Fernweh

Reisezeit: Juni 2008 - Mai 2009  |  von Marina Huelssiep

DAS JAHR MEINES LEBENS

328 Tage bin ich durch die Welt gebackpacked. Ich habe unglaublich viele Erfahrungen gesammelt, die sich nur schwer in Worte fassen lassen. (Deshalb fragt mich bitte nicht wie es war, ohne mir die naechsten 2 h zuhoeren zu wollen, denn alles andere wuerde dieser Reise nicht gerecht werden.)
Ich habe mehr gelernt, als ich jemals wieder in einem Jahr lernen werde. Mehr als man in einem Klassenzimmer oder Unisaal lernen kann. Ich habe Dinge fuers Leben gelernt. Dinge, die mein Leben veraendert haben, meine Traueme, meine Zukunft.
Wer haette schliesslich gedacht, dass es Kissen gibt, mit denen man Menschen erschlagen kann? Matrazen haerter als Steinboeden? Dass man nicht in einem suedamerikanischen Bus fahren kann ohne Kind schreien zu hoeren und alte ecklige Maenner schnarchen und das fuer einen Zeitraum von mindst. 4 h? Dass es Musik gibt, bei der man sich nur noch wuenscht, sich die Ohren abzuschneiden? Dass Michael Schumacher gegen Busfahrer in den Anden keine Chance haette?
Nein, ernsthaft.
So eine Reise...
...verlangt viel von einem. Man muss alle hygienischen Standarts ueber Bord werfen und bei null anfangen. Ich habe alles gesehen, was man sehen kann. Mich kann nichts mehr schocken und wenn man mit einem knappen Budget reist, heisst es Augen zu, aufhoeren zu artmen und durch.. Am Anfang habe ich nicht ohne FlipFlops geduscht. Inzwischen gehe ich barfuss auf shared toilets.
Die Toiletten sind eine Story fuer sich. Man hat zB immer Klopapier dabei (oder man sollte), egal ob man ins Restaurant geht, abends weg oder auf eine Busfahrt.
Der Durchfall ist immer dabei (kein Restaurantbesuch ohne ein Gespraech ueber die Vorgaenge im Magen) und wenn man denkt es geht nicht schlimmer, irrt man sich. Dann zum Beispiel, wenn nach einer stundenlangen Busfahrt endlich die gewuenschte Klopause kommt, man ein Klo findet, man merkt die Spuelung funktioniert nicht bzw, es gibt keine, man hat sein Klopapier vergessen und draussen steht eine Schlange von Leuten mit den gleichen Problemen.

Nein, so eine Erfahrung ist nicht witztig!

Nein, so eine Erfahrung ist nicht witztig!

Ich bin gelassener geworden. Toleranter. Grosszuegiger. Ich kann mich hinsetzten und den Tag einfach nur geniessen. Frueher konnte ich nicht 1 h ohne Beschaeftigung ueberleben. Ich habe gelernt jeden Tag wertzuschaetzen. Dankbar zu sein fuer das was ich habe. Ich brauche nicht viel im Leben. Drei Mahlzeiten am Tag, ein einigermassen sauberes Bett sind so alles was ich brauche. Besitzt belastet nur und je mehr man hat, desto mehr Sorgen muss man sich machen.
Man muss aber auch ein gewisses Durchsetzungsvermoegen haben. Sonst kommt man nicht weit. Wer nicht manchmal sehr hartnaeckig ist, wird schnell abgezockt oder vergessen. Besonders in SA und Asien.
Genauso wie Handeln. Es wir ueber absolut alles und jeden verhandelt. Wasser, Obst, Kleidung, Touren, alles. Es wuerde mich nicht ueberraschen, wenn ich beim naechsten Mal Schuhe kaufen, anfange ueber den Preis zu diskutieren und alle Tricks abzuziehen, die ich gelernt habe. Ich liebe Handeln!

in warmen Laendern spielt sich das Leben auf der Strasse ab

in warmen Laendern spielt sich das Leben auf der Strasse ab

Von Deutschland habe ich nichts vermisst. Weder das Essen, noch das Leben. Ich habe die deutsche Kultur aus der Distanz gesehen und gemerkt, wie stur die Deutschen in ihrem Leben sind. Schule, Uni, Heiraten, Kinder, Haus. Wenn man nicht mehr oder weniger diesem Schema folgt, wird man von der Gesellschaft nicht anerkannt. Man bleibt sein ganzes Leben bei einer Firma und Sicherheit ist das oberste Gebot.
Diese Einstellung ist so ganz anders, von all den Menschen, die ich getroffen habe. Ganz anders. Man macht mal dies, dann das. Ist froh mit dem was man hat. Baut ein Haus hier, zieht um, baut ein Haus dort. Gefaellt es einem nicht mehr, macht man etwas anderes. Warum auch nicht?

Ich hoffe, die Deutschen werden in dieser Beziehung etwas lockerer. Das klingt jetzt alles sehr feindlich. Sorry. Deutschland hat auch sehr viele gute Seiten.

wer wuerde bei diesem Leben Deutschland vermissen?

wer wuerde bei diesem Leben Deutschland vermissen?

ARMUT
Ich habe Armut gesehen, bei der man nur noch heulen will. Kinder die auf der Strasse leben, keine Kleidung zum wechseln haben, die einem um Wasser und Essen anbetteln. Die aber gleichzeitig unglaublich aufdringlich sind und man schaut nur beschaemt zu Boden und sie versucht abzuschuetteln. Es ist traurig, aber helfen ist schwer. Gibt man etwas, bekommen die Kinder es im seltesten Fall und man unterstuetzt die Bettlerei nur und wird die Kinder nicht mehr los. Ich hoffe, ich habe geholfen, indem ich die Laender bereist, in Hostels geschlafen, in kleinen Laeden gekauft und in Restaurant gegessen habe.
Aber ich habe auch so viele schoene Dinge gesehen. Atemberaubende Landschaften... Die Fotos sprechen fuer sich. (Neusseland ist da wohl mein Favorit.)
Ich habe unglaublich viele Menschen getroffen. Menschen aus allen Schichten. Menschen, mit so vielen unterschiedlichen Lebensgeschichten. Menschen, mit denen ich mich stundenlang unterhalten konnte. Wenn man reist, laufen einem Leute ueber den Weg, vielleicht reist man eine Weile zusammen und dann trennen sich die Wege wieder. Manchmal ist es traurig, wenn so eine gemeinsame Zeit vorbei ist. Aber dafuer ist die gemeinsame Zeit umso wertvoller und einzigartiger. Ich habe Freunde fuers Leben gewonnen und nur Menschen, die auch reisen, die die gleichen Erfahrungen gemacht haben, koennen einen verstehen. Denn Reisen laesst sich nicht mit Worten erklaeren.
Besonders dankbar bin ich den 19 Familien, bei denen ich in diesem Jahr wohnen durfte. Dich mich herzlich unter sich aufgenommen haben und die meine Reise so einzigartig und unvergesslich machten. Ich bin ihnen furchtbar dankbar. Nur so konnte ich manche Kulturen verstehen und aus verschiedenen Blickwinkeln sehen. Wenn man solange wie ich unterwegs war, braucht man von Zeit zu Zeit ein Zuhause. Ein Ort, wo man ausatmen kann. In einer Familie ist und einfach fuer ein paar Tage ein eigenes Bett hat und sich nicht ums kochen, einkaufen, Busplaene, etc. sorgen muss. Danke.

Essen auf der Strasse. Billig und gut.

Essen auf der Strasse. Billig und gut.

REISEPLAN
Angefangen hat es in Suedamerika. Ein tolles Land, dass ich liebe und zugleich ein bisschen hasse. Aller Anfang ist schwer. So ging es auch Friederike und mir an unserem ersten Tag alleine in Buenos Aires, nachdem wir den Schutzschild meiner Freundin in Rio verlassen hatten.
Sicherlich hat es auch nicht geholfen gleich am ersten Tag in einer Bank mit vorgehaltener Pistole ausgeraubt zu werden. Im Nachhinein einer der lehrreichsten Erfahrungen meiner Reise. Die uns vielleicht vor weiteren Ungluecken in Suedamerika bewahrt hat und uns nur 3 Euro gekostet hat.
Leider wurde ich gleich darauf mit Pfeifferischem Druesenfieber krank und ich will nicht wissen, was passiert waere, haette ich meine Krankenschwester Friedi nicht gehabt, die mir tapfer Wadenwickel und Tee gemacht und Essen in mich gestopft hat.
Wegen all dem gehoert Argentinien nicht wirklich zu meinen Lieblingslaendern. Bolivien und Peru und Ecuador sowieso haben dies wettgemacht. Und ich hatte eine unvergessliche Zeit.
Als es dann Abschied nehmen hiess, erst von Friedi, dann von Hannah und letztendlich von meiner "Schwester" Crsitina hat ich dann schon ein bisschen Bammeln. Zum ersten Mal alleine. Aber Neuseeland ist super zum alleine reisen und zu zweit haette ich vielleicht viele gute Erfahrungen gemisst. Und auch kann ich sagen, dass ich mich nie alleine gefuehlt habe und man sich mit der Zeit ein Netzwerk von Freunden aufbaut.

Sonnenuntergang in Phnom Penh.

Sonnenuntergang in Phnom Penh.

Australien war fazinierend. Unglaublich variierend. Ich war und bin unglaublich dankbar, dass ich in 8 Wochen gerade mal zwei Naechte in einem Hostel verbringen musste. Ich hatte genug von Hostels und bevor es nach Asien ging hatte ich ein kleines Reisetief. Ich war muede. Staendig verschiedene Orte, verschiedene Leute, verschiedene Lebensstile. Ich wusste, dass ich Asien nicht in dem Tempo bereisen konnte wie Suedamerika. Jeden Tag, jeden zweiten Tag weiterreisen. Von Ort zu Ort.
Deshalb war ich erleichtert in Bali meine SchwedenGirls kennengelernt zu haben und mit ihnen eine tolle Zeit verbracht zu haben. Ausserdem ist Bali im Vergleich zu Australien ein Punkt auf der Landkarte und wir blieben laengere Zeit an einem Ort. Dass Hannah mir einen Spontanbesich abgestattet hat, war natuerlich klasse.
Dann kam Hong Kong und damit Queenie und ihre Familie. Diese Menschen waren so unglaublich lieb und hilfbereit. Ohne mit ihnen oder ihrer Tochter je etwas zu tun zu haben, haben sie sich so viel Muehe gegeben mir ihre Welt zu zeigen.
Vietnam und Kambodscha gehoeren zu den Laendern, die mich am meisten bewegt haben. Vor allem wegen ihrer Historie. Und trotz all der Schrecken und des Horrors sind die Menschen froehlich und zum lachen aufgelegt. Zu Thailand kann ich nicht viel sagen, leider ging mir am Ende die Zeit aus.

Die Tempel von Ankgor, Kambodscha

Die Tempel von Ankgor, Kambodscha

Ich hoffe, dass jeder der die Chance hat, so eine Reise macht. Obwohl bestimmt auch nicht jeder der Typ dafuer ist. Aber die, die es wollen, kann ich nur unterstuetzen. Es ist nicht unerreichbar. Das Einzige was man braucht ist Zeit und jeder sollte sich die Zeit fuer so etwas wichtiges nehmen. Geld braucht man natuerlich auch, aber dies sollte nicht im Wege stehen. Ich habe diese Reise selber bezahlt. Zwei Jahre lang die Ferien durchgearbeitet, an Wochenenden, nach der Schule. Wer dies wirklich will, kann das. Ich habe von 13,70 Euro am Tag gelebt. Auf alles verzichtet, was man nicht wirklich braucht und mir gefaellt es so zu leben. Diesen Lebensstil zu haben. Zu vergessen welcher Tag es ist, welches Datum. Warum auch nicht? Es spielt absolut keine Rolle. Nicht zu wissen, wo man in 2 Tagen ist, in welchem Land? Nicht viel zu planen, Dinge einfach auf einen zukommen zu lassen. Nie etwas im Vorraus zu buchen. Meistens kam ich in einem Land, in einem Ort an, ohne einen blassen Schimmer von irgendetwas zu haben. Ich hatte immer Glueck und einen Weg gefunden. Und dies ist es was Reisen so interessant macht. Der Zufall, das Treiben lassen. Tun und zu lassen, was man will. Den Tag zu gestalten, ohne Verpflichtungen. Gott, es wird hart werden in Deutschland... .
Super wichtig ist es auch Eltern zu haben, die einen unterstuetzen. Und da haetten meine Eltern keinen besseren Job machen koennen. Ich weiss, ihr habt euch manchmal echt verdammt viele Sorgen gemacht, aber mich nie an etwas gehindert und mir den Ruecken freigehalten. Danke. Ich werde meine 19 jaehrige Tochter nicht nach Suedamerika lassen.. .
Und zuletzt danke an alle, die diesen Reisebericht gelesen haben. Ich weiss nicht, ob ich Lust haette die langweiligen, endlosen Berichte ueber das Leben eines anderen zu lesen. Bitte schaut ueber all die Rechtschreibfehler hinweg. Und die ungelenken Formulierungen. Manche Woerter musste ich im englisch-deutsch Woerterbuch nachschauen. Und ich habe nachgezaehlt. Ich habe dieses Jahr mit 6 Menschen face to face Deutsch gesprochen. Also fuehle ich mich entschuldigt.
Congratulations! Du hast es bis zum Ende dieses endlos Artikels geschafft. Schreibe mir einen letzten Gaestebucheintrag und dann bist frei und musst nie mehr diese Seite anklicken.

Goodbye...

Goodbye...

© Marina Huelssiep, 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Einmal um die Welt - ein grosser Traum geht in Erfuellung. Suedamerika, Neuseeland, Australien, Bali, Hongkong, Thailand und Singapur in 360 Tagen.
Details:
Aufbruch: 28.06.2008
Dauer: 11 Monate
Heimkehr: 20.05.2009
Reiseziele: Brasilien
Argentinien
Bolivien
Peru
Ecuador
Chile
Neuseeland
Australien
Indonesien
Hongkong
Vietnam
Kambodscha
Thailand
Singapur
Der Autor
 
Marina Huelssiep berichtet seit 16 Jahren auf umdiewelt.