2018 - Bologna, Emilia-Romagna-Italien

Reisezeit: November 2018  |  von Uschi Agboka

Freitag, 2.11.2018 - 2. Tag: Torre Garisenda und Torre degli Asinelli

Informationen zu Torre Garisenda und Torre degli Asinelli

Bologna wird auch "la turrita" gerannt, nach den vielen Geschlechtertürmen (einige wurden als Wohntürme genutzt), von denen die meisten erst Ende des 19. Jahrhunderts zerstört wurden.

Der Geschlechterturm ist eine ursprünglich in Italien, als Wohn- und Verteidigungswerk einflussreicher städtischer Familien entstandene Bauweise.

Die Geschlechtertürme entstanden in der von Fehden geprägten Epoche des 12. und 13. Jahrhunderts, zeitgleich mit den Bergfrieden ländlicher Burgen, denen sie ihre Form entlehnt hatten, allerdings aufgrund der fehlenden Höhenlage sowie der Enge in den Städten oft schlanker und höher.

Der oberitalienische Landadel, der bislang Ministerialendienst auf den Burgen seiner Lehnsherren getan und von Aneilen der erhobenen Zolleinnahmen sowie den eher bescheidenen Abgaben der Leibeigenen und Hörigen gelebt hatte, fühlte sich durch den wachsenden Wohlstand der bürgerlichen Patrizier in den Städten herausgefordert, siedelte seinerseits schon früh in die Städte über und begann, sich ebenfalls kommerziell zu betätigen und Handelshäuser oder Bankgeschäfte aufzubauen – ganz im Gegensatz zum Lehnsadel im übrigen Europa, dem Handels- oder Gewerbebetätigung bei Androhung des Standesverlustes untersagt war. Gleichwohl behielten diese adligen Familien anfangs ihre ritterliche, fehdegewohnte Lebensweise bei und brachten zwischen 1150 und 1250 mit ihren Geschlechtertürmen die fortifikatorische Bauweise von Bergfried, Turmburg und Wohnturm und damit ihre feudalen Macht- und Statussymbole in die Enge innerstädtischer Gassen. Kaufleute und Bankiers versuchten mitzuhalten und errichteten sich ebenfalls Türme. Je höher der Turm einer Familie gebaut wurde, desto höher war das Ansehen dieses Geschlechts. Oft waren die Türme an Häuser oder Palazzi angebaut, die in Friedenszeiten als Wohnsitz dienten.

Die Türme wurden den jeweiligen Familien als Symbol ihres Reichtums gebaut. Trotz Verpflichtung der Erbuntertanen war der Bau der Türme sehr kostspielig. Die Türme wiesen einen quadratischen Grundriss mit 5–10 Meter tiefen Fundamenten auf, bestehend aus Pfählen, die in den mit Kiesel- und Kalkstein bedeckten Boden eingeschlagen wurden.

Die Eckpfeiler der Türme wurden dann mit riesigen Steinblöcken aus Selenit gebaut und der restliche Baukörper wurde mit dünneren und leichteren Mauern in Schalenbauweise, d. h. mit einer sehr dicken Innenwand und einer viel dünneren Außenwand errichtet. Der innere Hohlraum wurde dann mit Mörtel und Steinen gefüllt.

Im Allgemeinen sind in den Außenwänden Löcher von den bei der Errichtung in das Mauerwerk eingelassenen Baugerüsten sichtbar, die offen blieben, um Einrüstungen für Reparaturen zu ermöglichen.

Von den zahlreichen Türmen, die in alten Zeiten die Stadt Bologna schmückten, sind heute knapp zwanzig erhalten geblieben. Darunter sind der Turm Azzoguidi, genannt Altabella (61 Meter Höhe), der Turm Prendiparte, genannt Coronata (60 m), die Türme Scappi (39 m), Uguzzoni (32 m), Guidozagni, Galluzzi und die berühmten schiefen Türme Asinelli (97 m) und Garisenda (48 m).

Wahrzeichen der Stadt sind die zwei Türme, der Torre Garisenda, erbaut 1119 (48 m, früher 60 m) und der Torre degli Asinelli, erbaut 1109 (97,2 m). Letzterer war mit seiner Höhe damals wohl der höchste Profanbau Europas, mit einer Neigung von 2,20 m. Die zwei schiefen Türme liegen an der Kreuzung der Wege, die zu den fünf Toren der alten Stadtmauern der Torresotti führen.

Die Gemeinde erwarb den Asinelli-Turm im 14. Jahrhundert und baute ihn in einen Kerker und eine Burg um. Rund um den Turm wurde ein Holzgerüst aufgebaut, welches auf 30 m über dem Boden angelegt und durch einen Luftsteg (im Jahre 1398 in einem Großbrand zerstört) an den Garisenda angekoppelt wurde. Schweren Schaden erlitt der Turm wegen der vielen Blitze, die häufig Brände oder kleine Zerrüttungen herbeiführten. 1824 wurde eine Blitzschutzanlage eingebaut. Ende des 20. Jahrhunderts wurde auf der Spitze eine Fernsehantenne von der Italienischen Staatsrundfunkanstalt errichtet.

Der Asinelli Turm ist der höchste schiefe Turm Italiens. In Aufstieg über die fast 500 Stufen und der Ausblick über die Stadt sind ein unvergessliches Erlebnis.

Die Wissenschaftlicher Giovanni Battista Riccioli (1640) und Giovanni Battista Guglielmini nutzten die hohen schiefen Türme, am an ihnen den Nachweis der Erdrotation zu erbringen.

Der kleinere Turm Garisenda ist auffällig schief. Er hat heute eine Höhe von 48 m und eine Neigung von 3,20 m. Nach dem Bauende war er ungefähr 60 m hoch. Wegen eines Bodensturzes, der ihn gefährlich schräg machte, wurde er im 14. Jahrhundert zurückgebaut. Im 15. Jahrhundert erwarb die Weberzunft den Turm und behielt ihn bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Dann ging er in Gemeindebesitz über.

Der Garisenda-Turm wurde schon von Dante Alighieri in der Göttlichen Komödie und in den Rime mehrfach erwähnt, was den Aufenthalt des Dichters in der Stadt bezeugt.

In der Moderne wurde die Stadt durch die Türme im Messegebiet (Fiera District) bereichert, die der japanische Architekt Kenzo Tange geplant hat, und die auf die mittelalterliche Bautradition der Stadt zurückgreifen.

© Uschi Agboka, 2018
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Kulturreise nach Bologna, die Kulturhauptstadt 2000.
Details:
Aufbruch: 01.11.2018
Dauer: 6 Tage
Heimkehr: 06.11.2018
Reiseziele: Italien
Der Autor
 
Uschi Agboka berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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