Kuehe, Kinder, Katastrophen -Alleine in Indien

Reisezeit: Oktober 2005 - April 2006  |  von Juljenka P.

Das Tempelritual

Bilder sagen mehr als tausend Worte... und diese hoffentlich einiges.

Ich weiss gar nicht, was ich schreiben soll. Nachdem wir mit zwei schraegen Voegeln in einem Wildlifepark Elefanten gesichtet haben (siehe Fotos fuer die schraegen Voegel und die Elefanten) , sind Andrea und ich wieder alleine auf die Reise gegangen. Haette man mir vor vier Monaten gesagt, dass man auf der Gepaeckablage eines hoffnungslos ueberfuellten Zuges zu zweit mit zwei Rucksaecken schlafen kann, haette ich das nicht geglaubt...aber es klappt! Um 22.00 Uhr haben wir endlich den letzten Bus genommen. Nur eine weitere Frau und dafuer ca 100 Maenner fahren mit uns in Richtung Parasinikadavu Tempel. Wir wissen nicht genau, was uns da erwartet, aber wollen ein altes Goetterritual besichtigen. Die Frau steigt vor uns aus und wir weden aus dem Bus auf einen verlassenen Busbahnhof geworfen...mitten in der Nacht! Ein Inder, der zwar kein einziges Wort Englisch spricht, dafuer aber ein vertrauenswuerdiges Laecheln hat, bring uns durch das Dunkel zum Tempel. Todmuede fallen wir auf ein paar Palmblaettern in einen unruhigen Schlaf, der um 4.00 Uhr durch reges Treiben unterbrochen wird.
Wir packen todmuede unsere Rucksaecke, bringen sie in den Hinterraum und begeben uns ins Innere, wo das Ritual sattfinden soll. Alle Inder haben bereits vor 5.00 Uhr im heiligen Fluss gebadet und tragen nun den traditionellen Lungi (Wickelrock in schwarz oder orange) und lange Holzketten. Die nackten Oberkoerper sind mit weisser, gelber und roter Asche beschmueckt... wie erkennen, dass sie alle der obersten Kaste (Brahmanen) angehoeren. Die Frauen sind in feinste Saris gehuellt und die Kinder mit Kajal geschminkt. Riesige dunkle Augen schauen uns beide verpennte Weisse in Jeans und T-shirt an. Der Anblick ist wohl fuer beide Seiten ungewohnt.

Ich wuensche mir dunkle Haut und schwarze Haare (und ein Bett).
Nach der ueblichen indischen Verspaetung, wird schliesslich das schwere Holztor geoeffnet und die Masse wird eingelassen. Auf der linken Seite draengeln sich die Maenner und auf der anderen koennen die wenigen Frauen und Kinder (und zwei weisse verpennte deutsche Maedels) gemuetlich sitzen.
Die Show beginnt:
Waerend wir gegen den Schlaf ankaempfen muessen, bekommen wir ein Schauspiel geboten, das seinesgleichen sucht. Zwei Schauspieler werden mit aufwaendigsten Kostuemen geschmueckt und tragen Gestelle auf dem Kopf, die locker zwei Meter hoch sind. Sie sind aus Hols, Gold und Seide und sehen verdammt schwer aus. Zentimeterdicke Farbe auf der Haut und unfoermige Reifroecke lassen kaum mehr erkennen, dass es sich um Menschen handelt. Begleitet von einem Trommelorchester, das jeden Karnevalsverein vor Neid erbleichen lassen wuerde, wird ein bizarrer Tanz aufgefuehrt. Einige Zuschauer werfen sich auf den Bauch und umrunden das Spektakel. Teyam (so heisst der Wahn) ist das aelteste Ritual dieser Sorte und wirkt auf mich weltfremd.

In dem Moment ueberlege ich mit, wie weit ich gerade von zu Hause weg bin, ob das alles einen Sinn macht und woher ich Fruehstueck bekomme. Wenigstens der letzte Gedanke scheint von einem der Goetter erhoert worden zu sein, denn nach einer knappen Stunde Zeremonie bekommen wir ein Bananenblatt mit Bohnen, zwei KOkosnussstuecke und einen waessrigen Chai im Tempelvorraum. Die Familien um uns rum lachen und schauen uns an. Keiner spricht Englisch, aber Laecheln ist gluecklicherweise international.
Ich fuehle mich mittendrin in der Menge und ich fuehle mich wohl.
Wo in Deutschland waere es moeglich, ohne Voranmeldung oder Angabe von Daten in eine religioese Gesellschaft einzutauchen, die sogar Essen und Unterkunft kostenfrei zur Verfuegung stellt...?
Nach dem Fruehstueck gehen wir dann erstmal shoppen, denn vor dem Tempel warten die typischen indischen Kitschlaeden, wie in jeder Stadt und ein kleiner Ganesha (der Gott mit dem Elefantenkopf) muss jetzt einfach mal her.
Das war also meine Nacht im Tempel. Ich bin mir nicht so ganz sicher, ob das fuer irgendjemand von Interesse ist, aber was solls...
Egal...genug gequatscht...

PS: Gruss an Andreas Freunde (und Schwesterleinchen), die das hier vielleicht auch lesen werden. In der Frau habe ich mal eine gute Reisegefaehrtin gefunden!!! Ich bring sie euch auch heil wieder heim!
PPS: Mama, Papa, Oma, Opa und York (meine treuesten Fans): wenn man reist gibts nicht ueberall Internet. Einmal die Woche muss reichen...Ahoi! (Insgeheim freue ich mich naemlich auch immer, wenns mal keines gibt, aber nicht weitersagen!)

© Juljenka P., 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Von Tsunamiopfern, Aidsaufklaerung und Gurus, von Sueden nach Norden und Osten nach Westen. Zum Reisen und Arbeiten in ein Land, in dem immer alles anders kommt, als man es erwartet...
Details:
Aufbruch: 01.10.2005
Dauer: 7 Monate
Heimkehr: 29.04.2006
Reiseziele: Indien
Nepal
Thailand
Malaysia
Laos
Der Autor
 
Juljenka P. berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.