Mit dem Zug nach Armenien und zurück

Reisezeit: August - Oktober 2019  |  von Caroline Gustke

3. Etappe: Istanbul - Ankara

Fast wie im Hotel (Toilette exclusive). Am besten ist das Panoramafenster!!

Fast wie im Hotel (Toilette exclusive). Am besten ist das Panoramafenster!!

Teşekkürler Türkiye

Der Zug von Bukarest nach Istanbul ist zwar auch ein türkischer gewesen, doch ein älteres, halb ausrangiertes Modell. Innerhalb der türkischen Grenzzäune sind die Schlafwagenzüge noch um einiges luxuriöser. Der Zug ist nur mäßig belegt und ich bekomme eine der mit zwei herunterklappbaren Betten ausgestatteten Kabinen ganz für mich alleine. Es gibt eine Kommode, ein eigenes Waschbecken und Einmalschlappen (die ich meinem Nachmieter überlassen werde); das Bett ist saubequem und die Schienen sind heile. Bei geschmeidiger Fahrt ohne Unterbrechungen schlafe ich wie ein Stein. Endlich.

In Ankara fragt mich am Ausstieg eine Frau, wie ich die Reise fand und lädt mich prompt ein, mir bis zu unserer Weiterfahrt am Spätnachmittag nach Kars mit ihrem Mann ein wenig die Stadt zu zeigen, denn sie stamme von hier.
Sie ist Lehrerin und eine von der Sorte, die wahre Erfüllung findet, wenn ihr endlich mal jemand zuhört, und zwar am besten den ganzen Tag. Wir fahren zur Burg bzw. zu einem historischen Dörfchen auf einen Berg hinauf (fragt mich nicht nach dem Namen), von dem aus ich sehe, wie unerwartet gigantisch diese Stadt ist, deren Ursprünge auf diesem Berg liegen.
Als mittags um zwölf die Muezzine zum Gebet rufen, schallt es von überall her und die beschwörerischen Stimmen erschallen wie unzählige Echos über der ganzen Stadt. Das ist unglaublich beeindruckend und erzeugt eine zauberhafte Atmosphäre. Gerne würde ich mal hören, wie das mit weiblichen Stimmen klingen würde...
Wir verbringen den ganzen Tag dort oben. Zuerst werde ich zum Frühstück eingeladen, anschließend stiefeln wir durch kleine Bildergallerien und verführerische Souveniergeschäfte, die die historischen steilen Gassen säumen. Bevor wir zum Bahnhof zurück eilen müssen, genießen wir in einem tollen Restaurant typische einheimische Gemüseküche.

Als ich mein stilles Abteil betrete, bin ich trotz des abwechslungsreichen Tages ziemlich dankbar für die Ruhe. Diesmal habe ich in meiner Kabine sogar einen kleinen Kühlschrank, was klimatechnisch natürlich ein dicker Minuspunkt ist; außerdem gibt's kleine Snacks.
Direkt hinter Ankara sitze ich begeistert auf meinem Bett vor der Panoramascheibe und bestaune eine karge, in goldenes Abendlicht getauchte Felsenlandschaft mit tiefen Schluchten, die in eine weite Graslandschaft übergeht, hinter der eine karge rötliche Bergkette in den orange leuchtenden Sonnenuntergang empor steigt.
Obwohl ich unterwegs bin, um zu erleben, wie schön die Welt und wie freundlich die allermeisten Menschen sind, komme ich nicht umhin, zwischendurch an die Flüchtenden da draußen zu denken, die diese Strecke, die ich so bequem zurücklege, irgendwie zu Fuß oder eingequetscht auf der Ladefläche eines Lastwagens bewältigen müssen und teilweise im Gefängnis landen; letztendlich bloß weil sie nicht so einen Pass besitzen wie ich... Was für eine Welt!

Dennoch kann ich mir mittlerweile kaum noch vorstellen, warum ich kurzfristig befürchtet hatte, die lange Bahnreise könnte möglicherweise beschwerlich, langweilig, anstrengend oder gar riskant werden. Diese Gedanken erscheinen mir jetzt völlig absurd. Vielleicht sollte ich einfach immer weiter fahren, dann bin ich ja auch irgendwann wieder zu Hause...

Kurze Werbeanzeige... Beides ist praktisch. Die linke Option hat die längere Lebensdauer, wenn auch in anderen Formen. Auf die rechte kann man sich unbesorgt draufsetzen, wenn man das möchte.

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Kommunikative Kinder in einem Café in Ankara.

Kommunikative Kinder in einem Café in Ankara.

Aufgrund des Nationalfeiertags hängen allerwegen Flaggen und Bilder von Atatürk.

Aufgrund des Nationalfeiertags hängen allerwegen Flaggen und Bilder von Atatürk.

Ankara zur Mittagszeit.

Ankara zur Mittagszeit.

Alte Häuser in Ankara.

Alte Häuser in Ankara.

© Caroline Gustke, 2019
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Fliegen kann jeder - Zugfahren auch. Der Klimawandel macht mir Angst und mein bisheriger CO2-Fußabdruck ist erschreckend. Daher steht für mich fest: Bis Fliegen nachhaltig geht, wird nicht mehr geflogen! Nun ist die Reise - Pferdetrekking durch den armenischen Westen - schon lange geplant und so gehe ich das Wagnis ein, die etwa 5000 km pro Weg per Zug zurückzulegen, quer durch Europa und darüber hinaus - als Konsequenz von Erkenntnis, als Klimastreik und Selbstversuch.
Details:
Aufbruch: 26.08.2019
Dauer: 6 Wochen
Heimkehr: 07.10.2019
Reiseziele: Armenien
Deutschland
Rumänien
Türkei
Schweiz
Der Autor
 
Caroline Gustke berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.
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