addicted to life

Reisezeit: April 2020 - Dezember 2021  |  von Markus Knüsel

reisen ohne gringo & mzungu

... oder warum jeder einen plan b haben sollte

die welt spielt verrückt und ich bin mitten drin. zwar dreht sich die welt immer noch gleich schnell, jedoch steht sie gefühlt trotzdem still. das unvermeidbare konnte nicht vermieden werden; die afrika tour wurde vor wenigen wochen abgesagt, gecancelt, storniert. als hätte ich es geplant, exakt auf die flugdaten nach südamerika und jetzt nach afrika sprachen die regierungen auf der welt wieder lockdowns aus, reisen ist zur zeit ein ding der unmöglichkeit geworden, erneut. zum glück habe ich keine weiteren flüge mehr gebucht, hoffe es folgen somit auch keine weiteren lockdowns mehr...

vollends überrascht wurde ich ehrlich gesagt nicht, schliesslich bin ich eine ziemlich realistische person und habe es irgendwie erwartet, spätestens als die zahl der infizierten wieder anstiegen. vielleicht noch bis zum schluss ein bisschen in den hintersten ecken meines hirns verdrängt. somit war aber auch schnell klar, dass ich meinen job bis ende jahr verlängere, denn diese option wurde mir angeboten. claudia ebenfalls. wenigstens etwas hat funktioniert in dieser negativen, anstrengenden zeit.

grundsätzlich ist es für mich sehr schwer nach diesem erneuten nackenschlag überhaupt einen blog zu schreiben, denn ich kann eigentlich nur bei guter laune das beste schreibpotential aus mir raus holen. es ist aber halt so wie es ist und es ist mir auch langsam leid, über das virus gross energie zu verschwenden geschweige zeilen darüber zu schreiben. die corona massnahmen sind nun da, ob sie zweckmässig sind oder nicht. ich denke, wenn dadurch eine triage im spital und somit nur ein einziges leben gerettet werden kann, dann bitte haltet euch einfach daran und gut ist.

wir schweizer sind einmal mehr weltmeister im mäuler aufreissen, jede entscheidung lauthals zu kommentieren und gegen alle und alles zu sein, damit wir dann später es kleinlaut doch tun. gerne erwähne ich es nochmals; schaut euch die welt an, praktisch allen leuten auf dieser kugel geht es schlechter als uns, also bitte einfach mal ball flach halten und fresse halten. jetzt habe ich dazu wieder mehr geschrieben als mir eigentlich lieb war, bitte entschuldigt.

nun bin ich aber wieder an diesem ort, wo ich vor rund fast zwei jahren stand – reisen oder nicht reisen? es musste ein grundsatz-entscheid her. soll ich die reise auf jahre hinaus verschieben, auf besserung hoffen & einen neuen job suchen oder die auszeit trotz allen umständen antreten? ach so lang mussten claudia und ich uns das gar nicht überlegen; wir nehmen uns eine auszeit im jahre 2021.

wieso gerade jetzt in dieser schwierigen zeit auf reisen gehen? gute und sehr berechtigte frage! für die antwort muss ich ein bisschen ausholen - ich bin definitiv keiner von diesen «früher-war-alles-besser»-typen. ganz im gegenteil. ich liebe und lebe mein jetziges leben. schlussendlich bin einfach nur glücklich darüber, dass sich auch nach 20 jahren reisen immer weitere tolle gelegenheiten für mich ergeben – und nur das, weil ich mich 1999 fürs reisen anstatt karriere entschied. grosse kohle versus globetrotter, man kennt das resultat. entscheidungen treffen wir täglich, also habe ich entschieden, dass ich mich auch nicht von einem virus unterkriegen lassen werde, auch wenn es nicht einfach werden könnte. es gibt einige bekannte strangers, die eine ähnliche reise geplant hatten für das jahr 2020, welche nun die reise um zwei jahre verschieben. ich persönlich bezweifle stark, dass in zwei jahren alles besser sein wird. gibt es noch hostels, flugzeuggesellschaften usw? es ist mir klar, reisen wie ich es bisher kenne, wird es in dieser art wohl für längere zeit nicht mehr geben. in den letzten 15 jahren hat aber auch das hässliche gesicht der kapitalismus beim reisen voll zugeschlagen, überall spriessten hotels wie pilze aus dem boden, kein platz war vor selbsternannten insta-models mehr sicher, immer neue moderne charterboote erlangen die zulassung für fragile archipel und kein punkt der erde schien nicht mehr unentdeckt. und vielleicht genau das könnte meine chance im 2021 sein, wenn der kapitalismus angst vor einem virus hat.

ist eine auszeit während corona verantwortungslos? kann sein, aber vielleicht auch nicht. der erste schritt zu dieser erkenntnis und fortschritt ist schliesslich zuzugeben, dass man es nicht weiss. ich erzähl euch mal was; träume wollen und müssen gelebt werden. auch dann, wenn einem die ganze welt vom traum abrät. schliesslich ist das leben zu kurz. was musste ich immer wieder «oh gott, mach das nicht» und «oder ist das nicht zu gefährlich?» anhören. trotzdem zog ich jedes der bisherigen 5 reise-projekte durch und brach in die abenteuer meines lebens auf. wenn ich mich heute an die vergangenheit erinnere, bleiben meine gedanken immer wieder an meinem ersten trip hangen, als das reisen noch ein sprung ins unbekannte war. ein unberechenbares abenteuer, das schon lange losging, bevor man überhaupt den ersten schritt in ein flugzeug setzte. und damals bereiste ich afrika mit einer freundin in einem uralten land rover, welcher praktisch täglich den geist aufgab. ich kriegte malaria und starb beinahe daran. wir wurden fast entführt und bestohlen. lauter solche geschichten. wir waren naiv und ziemlich unvorbereitet. aber ich überlebte alles und das ohne mobile phone, ohne internet und schon gar nicht mit facebook & instagram - ein teil von mir wird immer sehnsüchtig auf die jahre zurückblicken. das unberechenbare der damaligen zeit kann man gut mit dem unberechenbaren der heutigen zeit und mit diesem gottverdammten virus vergleichen. ein gewisses mass an «verantwortungslos sein» gehört zu jeder guten reise!

wie hat mich die reise als mensch verändert? sehr viel und erstaunlich wenig. auf der oberfläche habe ich mich relativ wenig verändert. ich bin mir sehr treu geblieben, habe immer noch dieselben sprüche und den gleichen humor (denke ich jedenfalls). auf einer tieferen ebene ist doch einiges anders. das reisen hat mir eine unglaublich (spirituelle) zuversicht gegeben und mich als mensch wachsen lassen. die zuversicht, die liebe zum meer und der drang nach freiheit, haben mein leben grundlegend verändert, statt jetzt doch mit anfang vierzig ein bisschen ernster in ein geregeltes arbeitsleben einzusteigen, wird mich auch diese reise wieder etwas weiter davon distanzieren.

die koffer sind zwar noch nicht gepackt und ich sage auch noch keine «leinen los», denn das ziel ist total unbekannt. hauptsache raus und immer dahin, wo mich das virus hingehen lässt! ein paar mause klicks und eine aufgeladene plastikarte ist alles, was man heute braucht, um seinen traum trip zu konfigurieren. und dafür, dass alles einfacher geworden ist, bin ich trotz oben erwähnter nostalgie auch sehr dankbar.
claudia und ich drehen im januar 2021 den schlüssel unserer haustür 1-mal um 360 grad nach links und ziehen mit einem übergrossen rucksack in das abenteuer. welche geschichten wohl auf uns warten?

hossa, lova und bleibt gesund

© Markus Knüsel, 2020
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Die Reise
 
Worum geht's?:
dem sommer durch die welt folgen
Details:
Aufbruch: 07.04.2020
Dauer: 20 Monate
Heimkehr: Dezember 2021
Reiseziele: Costa Rica
Schweiz
Kolumbien
Italien
Frankreich
Deutschland
Dänemark
Schweden
Der Autor
 
Markus Knüsel berichtet seit 14 Jahren auf umdiewelt.
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