Mit dem Zug nach Armenien und zurück

Reisezeit: August - Oktober 2019  |  von Caroline Gustke

7. Etappe: Armenien: Gomk

Als wir an Höhenmetern verlieren, wird das Klima auf einmal richtig angenehm. Wir machen an einem Restaurant halt, wo wir seit Tagen mal wieder ein richtiges Klo benutzen können und uns selbst außerdem mal wieder im Spiegel sehen, was irgendwie ein überraschend ungewöhnliches Gefühl ist. Komische Gewohnheiten.
Auch Gomk liegt in den Bergen, aber diese sind irgendwie anders und hier ist es viel wärmer. Auf dem Weg dorthin besichtigen wir eine alte Karawanserei aus Seidenstraßenzeiten. Holpernd fahren wir die imposanten Serpentienen hinauf und beim Blick nach unten habe ich das Gefühl, in einem kleinen Flugzeug zu sitzen.

Als wir Gomk am Abend erreichen, werden unsere Pferde gerade aus den Bergen ins Dorf hinab getrieben, denn wenn sie nicht gerade gebraucht werden, leben sie halb wild dort oben und grasen. Das ist doch ein schönes Leben. Die bunte Herde ist über 20 Tiere stark, eins hübscher als das andere.

Die kommenden vier Nächte verbringen wir in einem gemütlichen Guesthaus, in dem die Scoutinggruppe schon im vorigen Jahr untergekommen ist und wo sich in der Zeit einiges getan habe, denn das abgelegene noch recht verschlafene Dorf hoffe auf zunehmenden Tourismus, der das Leben hier einerseits interessanter gestalten und zudem Arbeitsplätze und etwas mehr Wohlstand schaffen soll. Außerdem haben die Leute und die Gegend auf ihre Weise viel zu bieten. Obwohl das Leben hier etwas rauer zugeht, als in geschniegelten deutschen Reitställen, sind die Pferde in gutem Zustand, was für Konstantin und Vladimir als Reiseveranstalter eine Grundbedingung ist und für die Einheimischen ein Anreiz, ihre Tiere nach gewissen Standards zu halten und zu pflegen. Das Equipment habe sich auch etwas verbessert, wenngleich z.B. ein Steigbügelgurt auch mal mit Kabelbindern geflickt wird, einfach weil es keinen anderen gibt. Reithelme haben wir uns von zu Hause mitgebracht; spontane Reiter müssen mit gelben Bauarbeiterhelmen einer chinesischen Minenfirma Vorlieb nehmen. Christine, Freundin von Konstantin und Pferdepsychologin, die letztes Jahr auch schon hier war, hat zudem zwei Taschen mit gesammeltem Reitequipment als Spende mitgebracht. Es steckt also alles noch etwas in den Kinderschuhen, aber peu à peu findet eine Entwicklung statt und es sieht schon sehr vielversprechend aus. Ich halte es für eine schöne Sache, die herzlichen Locals durch unseren Besuch dabei zu unterstützen, sich hier nachhaltig etwas aufzubauen.

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Wer hat, kann mir übrigens gerne Spendenmaterial zukommen lassen, das Konstantin im nächsten Jahr mit nach Armenien nehmen kann. (Am besten hier melden: cgustke@gmx.de)
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Obwohl wir die etwas strapaziösen letzten Tage und Nächte natürlich sehr genossen haben, freuen wir uns heute umso mehr über den unvorstellbaren Luxus einer heißen Dusche, eines offenen Kamins sowie eines bequemen warmen Bettes in eigenem Zimmer.

Nach der Nässe und Kälte der letzten Tage gibt es kaum etwas tolleres als so einen Kamin, noch dazu mit Schmusekatze!!

Nach der Nässe und Kälte der letzten Tage gibt es kaum etwas tolleres als so einen Kamin, noch dazu mit Schmusekatze!!

In Gomk genießen wir vor allem wieder die vortreffliche und vielseitige armenische Küche und das gemächliche Dorfleben - im Sonnenschein und umgeben von allerlei Tieren inklusive Katzenbabys. Wir helfen dem freundlichen Hauspersonal beim Tomaten Einmachen und ich lerne endlich mein russisches Lied!

Guesthouse im Gomk.

Guesthouse im Gomk.

Wunderbare armenische Küche!

Wunderbare armenische Küche!

Sewo, ein Gampr, armenischer Herdenschutzhund.

Sewo, ein Gampr, armenischer Herdenschutzhund.

Das Nachbarhaus.

Das Nachbarhaus.

Babygamprspielattacke.

Babygamprspielattacke.

An einem Tag reiten wir zum Angeln an einen idyllischen See, leider ohne Erfolg. Dafür klettere ich etwas in den Hängen und Felsen herum, sehe mir die interessanten verdorrten Pflanzen und wilden Kräuter an und genieße die Aussicht.

Ausflug zum See.

Ausflug zum See.

Wildlife.

Wildlife.

Am letzten Tag machen wir als krönenden Abschluss der Expedition und bei strahlend schönem Wetter einen Tagesritt mit Vasgen und Benink, unseren lokalen Guides aus Gomk. Wir besichtigen eine unterirdische, kalte, dunkle Kirche, in der sich einst Mönche versteckt haben und die früher nur durch ein rundes Loch in der Kuppel und über ein langes Seil zugänglich war. Kein besonders gemütliches Versteck. Später besichtigen wir im Dorf Martiros eine Kirche typisch armenischer symmetrischer Architektur. Anschließend reiten, fliegen wir den langen, aber fantastischen Weg über die Berge und Wiesen zurück, auf denen wir immer wieder Hirten mit Schafen, Kühen oder Ziegen begegnen, deren Pferde sich über unseren Pferdebesuch freuen, weshalb wir etwas aufpassen müssen... Es kreucht und fleucht überall wie im eeeeeewigen Kreeeeeeis der Savanne... - wo Vasgen uns schließlich zum Pferderennen herausfordert. Mein aufgewecktes Pferd Elén ist drei Jahre jung und legt einen ausgezeichneten Sprint und zwei zweite Plätze hin. Nicht schlecht für mein erstes Pferderennen. Heute haben wir noch ein deutsches Paar dabei, die bei uns im Guesthouse wohnen, u.a. Timo alias John Wayne, der sozusagen zum ersten Mal auf einem Pferd sitzt und sich auf der gemütlichen Berta, die unterwegs Blumen pflückt, tapfer schlägt und die vollen acht Stunden mit von der Patie ist.
Fazit: Jede*r Reitanfänger*in muss abschätzen, ob er oder sie für ein Pferdetrekking wie dieses geeignet oder offen genug ist und es hängt wohl ganz vom Charakter und vom Selbstvertrauen ab, ob man es genießen kann oder nur aushält. Ich für meinen Teil fand alles toll, aber wir sind eben alle verschieden. Wer ist also beim nächsten Mal mit dabei?

<3

<3

Elén.

Elén.

Kirche in Martiros.

Kirche in Martiros.

Unglaublich kunstvoll gearbeiteter Khachkar im Dorf Martiros.

Unglaublich kunstvoll gearbeiteter Khachkar im Dorf Martiros.

© Caroline Gustke, 2019
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Fliegen kann jeder - Zugfahren auch. Der Klimawandel macht mir Angst und mein bisheriger CO2-Fußabdruck ist erschreckend. Daher steht für mich fest: Bis Fliegen nachhaltig geht, wird nicht mehr geflogen! Nun ist die Reise - Pferdetrekking durch den armenischen Westen - schon lange geplant und so gehe ich das Wagnis ein, die etwa 5000 km pro Weg per Zug zurückzulegen, quer durch Europa und darüber hinaus - als Konsequenz von Erkenntnis, als Klimastreik und Selbstversuch.
Details:
Aufbruch: 26.08.2019
Dauer: 6 Wochen
Heimkehr: 07.10.2019
Reiseziele: Armenien
Deutschland
Rumänien
Türkei
Schweiz
Der Autor
 
Caroline Gustke berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.
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