Wann kannst du kommen?

Reisezeit: Juli / August 2019  |  von Beatrice Feldbauer

Altstadt

Ha, jetzt geht es mir wieder viel besser. Gerade eben hat mich das Uber-Taxi vor dem Hotel ausgeladen. Ich musste dringend weg vom Strand, von den Hotelkästen, wo es kaum ein Restaurant gab, nur die Kiosks am Strand, die kurz nach Sonnenuntergang schliessen, oder so aussehen, als ob sie schliessen würden und wo ich mich dann nicht mehr getraue, etwas zu bestellen, weil ich nicht der letzte Gast sein will. Daneben habe ich nur ein Restaurant gefunden und da bin ich zweimal eingekehrt. Allerdings war beide Male nichts los, und ich wusst nicht, ob ich für brasilianische Verhältnisse zu früh oder zu spät sei oder ob einfach im Moment nichts los sei. Vielleicht hätte ich mehr gefunden, wenn ich weiter gewandert wäre, aber eigentlich glaube ich das kaum. Denn auch Google Maps zeigte mir nichts an.

Ich kann definitiv nichts anfangen mit Strandferien. Hab ich noch nie gemacht und da ist wohl die Wintersaison auch nicht der richtige Zeitpunkt, damit anzufangen.

Weil es aber immer so ist, dass man Sachen, die man aufgibt, grad im letzten Moment noch schätzen lernt, habe ich mich doch noch eine Stunde an den Kiosk gesetzt, mit meinem spannenden Buch und mir eine frische Kokosnuss servieren lassen. Es war fein, es war schön, aber jetzt ist genug.

Letzte Nacht hatte ich mir ein Zimmer in der Stadt reserviert und jetzt bin ich da. Und bin gleich schon etwas verliebt. In den Concierge zum Beispiel, der mich vom 8. in den 11. Stock umgebucht hat, Von der Aussicht, dass es vielleicht heute Abend eine Show gibt und einfach davon, dass er freundlich ist, und ich mit ihm auch einen Spass machen kann.

Mein Uber-Fahrer hat mich in die Stadt gefahren. Konversation unterwegs? keine Chance. Ich merke wie ich schweigsam werde. Und mein Lächeln verliere. Ich mag nicht belanglose Fragen fünf Minuten lang erklären, oder gar noch zeichnen. Bis die Frage geklärt ist, ist sie bereits unwichtig.

Auf der Fahrt kamen wir an einem Stadion vorbei. Fussball Stadion? meine Frage. Er hat mich nicht verstanden, so wie ich ihn auch nicht. Am Schluss sah ich in Google Maps nach und sagte Olympia Stadion Joao Havelange. Er nickte. Erledigt.

Werde mir wohl für eine nächste Reise eine Sprachapp herunterladen. Das wird helfen, bin aber nicht sicher, ob ich damit glücklicher werde, denn meine Art des Reisens besteht aus der direkten Kommunikation. Auch wenn die nicht immer perfekt ist und manchmal ein paar Umwege nimmt, so liebe ich es, wenn mir jemand etwas erzählt. Ich suche Geschichten, die man mir erzählt. Googlen kann ich selber.

Doch jetzt bin ich hier, mitten in der Altstadt und da geh ich jetzt hin, auf der Suche nach neuen Abenteuern.

Ich nehme Euch mit.

sieht doch schon sehr spannend aus, der Eingang meines Hotels.

sieht doch schon sehr spannend aus, der Eingang meines Hotels.

Pool und Bar im 12. Stock. Jupieee

Pool und Bar im 12. Stock. Jupieee

Vor dem Hotel die Entscheidung: links oder rechts? ich gehe nach links und bin schon mitten drin. In der Altstadt, mit alten Häusern, die eindeutig noch aus der Zeit der Portugiesen stammen. Mit verschnörkelten Balkonen, mit Stukkaturen. Häuser, die nicht mehr bewohnt sind, bei denen nur noch die Fassade steht oder schöne neue restaurierte Häuser.

Auch kleine Beizen entdecke ich. Schöne Cafés aber auch Kneipen. Vor einer bleibe ich stehen. Da steht ein Strassenmusikant mit seiner Gitarre und singt. Und mit ihm singt die halbe Beiz. Zugegeben, sie sind wohl etwas betrunken, denn es ist nicht Wasser, was da vor ihnen auf dem Tisch steht. Aber es ist eine lockere lustige Stimmung und niemand stört sich, dass ich stehen bleibe und meine Kamera zücke.

Im Gegenteil, als ich weitergehe, rufen sie mir nach. Dass ich kein Wort verstehe, ist in diesem Fall wohl eher von Vorteil. "Baby" hat mir jedenfalls schon lange niemand mehr gesagt.

Ich komme an Wänden mit Malereien vorbei, immer wieder spannend, was Künstler so an die Wände malen. Protest oder Kunst? Wahrscheinlich beides.

Ich komme zu einem grossen Park und entdecke ein paar Agutis. Ihr Fell schimmert richtig goldig, daher der deutsche Name Goldhase. - Als ich später das Wort google, bekomme ich zuerst einmal jede Menge Schokoladehasen. 'Goldhase'

Auch erfahre ich, dass das Aguti oft in Kreuzworträtseln auftaucht: südamerikanisches Nagetier mit 5 Buchstaben: Aguti. Das ist es jetzt also. Ganz viele leben hier im Park und scheinen sich am Verkehr nicht zu stören, der nebenan durchrauscht.

Zufällig komme ich beim Sambodrome vorbei, da wo der Karneval in Rio stattfindet.

Zufällig komme ich beim Sambodrome vorbei, da wo der Karneval in Rio stattfindet.

Weiter komme ich zum grossen Busbahnhof, wo sich wahrscheinlich alle Buslinien der Stadt treffen.

Ich merke gar nicht, wie weit ich gelaufen bin, irgendwann versuche ich mich ein wenig zu orientieren und mich Richtung Meer zu wenden. Das ist aber gar nicht so einfach, denn jetzt stehen mir die Geleise des grossen Bahnhofes im Wege. Für die Autos gibt es breite Brücke und Strassen mit mehreren Spuren, aber als Fussgänger fehlt mir die Orientierung. Und vom Bussystem habe ich keine Ahnung. Busse fahren wild durcheinander beim grossen Bahnhof vor, lassen Leute ein- und aussteigen und fahren weiter. Manchmal stoppen sie kurz vor einem bereits los fahrenden Bus. Das reine Chaos.

Als ich nicht mehr weiter komme, und feststellen muss, dass ich es zu Fuss nicht mehr zum Meer schaffe, buche ich ein Uber. Und bekomme die erste Überraschung. Es ist Rush-hour. "Wir haben einen Fahrer für dich gefunden" wird mir mitgeteilt, "er ist in 8 Minuten bei dir - in 15 Minuten - er hat abgesagt - wir suchen dir einen neuen Fahrer." Mindestens zehn verschiedene Fahrer werden mir angezeigt, aber sie bleiben alle irgendwo im Verkehr stecken. Das Spannende an Uber ist ja auch, dass man sieht, woher der Fahrer kommt und wo er gerade fährt, respektive steht.

Wahrscheinlich kann auch er den Standort seines Kunden sehen, ein paar schreiben mir Messages in portugiesisch: "ich stehe und komme nicht vorwärts, kannst du warten."

Natürlich warte ich, und warte, und warte, und mein Handy verliert mal wieder seine Ladung. Ob es wohl noch durchhält, bis mich einer der Fahrer findet? Schlimm ist das natürlich nicht, denn es gibt auch noch die normalen Taxis. Doch die sind im Moment auch alle besetzt. Eine junge Frau neben mir rennt jedem hinterher und checkt immer wieder nervös ihre Uhr. Irgendwann ist sie verschwunden, hab gar nicht gesehen, ob sie am Schluss doch noch ein freies Taxi gefunden hat. Vielleicht hat sie auch einen der unermüdlich an und losfahrenden Busse genommen.

Es dauert fast eine Stunde, bis tatsächlich ein Uber da ist. Ich will inzwischen nicht mehr zum Meer sondern nur noch zurück ins Hotel. Mit dem letzten Schnauf zeigt mir mein Handy an, dass ich heute 6 km gelaufen bin. ist ja nicht schlecht, einfach so am Nachmittag durch die Stadt.

Den Abend verbringe ich oben auf der Dachterrasse. Ein paar Liebespaare sind da und zwei junge Männer die sich im Pool gegenseitig fotografieren. Es ist amüsant zu beobachten, wie sie sich in Pose werfen, Bauch rein - die haben noch gar keinen - und Brust raus. Mindestens eine Stunde sind sie mit ihren selbstverliebtem Posen beschäftigt. Ich bestelle ein kleines Nachtessen und lasse den Abend mit einem Caipi ausklingen. Stimmung Top.

PS eine Show gibt es anscheinend im Moment nicht, ist zwar schlecht nachvollziehbar, aber eben: Low Low Season. Bin am Abend aber eh so müde, dass ich nicht sicher bin, ob ich überhaupt hingehen würde.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine unerwartete Einladung ist der Start zu einer ungeplanten Reise.
Details:
Aufbruch: 15.07.2019
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 12.08.2019
Reiseziele: Paraguay
Brasilien
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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