Venezuela zum Abgewöhnen

Reisezeit: September / Oktober 2007  |  von Gerald Heil

Rio Kaura: Horrorflußfahrt

16.10.07

Rio Kaura - Tour, 4. Tag, die Horror-Flussfahrt

Nochmal zum Schmuddeltisch frühstücken, langsam zusammenpacken, um 10:30 soll es losgehen. Die Rückfahrt soll aufgrund der Strömung und der Tatsache, dass wir nun leichter sind, nur 4 Stunden dauern... !!!SOLL!!!
Treffpunkt 10:30h am Boot, wo sind unsere einheimischen Jungs?
Es ist ihnen spontan eingefallen, dass der Motor zum Fahren noch Benzin braucht. Der Typ, der das Benzin vor Ort verwaltet, ist aber nicht da. Also ´mal wieder warten... dann in aller Ruhe Benzin umpumpen und nach einer knappen Stunde geht´s schon los. Mittlerweile ist unser Boot auch verdreckt, es schwimmen Speiseabfälle im eingedrungenen Wasser. Jede Stunde schöpfen wir ca. 10 Liter heraus, damit die Füße nicht so sehr in der Brühe stehen. Dadurch wird's aber auch nach und nach sauberer, da die Brühe sich somit verdünnt; die Einheimischen stört´s zumindest nicht. Der Motor klingt nicht besser als vorgestern und bringt meiner Meinung nach höchstens 50% Leistung. Vielleicht hätte man den ´mal in den vergangenen 2 Tagen nachsehen können? Das kann man aber doch auch jetzt auf dem Fluss machen, denkt sich der Maschinist. Er fummelt ein wenig daran herum, macht eine professionell-bedenkliche Miene und fährt mit stotterndem Motor in Schrittgeschwindigkeit weiter. Ab und zu würgt er den Motor ab, aber der springt meistens nach 5 Minuten beim 7. Versuch wieder an. Wie sollen wir so jemals ankommen? Ein entgegenkommender Bootsmann macht mit einem kleinen Stöckchen den verstopften Wasserzulauf der Kühlung wieder frei. Ach so geht das? Unser Maschinist schaut wieder zuversichtlicher, der Motor bringt kurzfristig wieder 50% Leistung............bis er kurz darauf ganz ausfällt. Die beiden Mitreisenden müssen pinkeln (das Bier...). Ein Anlegen ist aufgrund des dichten Uferbewuchses nirgendwo möglich; also pinkelt Edgar stehend von der Reling des Einbaums. Jack ist das zu peinlich (Jack ist etwas zu peinlich?) und er springt zum Pinkeln in den Fluss.
Wir ziehen ihn wieder ins Boot (wieso eigentlich?). Unser Guide zertrümmert mit einem Tritt eine Sitzbank und benutzt das kleine abgebrochene Holzstück als Paddel (ein richtiges Paddel gibt es auf unserem Boot nicht).

Er meint, wir müssten ein Indio-Dorf erreichen, um über Funk einen Ersatzmotor zu bestellen. Im Nachhinein stellt sich heraus, dass wir mit Paddeln dazu wohl 3 Tage gebraucht hätten. Ein vorbeifahrendes Boot bekommt unsere Misere mit und organisiert im nächsten Dorf einen Motor, der uns auf dem Fluss von einem anderen Boot übergeben wird. Zum Wechseln des Motors wird nach einer halben Stunde an einer geeigneten Stelle angelegt. Uups, der neue Motor hat kein Starterseil eingebaut. Ein anderer pfiffiger, vorbeikommender Indiojunge hat eines im Boot herumliegen, mit dem er unseren Motor startet. Meine Bemerkung, dass er das Seil nach dem Starten unseres Motors wieder mitnimmt, wird ignoriert. Es folgt ein improvisiertes Mittagessen in einem Indiodorf, da der Zeitplan nun natürlich nicht mehr stimmt.
Wir haben gedacht, eine Steigerung der negativen Umstände wäre nicht möglich. Hier sitzen wir jedoch umgeben von in Hängematten dösenden und dauerstillenden Frauen an noch dreckigeren Tischen im Müll neben aufgeblähten toten Fröschen und anderen Kadavern.
Keiner schafft es hier, seinen Teller mit Nudelsalat aufzuessen. Die Reste werden von den Frauen angenommen. Nur weg und endlich zurück!!!
Aber wie denn ohne Starterkabel? Nach einiger Zeit schafft es unser Guide, aus herumliegenden dünnen Stricken ein Starterkabel zu flechten und schon nach dem 10. Versuch springt der Motor an.
Los jetzt, Vollgas!!
Denkste, nach kurzer Zeit wieder Motorausfall... Schlechter Sprit?
Der Motor springt nach einiger Zeit wieder an, wohl nur Luft gezogen. Das passiert noch einige Male, im Boot werden so langsam die Holzsitzbänke für die Nacht verlost. Das Starten des Motors dauert immer länger. Wie lange wird er jetzt durchhalten? Und wieder stirbt er ab. Und wieder... Marianna lässt einen Frustschrei los!!! Es geht ihr nicht gut, sie hat Krämpfe. Mit dem allerletzten Tageslicht erreichen wir den Ausgangspunkt unserer Tour. 8 ½ Stunden auf der Holzbrett im Boot sitzend liegen hinter uns...
Wir bitten den Guide, unser Taxi morgen möglichst früh kommen zu lassen. Die Anderen haben nichts dagegen. Nur weg hier!
Jack fährt noch ´mal los und kommt nach 45 Minuten mit einer Palette Bier für sich und Edgar zurück. Wo er es nur immer auftreibt?
Der nächste Schock steht uns bevor. Die Unterkunft (bzw. das heutige Strohdach) liegt am Rande eines Dorfes und am Dorfrand gibt es immer? Richtig, Müll. Diesmal ganz besonders viel Müll. Zum Glück wird uns das Ausmaß erst am nächsten Morgen bewusst als wir einen Platz im Buschklo suchen und selbst dafür weit laufen müssen, bis es uns nicht mehr vor dem Boden (bzw. was darauf liegt) graust. Dass nachts und morgens die Hausschweine unter unseren Sachen umherlaufen, ist dagegen ja richtig idyllisch.
Jack und Edgar haben sogar noch einheimische Freunde gefunden, die eine Rumflasche haben.
Über deren alkoholisierten, internationalen Männergesprächen (deutsches Bier - goooood, Maradona - goooood, Rum - very gooooooooood) schlafen wir ein.

© Gerald Heil, 2007
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Die Reise
 
Worum geht's?:
4-Wochen-Reise durch Venezuela im Oktober 2007 mit Touren zum Salto Angel, Grand Sabana, Los Llanos, Rio Kaura, Merida, Carupano
Details:
Aufbruch: 29.09.2007
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 27.10.2007
Reiseziele: Venezuela
Der Autor
 
Gerald Heil berichtet seit 16 Jahren auf umdiewelt.