Indien...und dann?

Reisezeit: August 2010 - Mai 2011  |  von André Hellberg

Dr. Nasir

Hier also mal das versprochene Kapitel ueber Herrn von und zu, seines Zeichens Doktor, Nasir...

Ich lief gerade in Delhi bei der groessten Moschee Indiens rum, als mich ein Inder ansprach. Es ist ja nun nicht so, dass das etwas Besonderes sei. Angesprochen wird man ja nun mal alle Nase lang. Jedesmal vollzieht sich dann innerhalb kuerzester Zeit folgender Gedankengang: "Ok, wieder einer. Kann und will ich das gerade? was wird er dir verkaufen wollen? Oder will er etwa nichts verkaufen? Wieder einer, der nur wissen will, woher du kommst und wie es dir geht? Oder wird es diesmal eine der wirklich interessanten Begegnungen..." Die Abstimmung in meinem Inneren viel positiv aus und ich liess mich drauf ein. Weise Entscheidung, wie ich spaeter feststellte...

Wir kamen also ins Gespraech. Zu Anfang natuerlich das uebliche lern-wir-uns-kennen-gelaber. Aber sehr schnell wurde es interessant. Dr. Nasir kommt naehmlich aus dem Grenzgebiet zu Pakistan, wo noch immer Buergerkrieg herrscht. Dort arbeitet er in einem Krankenhaus. Medizin hat er naehmlich studiert. Dr. Nasir ist 45 und eine sympatische Erscheinung. Im Moment sei er in Delhi, da er im "Headquarter" des Krankenhauses arbeiten muesse. Auf die Frage, warum er sich den Krieg im Norden antun wuerde antwortete der Doc, dass er von dort komme. Wenn nicht er es tun wuerde und nen Grund dazu hat, wer dann?
Wir tauschten uns aus ueber die Lage in Deutschland und Indien waehrend der Wirtschaftskrise. Ueber Verdienste von verschiedenen Berufen. Alles sehr interessant.

Der Doc lud mich zum Chai in eine Strassenkueche ein. Mit einem Hinweis auf meinen verwoehnten westlichen Magen wollte ich zunaechst ablehnen. Doch der Doc sagte, dass sei schon in Ordnung. Der Chai sei lange genug gekocht und ich koenne das bedenkenlos trinken. Gesagt getan. Einer der besten Chais bis dato.

Wir unterhielten uns also ueber Strassenkuechen. Bei einigen wuerde selbst ihm schlecht werden sagt der Doc in seinem trockenem Humor.

Apropos Humor. Sein Alter sollte ich zunaechst schaetzen. Ich schaetzte auf 41. Nachdem er sagte, dass er 45 sei meinte ich mit einem Augenzwinkern, er habe sich gut gehalten. Seine Antwort: "Ich weiss."

Anschliessend sind wir durch halb Delhi gelaufen, um zum Gandhi-Memorial zu gelangen. Es kam mir zumindest vor wie halb Delhi. Der Doc lotste mich ueber Schnellstrassen, da waere ich im Traum nicht ruebergegangen. Aber die Inder verschmelzen mit dem Chaos. Man braucht sich nur hintendran zu haengen...

Das Gandhi-Memorial ist ein ruhiger Park und sehr gut um dem Grossstadttrubel fuer eine Zeit zu entgehen. Wir hauten uns dort auf eine Wiese und blieben, bis es dunkel war.

Ich sagte dem Doc, dass ich langsam wieder Richtung Guesthouse wolle, ich jedoch keine Ahnung habe, wo wir eigentlich seien. Kein Problem sagte er. Ich bring Dich wieder zur Metro. Also wieder durch "halb" Delhi...
Auf dem Weg dorthin kamen wir an einem Hindu-Tempel vorbei. Dort wurde ordentlich gefeiert. Hunderte Glaeubige vor und in dem Tempel. Total beeindruckend. Mit Hilfe vom Doc konnte ich ein paar Fotos schiessen. Anschliessend kamen wir an einem Sikh-Tempel vorbei. Auch dort war jede Menge los. Der Doc berichtete, das in diesem Tempel viermal am Tag bis zu 5000 Menschen satt gemacht werden. Und die Sikhs fragen nicht nach Religion oder Herkunft. Das sei ihre Religion. Der Doc sah meine neugierigen Blicke. Und obwohl er schon ziemlich muede war fragte er, ob ich es sehen wolle. Klar!!!

Wir gaben also zunaechst unsere Schuhe ab. Toll dachte ich, die siehst du nie wieder. Entweder ruecken sie sie nicht mehr raus oder wissen nicht mehr, wo sie sind. Alles war in weissem Marmor gehalten und an Fenstern konnte man seine Schuhe abgeben. Der Doc erhielt im Tausch aber ein Blechmarke. Das beruhigte mich ein wenig. Die werden jetzt erstmal geputzt sagte der Doc. Warum? Wegen ihrem Karma. Das bringt sie halt nach vorn...
Anschliessend musste man sich zunaechst Fuesse und Gesicht waschen, was angesichts der Hitze und dem kuehlen Wasser ne gute Idee war. Dann gingen wir in den Speisesaal. Dort standen riesige Toepfe in denen gekocht wurde. Glaubige fuellten aus diesen riesigen Toepfen in kleinere um und verteilten dann im Speisesaal das Essen. Bei dem Speisesaal handelte es sich um einen riesigen Raum, der komplett mit Teppichen ausgelegt war. Dort sassen hunderte Menschen auf dem Boden und hielten den Glaeubigen ihre Teller hin. Und jeder bekam eine dicke Kelle voll. Incredible Inia.
Eine Etage hoeher wurde gechantet was das Zeug hielt. Chanten ist eine Rezitation von Mantren und Gebetsgesaengen. Meine ich zumindest. Hoert sich klasse an. Wir setzten uns zwischen die Glaeubigen und liessen die Atmosphaere auf uns wirken. Einfach ein unglaublicher Moment.
Anschliessend wurde der Raum durch eine andere Tuer verlassen. Dort gab es fuer jeden einen Schlag Irgendwas auf die Hand. Was das sei konnte der Doc nicht beantworten. Es war sehr suess, schmeckte aber gut. Na ja, dann noch die Schuhe abholen, die wirklich vom Staub der Strasse befreit waren und ich torkelte total geflasht auf die Strasse zurueck.

Anschliessend setzte mich der Doc in die Metro. Wir tauschten noch unsere Telefonnummern aus. Bedankten uns hoeflich beeinander...

Dieser Tag war einfach umwerfend. Man moege sich das auf der Zunge zergehen lassen. Es gibt Menschen auf der Welt, die dich einfach ansprechen, um einen Tag mit Dir zu verbringen. Wuerde man in Deutschalnd auf der Strasse Menschen ansprechen, waere man wahrscheinlich schnell in eine Hauerei verwickelt oder jemand wuerde die Polzei rufen. Mit dem westlichen Gedankengut faellt es mir oft schwer mich darauf einzulassen. Und circa 70 Prozent wollen wirklich nur was verkaufen. Aber die restlichen dreissig... Open your mind...

Incredible India...welch tolles Land!!!!

© André Hellberg, 2010
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nachdem ich nun drei Jahre auf den August 2010 gewartet habe um mein freies Jahr zu beginnen, bin ich jetzt langsam richtig heiß drauf. Ich werde von Hamburg über Moskau nach Delhi fliegen und dort früh morgens ankommen. Von dort soll es erstmal ´gen Norden, in den Himalaya gehen. Dann wieder ´gen Süden, dann ´gen Osten, ´gen Süden, und noch weiter und weiter... und letztlich kommt eh alles anders als gedacht... Indien, ich komme...
Details:
Aufbruch: 05.08.2010
Dauer: 9 Monate
Heimkehr: Mai 2011
Reiseziele: Indien
Malaysia
Thailand
Der Autor
 
André Hellberg berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.