Falltür ins Paradies

Reisezeit: Oktober 2009 - Oktober 2010  |  von Katharina L.

Die Blues Route nach Memphis, 5.9.-10.9.2010

"Was? Das ist der kleinste Wagen!?"
Katharina steht lachend vor dem schwarz lackierten, in der Sonne glänzenden Dodge Charger, der ein wenig an David Hasselhoffs KIT aus "Knight Rider" erinnert. Tja, kleinere Autos werden von US-amerikanischen Autovermietern offenbar nicht angeboten.
Wir sagen auf Wiedersehen zu Ray, dem Hostelangestellten, mit dem wir uns angefreundet haben. In sechs Tagen wollen wir zurück im India House sein.

Bonnie & Clyde?

Bonnie & Clyde?

Wir nehmen den Highway 10 nach Westen und biegen dann, zwischen Lake Maurepas und Lake Pontchartrain hindurch, auf den alten Highway 51 nach Norden ab.

Mississippi ist der ärmste Staat der USA, die Bevölkerung mehrheitlich schwarz. Das bemerkt man sehr bald, wenn man durch diese Gegend fährt. Immer wieder sieht man in den kleinen Gemeinden, durch die man kommt, Schrottthalden, Müll, verrostete oder ausgebrannte Landmaschinen und Autos, verfallene Häuser, vor denen abgerissene, oftmals - auch am hellen Tage - offensichtlich durch diverse Drogen berauschte Bewohner sitzen, hauptsächlich natürlich in den Vierteln, in denen Schwarze wohnen.

back in the chicken shack...

back in the chicken shack...

Und trotzdem: hält man irgendwo an, steigt aus dem Auto, sieht sich um, fragt nach dem Weg, so begegnen einem immer, trotz ihrer offensichtlichen Armut, aufgeschlossene, freundliche und hilfsbereite Menschen. Auch hier haben wir nicht eine einzige bedrohliche Situation erlebt, auch nicht als weiße Europäer mit einem nicht gerade unauffälligen Auto.

Mississippis Sümpfe

Mississippis Sümpfe

Es ist Sonntag Nachmittag, wir fahren durch Hazlehurst hindurch nach Crystal Springs, einem kleinen Weiler, der das Robert-Johnson-Museum beherbergt. Der Bluesmusiker wurde in dieser Gegend geboren. Die Ortschaft ist wie ausgestorben, das Museum geschlossen, in einer Nebenstraße sehen wir drei Kinder, die mit einem Football spielen. Drei, vier Autos rollen an uns vorbei, das ist alles. Aber irgendwas schwirrt hier durch die Luft. Die Hitze, die staubigen Straßen, die kleinen Holzhäuser, der Geruch, das Zirpen der Grillen - da stellt sich so langsam aber sicher Bluesatmosphäre ein.

Geisterstadt

Geisterstadt

Wir rollen langsam weiter Richtung Norden und steuern ein "Days Inn"-Motel in einem Industrievorort von Jackson an. Stilecht gibt es Abendessen im Taco Bell Schnellrestaurant. Wir bestellen eine "Five Buck Box", also eine 5-Dollar-Box, mit diversen Tacos und Enchilladas. Der Verkäufer kriegt sich über meine Aussprache gar nicht mehr ein. Offensichtlich sage ich so was wie "Five Bug Box", was so viel wie "Fünf Käfer Box" heißen würde. Vor lauter Freude schenkt der freundliche Mann Katharina einen großen Softdrink. "Ah Germany! My brother has been in Germany years ago. Frankfurt. Great!" Man trifft wohl kaum einen Schwarzen in Mississippi, der nicht von einem Verwandten wüsste, der mal als GI in Deutschland stationiert war. Und für viele aus dem armen Süden war das, zumindest wirtschaftlich, nicht die schlechteste Zeit ihres Lebens.

Am nächsten Tag geht es weiter Richtung Vicksburg, doch kurz vor dieser Stadt biegen wir in Redwood auf den legendären, viel besungenen "Blueshighway" 61 Richtung Norden ab. Der schlängelt sich zwischen Mississippi River im Westen und "Delta National Forest" im Osten durch rotbraune Felder hindurch nach Rolling Fork, wo Muddy Waters geboren wurde. Zum ersten Mal begegnen wir hier einem der Hinweisschilder des sogenannten "Mississippi Blues Trail" - eine Einrichtung des Staates Mississippi, der an für die Bluesgeschichte wichtigen Orten, oft in winzigen, abgelegenen Gemeinden, blaue Informationsschilder über berühmte und weniger berühmte Musiker, Clubs, Radiosender und ähnliches aufstellen ließ (einen entsprechenden Plan findet man auf www.msbluestrail.org). In Rolling Fork herrscht sonntägliche Ruhe. Lediglich an der Tankstelle in der Mitte des Ortes scheint man sich zu treffen, Fast Food, Eiscreme und das Wochenendbier einzukaufen.

Baumwolle soweit das Auge reicht

Baumwolle soweit das Auge reicht

Wir fahren weiter und kommen nun durch klassisches Baumwollanbaugebiet - links und rechts der Straße weiße Baumwollfrüchte so weit das Auge reicht. Dazwischen immer wieder große Plantagenbetriebe, umgeben von Hütten für die Landarbeiter. Wären da nicht ein paar moderne Maschinen zu sehen, man könnte glauben, nichts hätte sich hier in den letzten hundert Jahren verändert.

Leland heißt die nächste Station. Auch ein Bluesort, doch auch hier hat das "Highway 61 Blues Museum" geschlossen. Wir studieren die Hinweisschilder auf James "Son" Thomas und Johnny Winter, die hier geboren wurden. Weiter geht es über Indianola nach Tutweiler, dem kleinen Flecken, der in die Musikgeschichte einging, weil der schwarze Komponist W.C. Handy hier 1902, als er auf seinen Anschlusszug wartete, zum ersten Mal einen Bluesmusiker gehört haben will. Überall das selbe Bild: Ghost Town Atmosphäre, kaum Menschen zu sehen, Holzhäuser, staubige Straßen und flirrende Hitze. Aus unserem Autoradio klingt stilecht sonntägliche Gospelmusik, dazwischen immer wieder Reportagen und Informationen über soziale Projekte der kleinen engagierten schwarzen Kirchengemeinden.

Am Abend erreichen wir Clarksdale, das Zentrum des Delta Blues. Hier, an der legendären Kreuzung der Highways 49 und 61, dort wo heute Abe in seinem "Abe´s BBQ" Schweinerippchen grillt, soll Robert Johnson seine Seele dem Teufel verkauft haben. Dafür handelte er sich enorme gitarristische Fingerfertigkeit ein.

Clarksdale - Hauptstadt des Blues

Clarksdale - Hauptstadt des Blues

In Clarksdale wird die Bluestradition wohl am organisiertesten und professionellsten gepflegt. Museen, Folklore-, Kunst- und Musikläden, Clubs mit regelmäßigem Livemusikprogramm (wie der großartige, von Hollywoodstar Morgan Freeman mitbetriebene "Ground Zero Blues Club"), viele gute Restaurants und ein großes jährliches Festival ziehen hauptsächlich Bluesfans aus Deutschland, England, Skandinavien und Japan an (so sagte es uns ein Hostelbesitzer). Wir werfen einen Blick auf das legendäre, aber ordentlich runtergerockte "Riverside Hotel" im Schwarzenviertel, entscheiden uns dann aber doch für eine Übernachtung im lokalen "Super 8", wo uns, wie so oft in den ländlichen Gebieten der USA, eine indische Hoteliersfamilie empfängt.

Vorher werfen wir allerdings noch einen Blick ins "Shack Up Inn" auf der ehemaligen Hopson Plantation. Eine alte Baumwollplantage wurde hier kunstvoll zu einem Hostel umgebaut. Man kann dort 2- bis 4-Personen-Shacks mieten, liebevoll und detailverliebt eingerichtete nachgebaute Landarbeiterhütten mit guter Ausstattung, die sich um das große Plantagenhaus, das Rezeption, eine Bar und einen Laden beherbergt, gruppieren. Wir buchen begeistert eine Hütte für unseren Rückweg in drei Tagen und fahren zurück ins Zentrum des Ortes.
Am Abend gibts leckere Pizza im "Stone Pony".

Am nächsten Morgen besuchen wir noch den stivoll rauh eingerichteten "Cat Head Delta Blues & Folk Art Shop", gleich gegenüber der alten WROX Radiostation in der Yazoo Avenue, in dem neben Folk Art vor allem die Musik lokaler Musiker gehandelt wird. Dann geht es weiter auf dem Highway 61 und gegen Mittag erreichen wir Memphis, Tennessee. Während der ersten fünf, sechs Jahrzehnte des letzten Jahrhunderts das Ziel so vieler Bluessänger aus dem Mississippi Delta, ist Memphis auch heute noch ein musikalisches Mekka.

Sun Studios

Sun Studios

Wir fahren direkt ins Viertel "the Edge" und parken auf dem Parkplatz des legendären "Sun Studios". Der Laden ist gestopft voll mit Touristen - und das an einem Montag. Wir müssen zwanzig Minuten warten, dann beginnt die Führung für 12 Dollar pro Person. Ein junger Mann im legeren Rockabilly Outfit führt in einen kleinen Ausstellungsraum, in der man ein paar alte Aufnahmemaschinen und ein paar Musikmemorabilia aus der goldenen Zeit des frisch geborenen Rock´n´Roll in Glasvitrinen bewundern kann. Dann werden wir in die "heilige Halle", den ca. 25 qm großen Aufnahmeraum geführt, in dem all die frühen Aufnahmen von Elvis Presley, Carl Perkins, Johnny Cash, Howlin´Wolf oder Ike Turner entstanden. Gänsehautgefühl will sich in dem Gedränge und im Blitzlichtgewitter definitiv nicht einstellen. Nach gerade mal 20 Minuten ist die Führung auch schon zu Ende.
Na ja ...

Filmreife Kulissen...

Filmreife Kulissen...

Nachdem wir in einem günstigen Motel eingecheckt haben, machen wir uns auf nach Downtown. Auch hier sind wenige Menschen auf der Straße zu sehen. Wir überqueren die Beale Street, die Musikmeile der Stadt. Nur hier tobt auch schon am Montag Mittag das (touristische) Leben. Wie die Bourbon Street in New Orleans ist auch die Beale Street ein 24-Stunden-Sauf-und-Vergnügungszentrum mit überhöhten Preisen und unsymphatischen Gästen. Da hat man nicht einmal Lust, einen Blick in B. B. Kings berühmten Blues Club zu werfen.

...in South Downtown

...in South Downtown

Stattdessen wandern wir weiter nach South Downtown. Dort, um South Main und South Front Street herum sind fast gar keine Menschen mehr auf der Straße zu sehen. Die teilweise verfallenden, teilweise auch sanierten, oft von Künstlern genutzten Backsteinhäuser und die leeren Straßen lassen diese geisterhafte, geheimnisumwitterte Atmosphäre aufkommen, die Jim Jarmusch so wunderbar in seinem Film "Mystery Train" eingefangen hat, einer Hommage an Memphis, die genau in dieser Gegend gedreht wurde. Irgendwann Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre, wenn ich mich richtig erinnere. Seit damals scheint sich hier sehr wenig verändert zu haben.

Die Straßen duften nach Truthahn und locken uns direkt hierher.

Die Straßen duften nach Truthahn und locken uns direkt hierher.

Wir haben Hunger, als wir die South Main Street entlangschlendern. Plötzlich steigt uns ein unglaublich intensiver Duft in die Nase. Wir folgen der Spur, treten in einen kleinen Deli-Shop ein und fragen, was es mit diesem Geruch auf sich hat. "Ah, ich habe gerade einen Truthahn im Keller geräuchert", klärt uns ein junger Schwarzer mit weißer Schürze über dem Footballtrikot auf. Wir könnten gerne ein Truthahnsandwich mit seiner speziellen Senf-Honig-Sauce haben. Das wollen wir.
Wir setzen uns, direkt vor dem Deli, mit unserem Sandwich auf den Bordstein - fantastisch!

Am gewaltigen Mississippi entlang laufen wir zurück zu unserem Auto. Wir fahren über den Fluss nach West Memphis, Arkansas. Ich wollte mal sehen, wo Eddie Boyd, eines meiner musikalischen Idole, so gelebt hat. West Memphis ist allerdings ein einziger Slum, völlig heruntergekommen, bevölkert von sehr ärmlichen Menschen. Tja, das sind so die Orte, and denen der Blues entstanden, gewachsen und gediehen ist. Nach ein paar Runden fahren wir wieder zurück.

Wir durchkreuzen Memphis. Die Stadt hat eine enorme Ausdehnung, wenn man bedenkt, dass hier gerade mal eine halbe Million Menschen leben. Doch die leben eben nahezu alle in ein- bis zweigeschossigen Einfamilienhäusern - die Reichen in großen Südstaatenvillen, die Armen in klapprigen Bruchbuden.

Der Grillkönig von Memphis

Der Grillkönig von Memphis

Am Abend fahren wir auf Empfehlung eines alternativen Reiseführers ganz weit in den Osten der Stadt, zu "Jack´s BBQ Ribshack". Der soll die besten Rippchen der Stadt haben, DIE Spezialität in Memphis.
"Jack´s" ist eine einfache Wirtschaft, mit kitschigen Bildern an den bretterverkleideten Wänden über den Resopaltischen. Aber das Fleisch, der Kartoffel- und der Krautsalat sind tatsächlich ausgezeichnet.

Nightrider

Nightrider

Noch einmal durchkreuzen wir, nun bei Dunkelheit, mit offenen Fenstern und Soul-Klängen aus dem Autoradio stilecht die heiße Nacht von Memphis. Wir fahren nach Norden, in ein recht heruntergekommenes Viertel und halten vor der "Wild Bill Lounge" in der Vollintine Avenue. Doch es ist Montag und wir bekommen leider keine Live Musik geboten. Bei "Wild Bill" sitzt heute nur die gemütlich trinkende Nachbarschaft.

Am nächsten Tag fahren wir in den Süden der Stadt nach "Soulsville, USA", dem Stax Museum of American Soul Music" in der East McLemore Avenue. Hier steht auch das Geburtshaus von Memphis Slim neben dem Parkplatz, Aretha Franklin hat gleich ums Eck gewohnt. Waren wir am Vortag vom Sun Studio doch ein wenig enttäuscht, so bekommen wir heute ein fantastisches, gut gestaltetes und mit Informationen und Musik nur so überlaufendes Museum geboten. Drei Stunden sollte man für einen Besuch hier schon mindestens einplanen. In den ersten Ausstellungsraum ist eine ganze kleine Landkirche aus der Gegend um Memphis hineingebaut, in der man die spirituellen Wurzeln der Soul Musik plastisch vorgeführt bekommt. Eine Filmdokumentation und in jedem Ausstellungsraum ein Spot, an dem man sich unter die Sounddusche stellen kann, unzählige Ausstellungsstücke, von den Bühnenanzügen Sam & Daves, über Otis Reddings handschriftliche Notizen, von Albert Kings Gitarre, über das Studioequipment von Booker T. & the MGs, bis hin zu Isaac Hayes vergoldetem Cadillac schaffen einen sehr atmosphärischen Einblick in die Geschichte der lokalen, weltberühmten Soul-, Blues-, R&B- und Gospelszene.

Danach brauchen wir erst einmal einen Kaffee. Wir fahren nach Midtown in den Cooper-Young-District, der neben "the Edge" und "South Main" das neue Zentrum der jungen Kunst- und Designszene von Memphis ist. Den Kaffee bekommen wir in einem Szenecafé, in dem es trotz zahlreicher Kundschaft bis auf die sanften Klänge aus der Stereoanlage auffällig still ist. Es dauert einen Moment, bis wir begreifen, dass fast jeder im Café vor seinem Laptop sitzt und der direkten Café- die Online-Kommunikation vorzieht. Wir schlendern noch ein wenig durch die Straßen, besuchen einen Second Hand Laden und machen uns dann auf den Weg zum Abendessen. Bei "Ellen´s Soul Food" in der South Parkway East soll es die echte schwarze Südstaatenküche geben.

It´s all so Soulfood

It´s all so Soulfood

Die Besitzerin begrüßt uns sehr freundlich in ihrem schlichten kleinen Restaurant und berät uns gerne bei der Wahl der Speisen. Die sind dann auch sehr einfach gehalten. Das Hühnchen, der panierte Catfish, Kartoffelsalat, Okraschoten und Red Beans and Rice sind nicht gerade Gourmet- sondern eben leckere und sättigende Hausmannskost.

Die Sonne geht unter als wir Memphis verlassen und uns wieder auf den Weg Richtung Süden machen. Nach einigen Meilen erreichen wir Tunica, Mississippi und steuern wieder mal ein roadmoviereifes Motel direkt am Highway 61 an. Ein Inder sitzt in dem kleinen Rezeptionshäuschen und grüßt uns freundlich. Hinter ihm liegen auf einem Regal zwei Schachteln Antidepressiva, daneben steht, in goldenem Rahmen, das Bild einer Hindugottheit. Er bietet uns das billigste Zimmer unserer USA-Reise an (27 Dollar für uns beide). Natürlich sagen wir ja und beziehen ein kleines ebenerdiges Zimmer mit Klimaanlage, Fernseher und Dusche, das gar nicht allzu dreckig ist. In der schwülen Hitze des nächtllichen Mississippi, den Sound der Grillen in den Ohren, schlendern wir den Highway entlang zur nächsten Tankstelle. Wie die übrige, ausschließlich schwarze Kundschaft, decken wir uns mit Snacks und Getränken ein und verleben einen typisch mississippianischen Wochenabend vor der Glotze in unserem Zimmer.

Tunica, Mississippi.

Tunica, Mississippi.

Am nächsten Morgen lassen wir uns Zeit (wir müssen auch warten, bis unser Hotelier seine ausführliche Morgendusche beendet hat, um auschecken zu können) und fahren dann nach Clarksdale. So kommen wir schon am Mittag, nachdem wir uns im lokalen Supermarkt mit Essen und Bier eingedeckt haben, auf der Hopson Plantage an, können unsere Shack beziehen (eine 4-Personen-Hütte für 70 Dollar, da keine 2-Personen-Hütte mehr frei war) und in aller Ruhe unsere Veranda und den Ausblick auf das wunderschön gestaltete Gelände genießen.

Shack Up Inn

Shack Up Inn

Wir sitzen noch nicht lange mit Bier und Gitarre vor unserer Hütte, da kommen zwei Männer Ende Vierzig, mit Kameras im Anschlag auf uns zu. Wer wir seien und wo wir herkämen wollen sie wissen. Ah, aus Deutschland, das sei ja sehr interessant. Ob sie uns fotografieren und filmen dürften und uns ein paar Fragen stellen könnten.

Dreharbeiten

Dreharbeiten

Sie stellen sich als Greg und Steve vor, sie seien aus Südmississippi, gerade arbeitslos und hätten sich gedacht, sie könnten ein wenig in ihrem Heimatstaat herumfahren und ein paar Dokumentationen darüber machen. Wir kommen schnell ins Gespräch, bieten unseren Gästen Bier an, ich spiele ein paar Songs und wir lassen uns filmen und fotografieren. Nach zwei Stunden müssen die beiden weiter. Sie laden uns ein, auf unserem Weg nach New Orleans bei ihnen doch einmal vorbeizuschauen und wir tauschen Adressen aus.

Die Stille nach den Paparazzi

Die Stille nach den Paparazzi

Entspannende Stille setzt ein und mit ihr - nur kurze Zeit später - auch strömender Regen.

Am frühen Abend beobachten wir ein junges Paar mit ihrem Mietwagen auf den Parkplatz des "Shack Up Inn" rollen. Er hastet durch den Regen zur Rezeption und kommt nach wenigen Minuten mit enttäuschtem Gesicht wieder zurück. Als er ins Auto einsteigen will, gehe ich schnell zu ihnen und frage, ob sie eine Unterkunft für die Nacht suchen. Sie bejahen. Ich biete ihnen an, doch unsere Hütte mit uns zu teilen, da wir noch 2 Betten in einem seperaten Zimmer übrig hätten.

Schaut man genau auf den Rasen, kann man die Red Bugs sehen

Schaut man genau auf den Rasen, kann man die Red Bugs sehen

Nach kurzer Besichtigung sind Beth und Stephen aus Bristol in England unsere begeisterten Mitbewohner. Wir sitzen weiter auf der Veranda, machen oder hören Musik, trinken Bier und quatschen bis die Sonne untergeht. Als das Bier zur Neige geht, entscheiden wir, alle zusammen nochmal nach Clarksdale hineizufahren.

Jürgen und Stephen auf unserer Veranda

Jürgen und Stephen auf unserer Veranda

Als wir im "Ground Zero Blues Club" ankommen, ist die Live Musik leider gerade zu Ende und auch die Bar rückt nichts mehr raus. Wir unterhalten uns vor dem Club mit ein paar jungen Einheimischen. Nein, auch wenn es erst elf Uhr sei - heute sei Mittwoch und da mache um diese Zeit in Clarksdale alles zu. Es sei eben eine kleine Stadt, echte Provinz. Die Jungs und Mädchen schwelgen in sehnsuchtsvollen Erzählungen über das so andere Nachtleben in New Orleans. Oh ja, da sei echt was los.

Ground Zero

Ground Zero

Wir verabschieden uns, halten nochmal an einer Tankstelle (Bier gibts hier immerhin bis Zwölf) und lassen den schönen Abend bei noch ein paar Dosen Pabst Blue Ribbon auf der Veranda ausklingen.

Böses Erwachen am Morgen. Es juckt und juckt ... und juckt ganz ganz fürchterlich. "Oh Gott, wie siehst Du denn aus?!" - "Und schau mal bei Dir!!"
Unsere Beine, Lendengegend, Rücken und in geringerem Maße auch Bauch sind übersät mit knallroten Pusteln. Es sieht schrecklich aus. Auch Beth und Stephen hat es erwischt, wenn auch nicht so heftig wie uns.
"Red Bugs" lautet die Diagnose des Shack Up Inn Betreibers Bill. Eine besonders aggressive Art von Grasmilben sind also während unseres Veranda-Tages über uns hergefallen. "Das kann gut und gerne ´ne Woche dauern, bis das wieder weg geht", macht uns Bill nicht gerade übermäßige Hoffnung. "Versucht möglichst nicht zu kratzen." Ein toller Tip, nur hält man es ohne Kratzen einfach nicht aus.

Nachdem wir uns mit unseren englischen Freunden in New Orleans verabredet und uns verabschiedet haben, fahren wir zum nächsten Drugstore und decken uns mit zweierlei Salben ein. Ein wenig Linderung verschaffen die Salben (übrigens eher die mit Teebaumöl als die mit Cortison), aber das Jucken soll noch drei Tage weitergehen.

Trotzdem setzen wir natürlich unseren Trip durchs Mississippi-Delta fort. Wir fahren ganz nah am Mississippi den Highway 1 entlang, wieder einmal durch eine besonders ärmliche Gegend, über Shelby, Rosedale (verewigt in Robert Johnsons "Travelling Riverside Blues", gecovert von "Cream") und Beulah nach Greenville, biegen dann nach Osten auf den Highway 16 ab und fahren durch die wunderschöne, menschenleere Landschaft des "Delta National Forest", vorbei am "Panther Swamp National Wildlife Refuge" über Satartia nach Bentonia. Dort muss sich Jz James dann natürlich mit dem Blues Trail Hinweisschild seines Namenspatrons Skip James, der in diesem winzigen Kaff den Großteil seines Lebens verbrachte, fotografieren lassen. Dann geht es weiter nach Jackson, wo wir wieder in "unserem" "Days Inn" einchecken und versuchen unsere Red Bug-Bisse in der untergehenden Sonne im moteleigenen Pool zu kühlen.

Wir nehmen am nächsten Tag Kontakt zu Greg auf, einem der beiden Männer, die uns auf der Hopson Plantage besucht hatten und er lädt uns zu sich zum Mittagessen ein. Vier Meilen nördlich von Brookhaven biegen wir also vom Highway 55 nach Westen ab und kommen in ein dünn besiedeltes, wunderschönes Waldgebiet. Wir finden Gregs Haus, außerhalb der Sichtweite von irgendwelcher Nachbarschaft, mitten im Wald. Ein riesiges weißes Holzhaus mit drei Etagen, in dem Greg mit seiner chinesischen Frau und seinen niedlichen drei Töchtern wohnt.
Greg hat Claire vor 13 Jahren kennengelernt, als er als Missionar in China arbeitete. Und wie fühlt sich eine Frau, die aus einer chinesischen Großstadt stammt, mitten in der Wildnis von Mississippi? Sie habe sich langsam daran gewöhnt, es sei schon sehr ruhig und einsam hier draußen. Die Kinder unterrichtet die ausgebildete Lehrerin zu Hause zweisprachig. Auch das sei nicht so einfach, da die Kinder kaum Möglichkeiten haben, ihr Chinesisch zu praktizieren. Greg möchte, dass zu Hause Englisch gesprochen wird, da er sich sonst ausgeschlossen fühlen würde. Claire hat den Plan, Greg irgendwann wieder zu überreden, mit ihr und den Kindern für ein paar Jahre nach China zu gehen und dort zu arbeiten, noch nicht aufgegeben. Wir bekommen eine echtes Crossover-Gericht zum Mittagessen: Asiatische Reispfanne mit amerikanischen Würstchen.

Nach dem Essen werden auf der Veranda noch Fotots geschossen und Greg und Claire zeigen uns ihre Töpferwerkstatt. Mit einem tönernen Abschiedsgeschenk ausgestattet machen wir uns nach der herzlichen Verabschiedung wieder auf den Weg. Nach dem ländlichen Süden wartet das turbulente "Big Easy" wieder auf uns.

© Katharina L., 2009
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Die Reise
 
Worum geht's?:
1 Jahr: Indien – Thailand – Laos – Vietnam – Neuseeland – Chile – Argentinien – Peru – USA
Details:
Aufbruch: 01.10.2009
Dauer: 12 Monate
Heimkehr: 01.10.2010
Reiseziele: Indien
Thailand
Vietnam
Laos
Neuseeland
Chile
Argentinien
Bolivien
Peru
Vereinigte Staaten
Der Autor
 
Katharina L. berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.