Nach nur einem Jahr zurück in Peru!!!

Reisezeit: März / April 2008  |  von Stefan Frei

Anekdoten 2 und Abschied

Soziales

- Ein normaler Verkäufer/Arbeiter verdient hier wohl ca. 500-600 Sol monatlich, ein Lehrer an der Schule maximal 1000 Soles (knapp 250€). Klar sind natürlich auch sämtliche Preise viel tiefer. Wenn ich allerdings daran denke, dass ich die letzten Monate immer deutlich über 1000 Sol ausgegeben habe (Gut, wohlgemerkt in einer Unterkunft europäischen Standards, mit der einen oder anderen Reise oder einmaligen Anschaffung wie Geschirr), ist es mir aber schon ein Rätsel, wie man mit deutlich weniger eine große Familie ernähren will. Eine Reise nach außerhalb des Landes ist unvorstellbar.

- So kann man wohl zumindest ein wenig Verständnis dafür aufbringen, dass die Verkäufer in der Regel versuchen den "reichen" Gringos deutlich mehr abzuknöpfen als normal. Gar nicht so einfach, wenn man keine Ahnung hat, was so tagtägliche Gegenstände hier kosten. So wurde mir in meiner ersten Woche als Unwissender ein Badetuch für 70 Sol angedreht. Zu Hause angekommen konnte ich dann feststellen, dass doch ein kleines Preisschild angebracht war: S 49,90

- Außerdem darf man sich, wenn man irgendwas kaufen will, immer die tollsten Geschichten über Qualität,... anhören. Der Schuhputzer verwendet natürlich immer eine ganz besondere Farbe, die -hat man vorher den Preis nicht genau ausgehandelt- natürlich (in meinem Fall) den 8fachen Preis zur Folge hat, also 8 Sol. Und wenn dann eine Meute Schuhputzer zur Unterstützung kommt, zahlt man die 8 Sol vielleicht doch lieber. Einmal und nie wieder!

- Von der richtigen Armut hab ich leider fast gar nichts mitgekriegt. Von diesen Vierteln wird einem vermutlich zurecht stark abgeraten. Und seit mir meine Freundin neulich berichtet hat, dass sie zwecks einem Sozialprojekt dort unterwegs richtig gewaltsam ausgeraubt wurden, wird mich wohl auch nichts dorthin bringen. Allgemein leben die Leute hier zwar in der Mehrheit deutlich einfacher. Zimmer mit dem nötigsten, ohne irgendwelche Tapeten, Teppiche,... Aber mit allem, was man braucht, um glücklich zu leben.

- Eine meiner Meinung nach tolle Idee, ist die sogenannte "Pollada". Benötigt ein Peruaner dringend Geld (also für wichtige Sachen wie Schulbildung, Babyernährung) organisiert er für seine Freunde ein Pollada. Jeder bezahlt 5 Soles und bekommt dafür im Rahmen eines gemütlichen Zusammenseins ein reichhaltiges Hühnchengericht zu bereitet. Bei genügend Freunden springt da schon einiges heraus. Ohne jegliches Betteln...

Ein peruanischer Tourist, der sicher keine 8 Soles bezahlt hat

Ein peruanischer Tourist, der sicher keine 8 Soles bezahlt hat

Korruption und Bürokratie

- Hier zeigt sich die Schattenseite des Landes. So ziemlich jeder Offizielle vom kleinsten Straßenpolizisten zum höchsten Politiker scheint korrupt zu sein. Die Geldsummen, die bei verschiedenen Delikten oder bei der Ausstellung von Dokumenten unter der Hand zu fließen haben, sind allgemein bekannt. Sei es für zu schnelles Fahren, keine Papiere zur Hand oder schlimmere Delikte. Auch bei der Ausstellung von Stipendien wird wohl der Großteil durch Bekanntschaften (oder Geld?) vergeben.
- Da ich weder wusste wie noch mich daran beteiligen wollte, durfte ich zur Verlängerung meines Visums insgesamt 6 Mal antanzen. Jedes Mal wusste der Beamte ein anderes Dokument, was noch fehlte oder nicht in Ordnung wäre. Wie konnte ich denn z.B. auch auf die Idee kommen die 2 Seiten meines Reisepasses, die ich brauchte, auf eine Seite zu kopieren !

- Und wenn ich bis vor einigen Wochen noch gedacht hatte, dass es wohl in keinem Land dieser Welt mehr Bürokratie als in Deutschland gäbe, hat sich das jetzt wohl deutlich geändert. Neulich stand ich auf der Post 3 Stunden in der gar nicht so lange Schlange, bis ich mein Paket abholen konnte. Am Tag zuvor war mal wieder das Betriebssystem ausgefallen und so konnte natürlich nicht gearbeitet werden. Ein Kunde verbrachte im Schnitt um die 10 Minuten im Büro bis er sein Paket bekam, muss ein längeres Formular ausfüllen, der Inhalt des Pakets wird kontrolliert und keine Ahnung, was die anderen sonst noch alles da drin gemacht haben. Unter anderem musste man auch pro Paket(!) 2 Kopien des Personalausweises abgeben. Keine Ahnung, wo der ganze Papierkram anschließend gelagert wird.

Und da beschwere sich noch einer über die deutsche Post

Geschäfte

- Sehr geschickt ist, dass es hier an jeder Ecke kleine Läden gibt, die 7 Tage die Woche so ziemlich alles verkaufen, was man für den täglichen Bedarf benötigt. Bis um 12 Uhr nachts findet man in der Regel immer noch einen dieser Läden in der Nachbarschaft, in dem noch Licht brennt.
- Die Supermärkte hier haben wohl noch nicht begriffen, dass sie auf Dauer vermutlich mehr Profit machen würden, wenn sie billiger anbieten und so geht man natürlich gerne im kleinen Laden an der Ecke zum selben Preis einkaufen.
- Sowohl in Restaurants als auch in Supermärkten gibt es hier -aus deutscher Sicht- immer unglaublich viele Angestellte, die oft beschäftigungslos dastehen oder -sitzen, manchmal mit geschlossen Augen... Ganz abgesehen von den ganzen Tütenpackern,...
- Original-CDs und -Videos habe ich bisher in einem einzigen Laden gefunden. Ansonsten werden nur Raubkopien (offen auf der Straße) verkauft. Nicht, dass das erlaubt wäre, aber wie die meisten Regeln, sind das eben Regeln. Eine CD kostet also um die 2 Sol. Das lässt das Salsaherz höherschlagen!

Mentalität

- Was mich aber am meisten fasziniert ist wie schnell und unkompliziert man hier in ein Gespräch kommt. Nach dem obligatorischen "Cómo estás?" verläuft das Gespräch meistens sofort total unkompliziert und unförmlich, mit nie gesehenen Personen, als ob wir schon immer Freunde wären.
- Ein Lächeln wird in der Regel sofort erwidert (vor allem, wenn es sich um Peruanerinnen handelt) und man findet sich schneller als man realisiert im nächsten Flirt
- Und worüber man sich zu Beginn wohl wundert, mir aber mittlerweile immr sympathischer wird: Hier gibt es kaum so förmliche Floskeln wie dass man sich für jede Kleinigkeit bedankt (ohne im Grunde wirklich dankbar zu sein). Bedankt man sich z.B. im Restaurants, nachdem einem das Essen gebracht wurde, erntet man meist nur ein Lächeln und sowas wie "Jaja (die Europäer).

Wahlen

- Im November habe ich auf meinem Trip nach Chachapoyas auch einiges rund um eine peruanische Kommunalwahl mitgekriegt. Überrascht hat mich, wie offen hier teilweise diskutiert wird. Selbst ich wurde gefragt, wen ich denn am Sonntag wählen würde. Und auch hinterher stieß das Fußballspiel der Nationalmannschaft im Gegensatz zu den Wahlergebnissen kaum auf Intresse.
- Wählen ist hier Pflicht. Vor den Wahlen werden sämtliche Mauern und teilweise auch Hauswände der Stadt mit Wahlwerbung vollgeschmiert.
- Außerdem ist am Tag zuvor jeglicher Alkoholkonsum verboten. Die Kneipen dürfen nichts ausschenken. Überhaupt scheinen die Peruaner ziemlich viel Angst vor betrunkenen Mitmenschen zu haben. So ist selbst im Fußballstadion Alkoholkonsum verboten und manch einer wagt sich nicht auf Konzerte, weil dort so viele Betrunkene zugegen seien(?).

Heute verbringe ich meinen letzten Tag in Trujillo und so langsam kommen dann doch einige wehmütige Gefühle auf. Geht schon verdammt schnell vorbei, so ein Auslandssemester. Nochmal von allen verabschieden, inclusive meiner 2. Heimat Huanchaco, und dann gehts erstmal für ein paar Tage nach Chimbote ehe die Tour in den Süden beginnt.

Anschließend hab ich vor ca. 4 bis 5 Wochen durch den Süden des Landes zu reisen. Eine mögliche Route:
Lima - Bergzugfahrt Huancayo-Huancavelica - Ayacucho - Cuzco - Trekking nach Machupicchu - Selva El Manu(?) - Titicacasee - La Paz - Arica-Wüste (Chile) - Arequipa und Colca-Canyon - Nazca-Linien - Robben auf den Islas Ballestas - Sandboarden in Ica(?) und zurück in den Norden nach Chimbote.

Dann wäre da noch Karneval in Cajamarca und im März will ich auf jeden Fall noch nach Iquitos (3 Tage Amazonas-Bootstour und anschließend Urwald pur).

Ein letztes Mal Huanchaco *seufz*

Ein letztes Mal Huanchaco *seufz*

© Stefan Frei, 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nach meinem Auslandssemester 2006/07 in Trujillo bot sich kurzfristig wieder die Möglichkeit dorthin zu reisen. Meine Reise führte mich nach einiger Zeit im Hause meiner Freundin in den Norden des Landes und nach Ecuador. Ein Monat Südamerika - im Nachhinein zu kurz, um sich wirklich wieder an das Leben dort zu gewöhnen. Schön wars trotzdem!
Details:
Aufbruch: 04.03.2008
Dauer: 5 Wochen
Heimkehr: 04.04.2008
Reiseziele: Peru
Lambayeque
Bolivien
Der Autor
 
Stefan Frei berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.