Überwintern in Ghana

Reisezeit: Oktober 2006 - April 2007  |  von Anke Behlert

Weihnachten

Seit Donnerstag wird hier "Hardcore-Weihnachten" gefeiert. Donnerstagabend: Kirche - haben wir ausfallen lassen
Freitagabend: Kirche - war schoen, so wie man sich das vorstellt, mit singen, tanzen, singen und tanzen. Relativ zum Schluss wurde es dann aber unheimlich. Alle , die sich krank fuehlten, mussten in die Mitte. Mit "krank" ist aber keine koerperliche Krankheit gemeint, d.h., wir hatten so was wie eine kleine Teufelsaustreibung (nichts ungewoehnliches hier). Das Unheimliche war aber nicht, dass ueberhaupt jemand besessen war, sondern dass ca. 200 Afrikaner ihren Arm ausstrecken, dass man denkt, man ist in einem Film ueber den 2. Weltkrieg.
Der Samstag verstrich, ohne dass man irgendwie gemerkt haette, das Weihnachten vor der Tuere steht. Abends haben wir die Kirche auch wieder ausfallen lassen, aber alle anderen waren weg, also hatten wir das ganze Haus fuer uns (also Guenther, Sarah und ich, Gabriel wohnt nicht mehr hier). Um wenigsten ein bisschen Weihnachtsstimmung zu bekommen, haben wir den "Weihnachtsbaum" geschmuckt, d.h., aus dem Tetra-Pak einen Stern ausgeschnitten (von innen ist er ja silber), das Silberpapier aus der Zigarettenschachtel verarbeitet,... ich finde der Baum sieht klasse aus

Am 24. war morgens das letzte Mal Kirche. Jeder war herausgeputzt, die Kinder waren sauber und einfach suess.

Obayaa, so sauber war sie noch nie

Obayaa, so sauber war sie noch nie

Um 9 Uhr ging los, bis 13 Uhr, wir sind aber schon um 11 gegangen, weil Sarah D (D - aus Deutschland) Obstsalat machen wollte. Ich glaube, das war der beste Obstsalat, den ich jemals gegessen habe. Es gab 2 Papayas, eine Ananas, 5 Bananen, 3 Orangen und Erdnuesse und das ganze hat dann knapp einen Euro gekostet

Abends hat Guenther Punsch gemacht, wir haben Kerzen aufgestellt und Weihnachtsleider gehoert, aber richtige Weihnachtsstimmung kam nicht auf, weil um uns herum kein Weihnachten ist, alles ist wie immer.

Am 25. fahre ich ins Krankenhaus. Seit 3 Tagen habe ich eine Wunde am Fuss, die sich entzuendet hat und der Fuss wird immer dicker. Auftreten kann ich nicht mehr und die Zehen lassen sich auch nicht mehr bewegen (komme mir vor wie Uma Thurman, die in Kill Bill versucht ihr Zehen zu bewegen).

Die Aerztin im Krankenhaus hat den Charme der US-Aussenministerin.

Dialog:

- Sit down! What is your name?

- Anke

- Anke what?

- Anke Behlert

- spell it!

- B-e-h-l-e-r-t

- Why are you here?

ich zeige ihr die Wunde und erklaere was pasiert ist

- Give me 25!

Ich bekomme Paracetamol, Vitamin C (wozu auch immer, ich bin bis zum Anschlag voll mit Vitamin C, durch die ganzen Orangen, ich will Calcium, hier gibt es keine Milchprodukte) und 2 Spritzen (etwas Entzuendunghemmendes und was anderes - keine Ahnung). Die Wunde wurde ein bisschen gereinigt, im Gegensatz zu den Stellen wo ich die Spritzen bekomme - einfach keine Gedanken machen, ich bin ja in Afrika.

Der 25. ist der eigentliche Weihnachtstag in Ghana. Das heisst, alles ist so wie immer, nur dass man noch laenger vor dem Fernseher sitzt. Zum Glueck gibt es den guten, alten Stromausfall, der hat dem ganzen ein Ende gesetzt.

Den 25. habe ich also auf dem Sofa verbracht und den Spiegel gelesen, und weil ich verletzt bin, habe ich mein Essen an die Couch gebracht bekommen, brauchte nicht abraeumen und mein einziges Problem war, die Ziege, die auf meinem Teller lag, so unauffaellig verschwinden zu lassen (und den Hunden zu geben) dass es niemand merkt.

Nach dem Abendessen hat man immer noch nicht gemerkt, dass Weihnachten ist, jeder macht das was er will, also haben Guenther und ich bei seiner Familie versucht so was Aehnliches wie Weihnachtsstimmen aufkommen zu lassen, d.h. wir haben erst mal den Fernseher ausgemacht (Weihnachten ist ein schreckliches Fest, wenn die Weissen einen noch nicht mal fernsehen lassen).

Guenther haelt eine kleine Rede und danach werden die Geschenke verteilt. Angefangen haben wir mit der Juengsten, also mit Obayaa, danach ware eigentlich Arama gekommen, aber weil die schon mehrmals auf die Tueten gezeigt hat (What is that? What is that?) und sich ganz ungeduldig neben die Geschenke gesetzt hat, musst sie leider erst mal aussetzen. Die anderen 7 hatten schon ihr Geschenke nur sie sass noch mit leeren Haenden da. Als Sarah G (G - aus Ghana) sie fragt, was sie bekommen hat, zuckt sie mit den Achseln und ist den Traenen nahe. Dann bekommt auch sie endlich ihr Geschenk (ein kleines Schminkset).
Sarahs Brueder kamen spontan auf einen kurzen Besuch bei ihr vorbei und haben jedem Kind 20000 Cedis geschenkt. Kwaku hat davon fuer Guenther und mich jeweils ein Trinktuetchen als Geschenk gekauft (er ist der einzige der an andere denkt und immer alles teilt)
Das man in Afrika ist, merkt man uebrigens daran, dass es voellig normal ist, dass eine Frau (Sarah G, 43J.) an Weihnachten / ihrem Geburtstag auf dem Boden liegt, das Bein an der Tuere hochsteckt und Geschenkpapier zwischen den Zehen hat

Vivian, Sarah, Obayaa und Arama

Vivian, Sarah, Obayaa und Arama

© Anke Behlert, 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
In sechs Wochen ist es also soweit, ich fliege nach Ghana. Also noch sechs Wochen Zeit um mich zu fragen, ob ich nicht doch was vergessen habe. Und die wichtigste Frage, wie bekomme ich die Sachen, die ich mitnehmen möchte, in meinen Rucksack rein. Ich bin ja mal gespannt.
Details:
Aufbruch: 15.10.2006
Dauer: 6 Monate
Heimkehr: 15.04.2007
Reiseziele: Ghana
Der Autor
 
Anke Behlert berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.