Frankreich - 2011

Reisezeit: September / Oktober 2011  |  von Uschi Agboka

Tursac–Maison Forte de Reignac– Saint Leon

24. September 2011 - 18. Tag - Gefahrene Meilen: 58 (93 km)

Tursac - Maison Forte de Reignac - Saint Leon-sur-Vezere

Heute Morgen gibt es keinen Nebel, nur Wolken. Es tröpfel hin und wieder. Rolf baut daher das Vorzelt auf. Es ist warm, aber ziemlich windig. Wir sehen zwei Heißluftballone aufsteigen, einen blauen und einen gelben. Sie schweben gemächlich am Himmel. In der Ferne hört man die ersten Schüsse der Jäger. Rolf erkundet im Internet das Wetter, es soll wieder schön werden. So fahren wir um 12 Uhr los, erst nach Campagne. Dort erhebt sich am Ausgang des Tales eine kleine romanische Kirche mit vorgebauter Glockenwand. Das im 15. Jh. erbaute Schloss wurde im 19 Jh. restauriert, es hat das Aussehen eines englischen Herrenhauses. 1970 vermachte der letzte Marquis de Campagne das Schloss dem Staat. Und weiter geht es, zum Maison Forte de Reignac, welches wir gestern schon von außen bewundert haben, Schlupfwinkel von Adeligen seit über 700 Jahren, die seltsamste, versteckteste Burg des Perigord.

Maison Forte de Reignac -
Diese direkt an den Stein gebaute Felsenburg liegt an einem Steilhang und verbirgt weitläufige Felsenüberhänge, die seit über 20.000 Jahren Zeugen der wichtigsten Etappen unserer Geschichte sind.
Maison Forte de Reignac, nur zwei Kilometer vom Roque Saint-Christophe entfernt, ist ein Herrenhaus, das aus einer Höhlenwohnung entstanden ist. Es kann erst seit 2006 besichtigt werden, nachdem es 50 Jahre lang für die archäologische Forschung genutzt wurde. Schon vom Parkplatz aus beeindruckt die Fassade, die aus dem 14. Jh. stammt, mit Fensteröffnungen, die im 16. Jh. geschaffen wurden. Das Herrenhaus scheint auf halber Höhe, direkt vor der Felswand zu kleben. Über einen steilen Pfad steigt man über in den Felsen geschlagene Treppenstufen hinauf zu einer Terrasse vor der Fassade. Das Innere der Burg ist größer als man von außen ahnt. Hinter der Fassage verberben sich unterirdische Säle und Räume, in luftiger Höhe ein großer Ehrensaal, ein Waffensaal, eine Küche, Schlafzimmer, eine Kapelle, ein Gefängnis, das Burgverliess und der Keller. Neben seiner natürlich geschützten Lage verfügt die Burg über weitere Verteidigungseinrichtungen wie Pechnasen, Totschläger, Artillerie und Schiessscharten. Bis 2006 war das Fort der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Die komplett mit Original-Einrichtungsgegenständen möbelierte Burg befindet sich in sehr gutem Zustand. Sie ist das einzige Bauwerk seiner Art in Frank-reich, eine bestens erhaltene Felsenburg. 2005 wurde das Anwesen von der Stadt Bordeaux an einen Archäologen verkauft, der es restaurierte, Ausgraben vornahm und es 2006 der Öffentlichkeit zugänglich machte.

Wir klettern den steilen Pfad zum Eingang hinauf, bekommen eine wunderbare Information in deutscher Sprache und beginnen mit dem Rundgang, die Küche, die Wohn- und Schlafräume, das kleine Zimmer des "Bock" - Billy Goat of Reignac (Eugene Le Roy) ein arger, berühmt berüchtigter Bösewicht, der junge Frauen in der engen Kammer missbrauchte und, mit einem Hasenfell bekleidet, Reisende ausraubte. Wir klettern hoch hinauf, bis ins Adlernest, wo wohl die letzte Zuflucht der Bewohner war, eine uneinnehmbare Felsenburg. Sehenswert ist das in den Felsen gehauene furchtbare 4 m² große Gefängnis, das durch zwei solide Türen verschlossen wurde und mit einer Pritsche mit oder ohne Stroh ausgestattet war. Um die Isolation der Gefangenen zu verstärken, gab es nur eine winzige Durchreiche in Winkelform, durch die ein Stück Brot und ein kleiner Wasserkrug passten, durch die man aber nicht auf die andere Seite sehen konnte. Interessant das Haus des Alchimisten. Hier soll Leopold de Bonaventure, wie viele andere auch, Versuche mit der Verwandlung von Materie in Gold unternommen haben. Der Ort auf dem Gipfel der schroffen Felsen bietet Diskretion und Ruhe für suspekte und verbotene Aktivitäten. Auch die Höhle der Falschmünzer schauen wir uns an. In einem separaten Raum, für Kinder und Jugendliche nicht allein zugänglich, ist eine internationale Ausstellung von über 60 verschiedenen Folterinstrumenten mit detaillierten Beschreibungen untergebracht. Fotografieren verboten. Da viele dieser Instrumente oder Foltermethoden noch heute in Gebrauch sind, hinterlässt der Besuch einen haesslichen Nachgeschmack.

Über Tursac kommen wir in das reizende Dorf Saint-Leon-sur-Vezere, inmitten einer üppigen grünen Landschaft gelegen. Der kleine Ort (ca. 400 Einwohner) besitzt eine der schönsten romanischen Kirchen des Perigord und zwei Schlösser. Die Kirche gehörte zu einem im 12. Jh. gegründeten Benediktiner-Priorat, welches von der Abtei Sarlat abhängig war und auf den Fundamenten einer gallorömischen Villa erbaut wurde, Reste der Mauer sind noch Richtung Vezere sichtbar. Das Manoir de la Salle aus dem 14. Jh. liegt am Eingang der Ortschaft, in einem Park direkt neben der Durchgangsstraße. Die kleine Burg wurde aus Feldsteinen erbaut und hat noch einen viereckigen, mit Steinplatten gedeckten Donjon. Das private Chateau de Clerans aus dem 16. Jh., elegant mit Türmen geschmückt, steht direkt an der Vézère und zeigt hohe Dächer und verzierte Firste. Eine hohe Mauer lässt einen schmalen Weg entlang des Flussufers frei. Beide Chateaus können wir uns nur von außen ansehen. An einem alten schönen Haus im Dorf entdecke ich eine Gedenktafel für den amerikanischen Prof. McCurdy, der viele Ausgrabungen hier tätigte. Es ist warm und wir machen Kaffeepause in einer hübschen Bar.

Über Sarlat geht es zurück bis La Roque Gageac, wo ich einen kleinen Bummel durch verschiedene Läden mache. Um 16.30 Uhr sind wir zurück auf dem Campingplatz. Hier begrüßen uns ein Rotkehlchen und ein kleiner Frosch, wie man merkt, habe ich immer viel Freude an Tieren. Wir machen es uns gemütlich, inzwischen tröpfelt es wieder leicht. Ein etwas entfernt stehender Nachbar, ein Deutscher aus Rendsburg, fährt mit dem Fahrrad ca. 60 m zum Duschen, was uns sehr erheitert. Heute Abend bleibt die Küche kalt, mit Schinken, Pate, Käse, Baguette, Tomaten, Trauben und Rotwein. Nach einem spannenden Film gehen wir recht spät schlafen.

© Uschi Agboka, 2011
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine Tour über 39 Tage, von Niederbayern, durch Frankreich (Zentralmassiv) und weiter nach Italien (Ligurien - Aosta-Tal) Hier der erste Teil - Frankreich.
Details:
Aufbruch: 07.09.2011
Dauer: 6 Wochen
Heimkehr: 15.10.2011
Reiseziele: Frankreich
Der Autor
 
Uschi Agboka berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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