Mit dem Zug nach Armenien und zurück
6. Etappe: Batumi - Yerevan
In Batumi verbringe ich den nächsten Vormittag mit einem Spaziergang im Regen; das Wetter durchkreuzt leider meinen Plan, einmal ins Meer zu springen. Dafür habe ich mehr Zeit, mir die Stadt anzuschauen. Sie ist keine wirkliche Schönheit, aber die Atmosphäre ist nett.
Sehr gewöhnungsbedürftig finde ich den halsbrecherischen Straßenverkehr. Als Faustregel gilt prinzipiell, dass alles in einem dynamischen Fluss bleiben muss, dann klappt das auch mit der Straßenüberquerung.
Sprachlich bin ich hier ziemlich aufgeschmissen, aber die Menschen sind sehr hilfsbereit und irgendwie weiß man sich schon zu verständigen.
Die letzte Etappe bis Yerevan lege ich in einem alten, sehr rustikalen Zug aus Sowietzeiten zurück. Es gibt Klappbetten, aber keine geschlossenen Abteile. Man läuft durch den vollgestopften Waggon und überall liegen Menschen herum. Aufgrund des Regens ist die Luft besonders stickig, es gibt nur wenige Fenster und der Zug ist bis auf den letzten Platz besetzt. Die Toilette ist ein Abenteuer für sich und wird aus hygienischen Gründen in den Bahnhöfen abgeschlossen...
Die Reise bis Yerevan dauert 15 Stunden - sie wird mir als eine der tollsten Fahrten überhaupt in Erinnerung bleiben!
In meiner Sitznische begegne ich zunächst ein paar sehr netten Reisenden aus Russland, die mit fünf Erwachsenen und sieben Kindern einen Monat lang mehrere Länder mit dem Zug bereisen. Natürlich ist das anstrengend, doch die Kinder wissen sich zu beschäftigen und lieben es, die Klapppritschen rauf und runter zu klettern, pausenlose Aufmerksamkeit von den Erwachsenen zu bekommen, Filme auf dem i-pad zu gucken und Sachen zu naschen, die es sonst nicht gibt. Den Rest der Fahrt verschlafen sie sowieso.
Wie auf allen langen Strecken sind die Passagiere ausgesprochen kommunikativ. Man hilft sich gegenseitig, das vorhandene Essen wird geteilt und es gibt georgischen Wein aus echten Tassen, die wir uns von unserem Schaffner ausborgen.
Europäische Touris gibt es hier eher wenige; die Reisenden in meinem Abteil kommen alle aus Armenien, Georgien oder Russland und ich komme mir fast ein bisschen exotisch vor, denn die Leute sind sehr an Gesprächen mit mit interessiert. Da ist eine armenische Familie und ein Mädchen, das sich über eine Gelegenheit zum Englisch Üben freut und später gesellt sich auch noch der Schaffner unseres Waggons dazu, der die Strecke zweimal pro Woche hin und zurück fährt und erzählt, dass die Stimmung unter den Passagieren immer ausgesprochen fröhlich sei. Zwischenduch betet er einzelne Wörter in allen erdenklichen Sprachen herunter, die er hier im Zug von den Leuten gelernt hat. Meine Gitarre kommt auch wieder zum Einsatz und es wird bis tief in die Nacht lebhaft in unterschiedlichen Sprachen erzählt (zum Glück habe ich zwei wunderbare Übersetzerinnen). Alle strahlen richtig vor Freude, in dem Augenblick dabei zu sein. Wir genießen das Leben buchstäblich in vollen Zügen.
Wer nicht strahlt, sind die armenischen Grenzbeamten; grimmige uniformierte Typen, die zu mehreren in den mittlerweile stillen Waggon kommen und sich mit einem kastenförmigen Gerät zwischen die Fahrgäste pflanzen, um nacheinander jeden Pass darin einzulesen und anschließend krachend zu bestempeln. Draußen umstellen Soldaten den Zug und leuchten ihn mit Taschenlampen ab. Das Ganze nimmt einige Zeit in Anspruch. Als die Fahrt fortgesetzt wird, verschwinden auch die letzten Nachteulen (wir) in unseren Kojen, um wenigstens noch ein paar Stunden Schlaf zu bekommen.
Mit dem typischen tadam-tadam-Rhytmus des Zuges, den ich tatsächlich wirklich toll finde, bin ich fast sofort weggeschlummert. Als Decke hat jeder nur ein Laken bekommen und zuerst scheint selbst das schon zu warm, doch in der Nacht wird es so kalt, dass ich davon wach werde. Der Blick aus dem Zugfenster bei Sonnenaufgang gewährt einen Blick auf den majestätischen Berg Ararat mitsamt eingeschneiter Spitze.
Und so treffe ich am frühen Morgen des 3. September an meinem Reiseziel ein. Ich hab's geschafft und es ist eine fantastische Reise! Und in Wahrheit ist der Weg das Ziel.
Jetzt bin ich tatsächlich mit dem Zug von Deutschland nach Armenien gefahren. Das war doch eigentlich gar nicht so schwer. Es war sogar ziemlich grandios!
Nun steht die Expedition mit fernwind.de an; eine 9-tägige Trekkingtour zu Pferd durch den Südkaukasus. Ohne Internet und ohne Dusche, aber mit einer tollen, sehr kleinen Gruppe und netten Guides. Ich bin gespannt und werde natürlich anschließend berichten.
Aufbruch: | 26.08.2019 |
Dauer: | 6 Wochen |
Heimkehr: | 07.10.2019 |
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