Kuehe, Kinder, Katastrophen -Alleine in Indien

Reisezeit: Oktober 2005 - April 2006  |  von Juljenka P.

Krank in Mamalapuram

So, da bin ich also an einem der schoensten Flecke Indiens und habe von den Weltkulturerbe-Tempeln noch keinen gesehen. Warum? Bin krank! Durchfall, Fieber, Kotzerei und was eben dazugehoert um sich so richtig beschissen zu fuehlen. Da der Rest der Gruppe nicht auf mich warten kann, bin ich zu allem Ueberfluss auch noch alleine in dem ekelhaft beige-gelben HOtelzimmer und vegetiere vor mich hin. Immerhin kuemmern sich der Hotelbesitzer und seine Mutter ruehrend um mich und bringen mir jede Stunde irgendeine neue Tablette und nen Tee. Unsere Kommunikation ist allerdings mangels Engslichkenntnissen etwas gestoert. Vom Azt habe ich gleich mal Antibiotikum verordnet bekommen, weil die hier mangels Kreativitaet wohl nichts von Alternativen halten (wo ist denn die ganze Ayurveda und Akkupunktur abgeblieben, wenn man sie braucht???). Jeder, den ich bis jetzt getroffen habe, erzaehlt mir, dass es hier immer sofort Antibiotikum gibt und dass das nun mal so sei. Bin eh zu schwach um mich zu wehren und passe mich deshalb an. Immerhin habe ich es jetzt geschafft, mich nach 24 Stunden aus dem Zimmer ins Internetcafe zu schleppen.
Mein Projekt ist mitlerweile immer klarer geworden. Die Dokumentation faellt ins Wasser, wei wir keine Kamera haben, deshalb machen wir jetzt alles schriftlich. Nichts also mit schneller Beruehmtheit und heroischem Auftritt im Fernsehen.
Ausserdem habe ich mitlerweile ein wenig herausgefunden, wer so meine Mitreisenden sind und dass es sich bei dem vermeintlichen Japaner um einen Suedkoreaner handelt (peinlich, was war denn nochmal die Hauptstadt von Korea???).
Wir haben auch schon mit vielen Tsunamiopfern gesprochen. Wenn man an Tsunami denkt, hat man zu Beginn eigentlich nicht Indien im Kopf, aber wenn man sich das Ausmass der Katastrophe hier mal vor Augen haelt, dann wird einem bewusst, wie wenig man eigentlich weiss. Ich sehe also hunderte indischer Familien, die in Uebergangszelten wohnen und nach einem Jahr immernoch auf Besserung warten. Es ist traurig und beaengstigend, wenn man bedenkt, dass diese Menschen keine Chance haben, ihren Zustand zu aendern. Und trotzdem scheinen sie nicht wirklich ungluecklich mit dem zu sein, was sie haben. Obwohl sie nichts besitzen, opfern sie ihren letzten Rupee, um mir einen Chai zu spendieren. Es ist eine Schande, dass ich kein Tamil spreche und deshalb kaum kommunizieren kann, aber so halte ich eben Babies auf meinem Arm, uebe mich im Seilhuepfen und akkzeptiere Einladungen zum Essen. (Nicht alles gleichzeitig, versteht sich.) Die Menschen hier sind geradezu traumatisiert vom Tsunami und jetzt, wo auch noch aufgrund uebermaessiger Regenfaelle alles ueberflutet ist, sind die meisten der Meinung, dass das ein goettliches Zeichen ist. "Weg vom Fortschritt und wieder hin zur Spiritualitaet", erzaehlt mir Suraj, der ein bischen Englisch spricht. Wer weiss, vielleicht hat er Recht. Ich bin jedenfalls dankbar, dass ich mich mit diesem Projekt von der Touristenroute wegbewege und Einblicke ins Leben erhalte. Hoert sich geschwungen an, ich weiss. Ich gehe jetzt wieder zurueck in mein liebevolles Hotelzimmer... also alles Gute und ich hoffe es geht euch besser, als mir!
Die Julia

© Juljenka P., 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Von Tsunamiopfern, Aidsaufklaerung und Gurus, von Sueden nach Norden und Osten nach Westen. Zum Reisen und Arbeiten in ein Land, in dem immer alles anders kommt, als man es erwartet...
Details:
Aufbruch: 01.10.2005
Dauer: 7 Monate
Heimkehr: 29.04.2006
Reiseziele: Indien
Nepal
Thailand
Malaysia
Laos
Der Autor
 
Juljenka P. berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.