Frankreich - Spanien 2014

Reisezeit: August - Oktober 2014  |  von Uschi Agboka

Teil IV - Picos de Europa - Streckenverlauf: San Toribio de Liebana - Santa Maria de Lebena

2.10.2014 - 35. Tag - San Toribio de Liebana - Santa Maria de Lebena

2. Oktober 2014 - Donnerstag - 35. Tag
Kloster San Toribio de Liebana - Puerta del Perdon - Lignum Crucis - Ermita San Miguel - Iglesia de Santa Maria de Lebena - Visitor-Center Picos de Europa
Campingplatz La Viorna, Potes - Liebana - Kantabrien (Spanien)
Fahrzeit: 3 Stunden, 24 km

Wir haben beide nicht so gut geschlafen. Rolf hat über das Reifenproblem (abgefahrener Motorradreifen) nachgedacht und mich belasten Dinge im Zusammenhang mit meiner Familie.
Wir sind nun 5 Wochen unterwegs, haben viel gesehen und beschließen, uns spät. Montag auf den Heimweg zu machen. Für die Fahrt nach Hause wollen wir uns Zeit nehmen.

Unsere Spatzen sitzen schon unter dem Bus - sie warten auf ihre Brotkrümel.

Heute fahren wir erst gegen 11 Uhr los.

Dort, wo man von Potes kommend in die Bergstraße CA 885 zum Campingplatz La Viorna und nach Santo Toribio abbiegt, trifft man auf den bronzenen Pilgersmann, mit Stock, Kalebasse und Rucksäckchen. Zünftig ausschreitend, motiviert er die Jakobspilger zum letzten Anstieg bis zum Kloster. Doch ich habe Glück, wir fahren mit dem Motorrad hoch in die Berge hinauf. Rolf drängt zur Eile, denn zu späterer Stunde ist das Kloster von Bustouristen überlaufen und dann kann er nicht mehr in Ruhe fotografieren.

Santo Toribio de Liebana ist ein im gotischen Stil und strenger Schlichtheit erbautes Kloster aus dem 13. Jh. Ursprünglich trug das Kloster im 8. Jh. den Namen San Martin de Turieno und beherbergte unter anderem den berühmten kantabrischen Schriftsteller und Mönch Beatus von Liebana, der hier seine Werke verfasste. Bekannt ist Beatus vor allem durch sein Hauptwerk, einen Kommentar zur biblischen Apokalypse in zwölf Büchern (um 776). Dieser wurde in Form von ausgemalten Manuskripten kopiert und in ganz Europa verteilt - Beatus-Kodex. Einige Exemplare sind heute noch erhalten, das Original ging verloren.

Beatus Motivation für den Apokalypsenkommentar war das mit dem Jahr 800 erwartete Weltende. Beatus wurde auch zum Wortführer der Gegner des Adoptianismus. Der Adoptianismus bezeichnet eine christologische Lehre, nach der Jesus Christus nicht wesenhaft Gott, sondern nur ein zum Gottessohn adoptierter Mensch gewesen sei.

Das Kloster wurde an gleicher Stelle errichtet, an der sich zuvor ein romanischer Bau und einige Wallfahrtskapellen befanden. Die Kapellen glichen einfachen Höhlen und sind in Resten noch heute erhalten. Als signifikantestes Merkmal des Klosters gilt die Barockkapelle, die durch die Puerta del Perdon zu betreten ist und in der sich das Lignum Crucis, ein reich verziertes Kreuz, befindet. In diesem wird, der Überlieferung nach, das größte Stück vom Kreuze Christi aufbewahrt. Das verehrte Stück Holz steckt hinter Glas und ist eingelassen in ein kreuzförmiges Reliquiar aus Silber. An dessen unterem Ende befindet sich eine offene Stelle, für diejenigen, die den direkten Kontakt zur Reliquie suchen. Die Kreuz-Reliquie wurde von Santo Toribio, Bischof von Astorga, aus dem Heiligen Land mitgebracht.
Auch aufgrund dieser Kreuzreliquie, die zum Teil berührt werden darf, gilt Santo Toribio de Liebana als wichtiges Wallfahrtsziel vieler Christen und erhielt durch den Papst das Recht, ein heiliges Jahr auszurufen. Sonst haben nur Jerusalem, Rom und Santiago de Compostela dieses Recht. Das Heilige Jahr findet statt, wenn der Festtag des heiligen Toribio (16. April) auf einen Sonntag fällt. Der Eintritt in das Kloster ist kostenfrei.
Das wichtigste Gebäude ist die gotische Kirche, deren Bau im Jahr 1256 begann. Die Kirche hat einen rechteckigen Grundriss mit drei Gängen, einem Turm am Fuße des zentralen, breitesten Ganges und drei polygonale Apsiden. Die Pforten in der Südwand sind romanisch und möglicherweise älter als die Ge-bäudeteile im Inneren. Das Kloster wurde im 17. Jahrhundert fertig gestellt.

Die letzte Prüfung der Reliquie geht übrigens auf das Jahr 1958 zurück, als in Santo Toribio nur ein einzelner Priester lebte. Damals war die Klosteranlage komplett heruntergekommen. Der Priester, im Volksmund Don Desi genannt, wollte der vernachlässigten Reliquie zu neuer Ehre verhelfen. Er schickte einen Splitter abgewetzten Holzes in ein Madrider Forschungsinstitut und erhielt folgenden Befund: Nordspanisches Pflaumenholz, keine hundert Jahre alt. Also beschloss er, dem Institut zu vertrauen. Nun erst löste er wirklich einen Splitter vom Lignum Crucis. Der zweite Befund lautete: Libanesische Zypresse, mehr als 2.000 Jahre alt. Drei Jahre später, 1961, übernahm der Franziskaner-Orden die Anlage, um sie als Wallfahrtsstätte wiederzubeleben. Seitdem geht es mit dem Kloster bergauf.

Wir haben Glück, nur ein Bus ist da und so können wir in Ruhe alles anschauen und fotografieren. Und Rolf stellt sich sogar in die Schlange, um durch die Puerta del Perdon zu gehen und das Heilige Kreuz zu berühren. In einem kleinen Andenkenladen erstehe ich ein Geschenk für meine Freundin Giovanna in Figline Valdarno. Sie freut sich über jedes Mitbringsel aus einem Wallfahrtsort. Während Rolf noch unterwegs ist, sitze ich auf einer Bank, schreibe und beobachte neu angekommene, meist ältere Besucher. Für mich erschreckend zu sehen, wie manche Menschen herumlaufen. Shorts etc. sind einfach keine respektvolle Kleidung an solchen Orten. In Italien werden Besucher, die nicht vernünftig angezogen sind, nicht eingelassen, was ich durchaus in Ordnung finde.

Nach dem Besuch des Klosters fahren wir weiter hinauf, zu der kleinen Ermita San Miguel, von der wir einen herrlichen Blick ins Tal und auf die Picos de Europa haben. Das ist schon eine traumhafte Bergwelt hier.

Von der Ermita San Miguel sehen wir eine weitere kleine Kapelle auf der Bergspitze, die wir leider nicht anschauen können. Man erreicht sie erst nach einer längeren Wanderung über ca. 600 m Höhenunterschied.

Nach und nach kommen immer mehr Besucherbusse und uns wird es zu viel mit den Menschenmassen. Wir fahren zurück, über Potes, in die Hermida-Schlucht und biegen dort ab, um die Kirche Iglesia de Santa Maria de Lebena anzuschauen.

Diese präromanische Kirche wurde im 9./10. Jh. errichtet. Sie liegt außerhalb des Ortes Lebena am Rio Devo, südlich der Schlucht Desfiladero de la Hermida. Seit 1893 ist sie als Kulturdenkmal eingestuft.

Die Hufeisenbogen sind mozarabisch, die floralen Motive auf den Säulen westgotisch und eine Steinschrift keltisch. An der Stirnseite des Altars befindet sich die fast einen Meter breite und 1,75 m lange Steinplatte, die in der Mitte mit einem großen Sonnenrad verziert ist. Auf beiden Seiten sind drei Kreise eingeritzt, in die Blütenmotive und wellenförmige Linien eingeschrieben sind. Bis 1971 lag diese Steinplatte mit der Vorderseite auf dem Boden und diente als Stufe zum Altar. Aufgrund der rätselhaften Sym-bole geht man davon aus, dass die Platte aus keltischer Zeit stammt.

Die Schriftzeichen besagen, dass die große Eibe vor der Kirche (nach einem Sturm im Jahr 2007 nur noch ein Stumpf) bereits vor 1.000 Jahren gepflanzt wurde. In Nordspanien bestand der Brauch, bei einer Kirchengründung eine Eibe zu pflanzen. Auch ein in der Nähe stehender Olivenbaum soll um diese Zeit gepflanzt worden sein. Er gilt als Zeichen für Verständnis, Liebe und Frieden zwischen Christen und Muslimen. Man nimmt an, dass die Gründer der Kirche Don Alfonso und Dona Justa mozarabische Einwanderer waren.

Seit dem 16. Jh. dient die Kirche als Pfarrkirche von Lebena. Wir haben Glück, eine Dame lässt uns ein, wir können die alte Kirche von Innen anschauen, doch als Rolf fotografiert, erfahren wir, dass es verboten sei. Es gibt leider auch keine Karten zu kaufen, so dass wir Euch nur zwei Bilder vom Innenraum zeigen können.

Außen ist Fotografieren erlaubt und so können wir einige Bilder machen. Unter dem Dachansatz verläuft eine Gesimsleiste mit einem schmalen Fries mit geometrischen Motiven. Die weit ausladenden Dachtraufen ruhen auf Röllchenkonsolen, auf denen Sonnenräder und Rosetten dargestellt sind. Der frei stehende Glockenturm wurde im 20. Jh. errichtet. Auch der südliche Portalvorbau und die Sakristei an der Nordseite sind spätere Anbauten.

In der Nähe der Kirche befindet sich ein Friedhof, den wir jedoch nicht betreten können.

Ich entdecke ein Schild an der Außenwand der Kirche, in dem darauf hingewiesen wird, dass hier keine Toilette ist. Für mich unverständlich, dass Menschen solche Orte für ihre Notdurft missbrauchen.

Die Dame berichtet ein bisschen von der Geschichte der Kirche:
Im Jahr 924 haben Don Alfonso und seine Frau Dona Justa die Kirche erbauen lassen, um den Heiligen Toribio dort zu begraben. Don Alfonso hat den Leichnam wohl aus dem nahen Kloster San Toribio stehlen lassen. Graf Alfonso wurde dafür von Gott gestraft, erblindete und so schenkte er die Kirche und sein gesamtes Eigentum dem Abt Opila vom Kloster San Toribio. Der gesamte Besitz in Lebena gehörte bis zum 16. Jh. zum Kloster von Toribio, welches die Menschen auspresste und zu großem Reichtum gelang-te. Doch die Menschen fingen im 16. Jh. an, Widerstand zu leisten. Sie zahlten keinen Zehnten mehr an das Kloster und gründeten eine eigene Gemeinde, die bis heute besteht. Lebena hat heute nur noch 86 Einwohner.

Wie Ihr wisst, gefallen mir solche Geschichten besonders gut.

Wir laufen zurück zum Parkplatz. An unserem Motorrad liegt ein junger Mann auf dem Boden und erklärt seinen Kameraden mit Händen und Füßen die Harley. Die jungen Leute sind begeistert und machen Fotos, als wir aufsitzen und weg fahren.

Auf dem Rückweg schauen wir uns noch das große Visitor-Center Picos de Europa an. Das ist ganz hervorragend ausgestattet, mit vielen Informationen, Bildern, Filmen etc. über die gesamte Region. Früher gab es hier viele Minen, daher der Reichtum des Landes. Man kann sich im Center beraten lassen, über Bergtouren und Ausflüge in der Region. Und das alles ist kostenlos.

Es geht dann weiter nach Potes, zum Einkauf. Schwertfisch, Thunfisch und Sardinen stehen auf meinem Einkaufszettel.

Gegen 14 Uhr sind wir zurück am Campingplatz, nach 3 Stunden und 24 km. Wir haben wieder viel gesehen und bestaunt in der relativ kurzen Zeit.

Um 14.30 Uhr haben wir alles verstaut und sitzen gemütlich im Schatten und genießen den Blick auf die Berge.

Heute Abend gibt es Rindersteak, grünen Spargel, Austernpilze, Baguette, Salat, Pfirsiche, Weißwein. Ein schöner Tag geht zu Ende.

© Uschi Agboka, 2015
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Fahrt durch die Auvergne, Perigord, Limousin, Aquitanien, das Baskenland und Besuch der Picos de Europa.
Details:
Aufbruch: 29.08.2014
Dauer: 6 Wochen
Heimkehr: 08.10.2014
Reiseziele: Frankreich
Spanien
Deutschland
Der Autor
 
Uschi Agboka berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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