer dazugehört sind Rosinen und Äpfel.
Wobei man den Rheinländern eh eine ausgemachte Vorliebe für Mischmasch unterstellen darf, denn sie sind Weltmeister in Suppen und Eintöpfen. Nur was Panhas ist, das konnte mir keiner so recht erklären, wohl so eine Art doppelt gebackener Hackbraten. Und an Ballebäuskes oder Flutschmoppen kann ein Süßmaul nie vorbeigehen.

Köln

Köln

"Die Stadt Düsseldorf ist sehr schön und wenn man in der Ferne an sie denkt und zufällig dort geboren ist, wird einem wunderlich zumute." Behauptete Heinrich Heine, der in Düsseldorf geboren wurde. Napoleon nannte die Stadt sogar "petit Paris".

Eines aber kann ich frohen Herzens bestätigen: die Düsseldorfer Altstadt ist die längste Theke der Welt. Hier fließt das Altbier in Strömen. Im "Ürigen" kann man das Alt gar nicht so schnell trinken, wie der Köbes neues bringt. Natürlich hat es Düsseldorf als Hauptstadt von Nordrhein-Westfalen auch als Zentrum von Banken, Börsen, Messen und modernsten Industriezweigen zu einigem Ansehen gebracht. Was jeder kennt, wenn auch nur vom Hörensagen ist die "Kö". Die Prachtstraße ist modernes Einkaufszentrum und Flaniermeile mit exklusiven Boutiquen, Juwelieren und noblen Straßencafes. Wer was auf sich hält, war schon mal hier.

Wunderschöne Übernachtungsmöglichkeiten findet der Naturliebhaber im Yachthafen Hitdorf, dem Paradieshafen Düsseldorf-Lörick oder dem Yachthafen Krefeld.

Bayer-Werke

Bayer-Werke

Düsseldorf kommt in Sicht

Düsseldorf kommt in Sicht

Duisburg ist stolz darauf, dass es den größten Binnenhafen der Welt besitzt. Die alten Römer waren auch hier federführend. Hier hatten sie bereits vor 2000 Jahren einen Verladeplatz der Rheinschiffer. 213 Hektar Wasserfläche, 20 Hafenbecken, 26 km Hafenstraßen, 3 Bahnhöfe und 148 km Gleisanlage und und und. Der Schiffsverkehr ist irre. Dutzende von Schiffen liegen an den Ladekais, werden entladen, beladen oder warten bis sie dran sind. Ein stetiges Kommen und Gehen.
Im Innenhafen Duisburg, dem ehemaligen Holzhafen, wurde ein neuer Yachthafen gebaut. In unmittelbarer Nähe der Altstadt auf jeden Fall einen Besuch wert. Und tanken kann man auch gleich.

Einfahrt in den Yachthafen

Einfahrt in den Yachthafen

Hier mündet die Ruhr in den Rhein und bringt mit dem Rhein-Herne-Kanal noch zusätzlichen Schiffsverkehr von Weser, Elbe, Ems und dem Seehafen Emden.

Jetzt muss sich der Wasserwanderer entscheiden, will er weiter auf dem Rhein Richtung Holland, will er einen Abstecher ins Ruhrgebiet machen, oder vielleicht weiter Richtung Elbe und Berlin?

hier mündest die Ruhr in den Rhein

hier mündest die Ruhr in den Rhein

Den Niederrhein nur als schnelle Verbindung in andere Wassersportreviere zu sehen wäre schade. Gerade die großen Städte haben einen unheimlichen Reiz.

Dass die Berufsschifffahrt in einem so dicht besiedelten Industriegebiet dominiert, ist ja klar, aber man findet erstaunlich viele ruhige Oasen, die erkundet werden wollen.

Fahr doch mal hin.......

Diese Reportage ist erschienen im Magazin WasserSport Ausgabe 8/2007

© Doris Sutter, 2007
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Begleitet Beluga und ihre Crew auf ihrer Bootsreise durch Deutschland, Holland, Belgien und Frankreich. Man kann 100.000 km mit einem Jet zurücklegen, ohne Mitteilungswertes zu erfahren, aber man kann in einer Stunde gemütlicher Fluss- oder Kanalfahrt auf dem altmodischsten aller Fortbewegungsmittel, dem Boot, sensationelle Erlebnisse haben.
Details:
Aufbruch: April 2007
Dauer: 6 Monate
Heimkehr: Oktober 2007
Reiseziele: Deutschland
Niederlande
Frankreich
Luxemburg
Der Autor
 
Doris Sutter berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Doris sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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