Falltür ins Paradies

Reisezeit: Oktober 2009 - Oktober 2010  |  von Katharina L.

Goldgraeber und Eisenbahnen, 08.-10.03.2010

Die Westkueste der Suedinsel und ihr bergiges Hinterland sind Goldgraeber- und Abenteuererland. Zigtausende wurden um 1860 herum von den ersten glitzernden Funden angelockt. Sie durchpfluegten das Land auf der Suche nach dem grossen Schatz, manche mit Schippe und Teller, manche mit riesigen Schuerfmaschinen. Wie immer war es natuerlich nur wenigen vergoennt, vom unermesslichen Reichtum nicht nur zu traeumen und so ist dies auch ein Land, das Geschichten von gescheiterten Versuchen und tragischen Verlierern erzaehlt.

Kawatiri Junction bei Nacht

Kawatiri Junction bei Nacht

Wir fahren von Takaka aus hinein in die Berge, vorbei am Kahurangi National Park, Richtung Sueden und kommen am Abend an einen Ort, der eine solche Geschichte zu erzaehlen weiss. Scheinbar lebt niemand mehr in Kawatiri Junction, doch neben dem kleinen Motorcamp, auf dem wir uebernachten, stehen zwei Schautafeln, die aus der Vergangenheit berichten.

Etwa ab 1880 wurde versucht, eine Eisenbahnlinie zwischen Nelson und Christchurch zu bauen, um den wilden Norden und Westen der Insel mit dem bereits erschlossenen Osten zu verbinden. Voller Optimismus bezueglich der wirtschaftlichen Entwicklung der Region, trieb man die Trasse voran, sprengte Felsen aus dem Weg, grub Tunnel, baute Bruecken. Doch der Aufschwung stockte und so auch der Ausbau der Eisenbahnstrecke. Verschiedene Geldgeber stiegen ein und wieder aus, um 1920 herum war schliesslich Kawatiri Junction vom Norden her erreicht.
Es war ein verwegener Haufen von Bahnarbeitern und deren Familien, die hier im Gowan Camp lebten und den sturzbachaehnlichen Niederschlaegen, den rauhen Winden, den Millionen von Sandfliegen und der schlechten Versorgung trotzten. Man baute eine Kirche, eine Kneipe und gruendete sogar ein maessig erfolgreiches Rugbyteam.

Eines Tages, im Jahr 1929, kroch Campvorsteher Ned mit schwerem Kopf aus seinem Bett. Zunaechst glaubte er, die Verwuestungen, die er in seiner Huette sah, seien Folge des wuesten Saufgelages, das am Vorabend hier stattgefunden hatte, wie er sich dunkel erinnerte. Doch wenig spaeter stellte sich heraus, dass das Chaos durch das verheerende Erdbeben im wenige Kilometer entfernten Murchison angerichtet worden war.

Die Jahre vergingen, das Geld wurde immer knapper. Nur wenige Kilometer Schienenstrang fehlten um die Verbindung zwischen Nordwest und Ost herzustellen. Doch auch eine verzweifelt ausgerufene Spendenaktion unter dem Motto "Fill The Gap" brachte keine Rettung mehr. Im Jahre 1954 schliesslich war die Eisenbahngesellschaft endgueltig bankrott. Auf dem letzten Zug spielte eine Blaskapelle den traurigen Abgesang auf die "Rails To Nowhere".

Nachdem wir am Morgen die spaerlichen Ueberreste des letzten gebohrten Eisenbahntunnels besichtigt haben, fahren wir weiter Richtung Sueden und stossen in einem kleinen Nest namens Inangahua auf eine weitere Geschichten-Fundgrube in Gestalt des "Inangahua Earthquake Centre". In dem alten Holzgemeindehaus wird nicht nur erzaehlt, wie die einst wenige Kilometer entfernt gelegene Ortschaft Lyell infolge eines Erdbebens schlicht von der Landkarte verschwand, sondern auch die Geschichte von "Little Biddy of the Buller".

Das Earthquake Center wird von einer alten Schule...

Das Earthquake Center wird von einer alten Schule...

Waehrend des Goldrausches der 1860er Jahre kam auch "Little Biddy", eine gerade mal vier Fuss kleine, drahtige Irin in ihren 30ern ueber Australien ins vermeintlich "goldene" Neuseeland. Mit sich brachte die Zeit ihres Lebens unverheiratete Frau nicht nur Pioniergeist, sondern auch zwei "mates", also Freunde, mit denen sie in letztlich nicht ganz geklaerter Beziehung zusammenlebte. "Little Biddy" war bekannt fuer ihren legendaeren Schnapskonsum und die staendig qualmende Tonpfeife, die zwischen ihren Zaehnen klemmte, aber auch fuer ihre enorme Tuechtigkeit - sie konnte arbeiten "wie ein Mann".

...plus Turnhalle beherbergt.

...plus Turnhalle beherbergt.

Auf Goldsuche arbeiteten sich Biddy und ihre zwei Maenner von Collingwood in der Golden Bay bis ins 150 Kilometer suedlich gelegene Lyell durch, wo sie an der Iron Bridge schliesslich im Buller Creek fuendig wurden. Der Goldfund reichte um sich davon an Ort und Stelle niederzulassen und ein Haeuschen zu bauen. Biddys Maennern fehlte es allerdings an der Zaehigkeit ihrer Gefaehrtin. Binnen kurzer Zeit musste die einen nach dem anderen auf den Friedhof ins 40 Kilometer entfernte Reefton bringen.

Reefton besitzt zum Teil noch alten Goldgraeber-Charme.

Reefton besitzt zum Teil noch alten Goldgraeber-Charme.

Dort liess sie sich, so alleine gelassen, schliesslich auch nieder. Die Gold- und Geldvorraete waren aufgebraucht, aber einige Ordensschwestern verpflegten die schon legendaere "Little Biddy of the Buller" bis zu ihrem Tod. Der ereilte sie in ihrem 87. Lebensjahr und bis dahin wusste sie durchaus noch die eine oder andere Flasche zu leeren. Als eine der Ordensschwestern Biddy einmal bewusstlos in ihrem Zimmer auffand, dachte sie, die kleine Irin habe ihren letzten Atemzug getan. Der herbeigerufene Arzt konnte allerdings lediglich - und lachend, wie berichtet wird - einen Vollrausch diagnostizieren ...

Von Biddy keine Spur mehr als wir in Reefton eintreffen. Doch immer noch versprueht die kleine Stadt den allerdings etwas touristisch aufgemoebelten Charme einer alten Goldgraebergemeinde. Nach all diesen Geschichten wird es auch fuer uns Zeit, auf Schatzsuche zu gehen. Wir campen 10 Kilometer suedlich von Reefton am Slab Hut Creek und steigen am naechsten Morgen, ausgeruestet mit unserer zum Goldwaschteller umfunktionierten Teigschuessel und unserem zum Spaten umfunktionierten Kochloeffel, in den kleinen Fluss. Doch nach stundenlangen vergeblichen Grabungen und Waschungen muessen wir uns schliesslich - leider, leider - in die grosse Gruppe der Goldrauschverlierer einreihen.

Ort unserer vergeblichen Goldsuche

Ort unserer vergeblichen Goldsuche

Von Juck- und Kratzorgien gepeinigt fliehen wir am Ende des Tages, nach drei fast schlaflosen Naechten, auf den sandfliegenfreien "Oceanside Holiday Park" von Hokitika. Damit folgen wir der Route so vieler erfolgreicherer Goldgraeber, die ihre Funde einst einer der 14 Banken der Stadt anvertrauten. Dass wir kein Gold mitbringen, macht nichts, denn statt der 14 Banken gibt es in Hokitika heute auch nur noch einen ATM.

© Katharina L., 2009
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Die Reise
 
Worum geht's?:
1 Jahr: Indien – Thailand – Laos – Vietnam – Neuseeland – Chile – Argentinien – Peru – USA
Details:
Aufbruch: 01.10.2009
Dauer: 12 Monate
Heimkehr: 01.10.2010
Reiseziele: Indien
Thailand
Vietnam
Laos
Neuseeland
Chile
Argentinien
Bolivien
Peru
Vereinigte Staaten
Der Autor
 
Katharina L. berichtet seit 14 Jahren auf umdiewelt.