Mit dem Zug nach Armenien und zurück
1. Etappe: Bielefeld - Bukarest
Wo im Osten beginnt eigentlich das Morgenland?
Tag 4. Ich fühle mich, als wäre ich bereits mindestens eine Woche unterwegs - so viel habe ich schon erlebt. Langsames Reisen ist beeindruckend, ich treffe so viele interessante Menschen und obwohl ich nie lange an einem Ort bleibe, bekomme ich doch einige wichtige Eindrücke.
Zugfahrt von Bielefeld nach Bukarest, Rumänien - Erfahrungen, Besonderheiten & Tipps:
1. Auf langen Strecken empfielt sich eine Sitzplatzreservierung.
2. Komplikationen und überfüllte Waggons stellen einen stets vor die Wahl, gelassen, solidarisch und humorvoll zu sein versus genervt und egoistisch. Bei der ersten Wahl kann auch eine unbequemere Fahrt zu einem tollen Erlebnis werden. Meine Fahrten sind bisher alle toll!
3. Auf langen Fahrtstrecken sind die Menschen aufgeschlossener und kommunikativer.
4. In rumänischen Zügen kriegt man bis zum Zielbahnhof sein Ticket nicht zurück. Die Türen sind von innen mit Eisenhaken verriegelt, damit niemand Unbefugtes eindringen und die Passagiere ausrauben kann (vor einigen Jahren soll das oft passiert sein). Die Fahrt ist also sicher.
5. In Zugtoiletten nur Katzenwäsche. Zwischendurch Reisepausen einlegen, im Hostel, auf einer Couch o.ä. übernachten und duschen ist für einen selbst sowie andere Fahrgäste angenehm.
*
Die Fahrt von Bielefeld bis Wien vergeht wie im Zug; nachdem zwei nette ältere Damen inständig um ein Lied auf meiner Gitarre gebeten haben, wird eine Weile fröhlich mit mehreren Leuten gesungen und das Publikum ringsherum vergisst die Unannehmlichkeiten des überfüllten Zuges.
Wien lasse ich nach einem Almdudler und einem Eisknödel in einem nostalgisch-plüschigen Café schnell hinter mir, Ungarn wird fast unbemerkt durchquert. Das gleichmäßige Rattern und Schwanken des Zuges wiegt mich in einen leichten Schlaf, der aufgrund maroder Gleise hin und wieder durch flugzeugähnliche Turbulenzen oder aber durch Grenzkontrollen jäh unterbrochen wird. Mitten in der Nacht steigt in Bukarest ein Paar aus Dresden ein, das seine Hochzeitsreise auf den Schienen Osteuropas verbringt. Sie sind angenehme Abteilgenossen und wir durchqueren zusammen Ungarn und fast ganz Rumänien.
Der Zug tuckert relativ gemächlich in gleichmäßigem Takt dahin, während die Landschaft langsam am Fenster vorbei zieht. Die Felder werden größer, die Berge höher; am Morgen fahren wir an beeindruckenden Bergen der (echten) Karpaten vorbei. Wir sehen kleine Dörfchen unterschiedlichster Bausubstanz; manche Häuschen sind knallbunt gestrichen, andere fallen in sich zusammen. An Größe und Zustand der Gebäude lässt sich ungefähr abschätzen, im welchen Verhältnissen die Menschen in den jeweiligen Orten leben. Wir sehen Schäfer, die ihre Tiere treiben und Bauern mit Ochsengespannen, Pferdewagen oder kleinen Traktoren bei der Feldarbeit. Manche Leute winken freundlich, als wir vorbei fahren. Je näher wir der Hauptstadt kommen, desto größer die Häuser. Auf die ausgeprägte, hügelige Graslandschaft, die sich zunächst zwischen den Orten erstreckt, folgen immer riesigere Felder, auf denen meist Mais oder Sonnenblumen wachsen...
Gegen 18 Uhr erreichen wir Bukarest und ich miete mich für die Nacht in einem netten Hostel in Bahnhofsnähe ein. Immer wieder betrachten Leute ungläubig das Gepäck, das ich mit mir herumschleppe. Das mulmige Gefühl, das mir vor der Reise noch über Rumänen eingeredet wurde, verfliegt schnell. Die Leute, denen ich begegne, sind alle freundlich und hilfsbereit und ich schäme mich ein bisschen, nicht einmal zu wissen, was 'danke' auf rumänisch heißt.
Am nächsten Vormittag unternehme ich einen Spaziergang durch die Altstadt. Es gibt allerwegen wunderschöne alte, verwinkelte Häuser mit Gauben, Türmchen und Schnörkeln. Sehr viele stehen aber leer und verfallen zusehends. Trotz vieler hübscher Details entwickle ich zu der Stadt keinen richtigen Draht und bin froh, dass es mittags schon nach Istanbul weitergeht.
Aufbruch: | 26.08.2019 |
Dauer: | 6 Wochen |
Heimkehr: | 07.10.2019 |
Deutschland
Rumänien
Türkei
Schweiz