Zwei Schweizer in Mexiko

Reisezeit: Oktober 2007 - Juli 2009  |  von Reto Loretz

14. Bericht an die Sempacherwoche

Mañana

Mexiko hat einiges an Sehenswürdigkeiten, landschaftlichen Schönheiten oder Kulinarischem zu bieten. Dies sind alles Dinge, die man als Gast schnell kennen und schätzen lernt. Dabei bestehen die Kulturen eines Landes auch noch aus anderen Aspekten wie der Sprache, der Geschichte oder dem Zeitgefühl.
Doch an dieses Zeitgefühl muss man sich als Schweizer zuerst mal gewöhnen. Die Uhren ticken hier anders. Wer in der Schweiz zu einem Termin verabredet ist, erscheint meistens pünktlich zum Treffpunkt. Das heisst, wenn 20.00 Uhr gemeint ist, erscheint man plus, minus 5 Minuten genau. Auch hier sind die Leute pünktlich. Nur das dieser Bergriff unterschiedlich definiert wird. Wenn man um 20.00 Uhr an ein mexikanisches Fest eingeladen ist, sollte man frühestens um 21.00 Uhr dort sein. Auf keinen Fall um 20.00 Uhr! Das ist unhöflich, denn die Gastgeber könnten noch mit Vorbereitungen beschäftigt sein. Sie hätten somit keine Zeit für ihre Gäste.
Bei unseren ersten (zu) pünktlichen Erscheinungen an ein Fest, hatten die Gastgeber Verständnis, weil wir Ausländer sind und dieses mexikanische Zeitgefühl (noch) nicht kannten. In der Zwischenzeit haben wir uns daran gewöhnt, später (oder doch pünktlich?) zu kommen. Und es funktioniert sehr gut.
Das gleiche gilt natürlich auch umgekehrt. Wenn wir mexikanische Gäste erwarten, treffen sie (mexikanisch) pünktlich ein. Klar muss man beim Vorbereiten des Essens eine gewisse Flexibilität an den Tag legen. Auch hier haben wir uns mittlerweile daran gewöhnt.
Ähnlich sieht es im Arbeitsalltag aus. Ebenfalls werden hier die Termine flexibel eingehalten. Wenn man nachfragt, wie lange eine kleinere Arbeit oder Dienstleistung dauert, ist eine Häufige Antwort: "mañana", also "Morgen". Doch "Morgen" heisst nicht am nächsten Tag, sondern "später". Wie lange dieses "später" dauert, kann eigentlich niemand sagen. Mañana" kann "Morgen" sein, muss aber nicht. Man muss dann alle paar Tage nachfragen oder vorbeigehen, um zu sehen, wie der Stand der Dinge ist. Klar gibt es auch Leistungen, die pünktlich auf den vereinbarten Zeitpunkt erledigt werden. Zu ihnen gehört z.B. der öffentliche Verkehr. Dieser ist hier sehr gut ausgebaut. Zwischen den grösseren Städten verkehren Autobusse, nach denen man sich seine Uhr richten könnte.
Diese, in unseren Augen, Unpünktlichkeit hier in Mexiko hat auch seine positiven Seiten. Man hat auch dadurch mehr Zeit und die Uhr diktiert einem nicht immer den Tagesablauf. Wir haben hier in Mexiko sehr wenige Leute gesehen, die z.B. gestresst durch die Strassen gerannt sind; "mañana" ist auch noch ein Tag. Wenn man sich mit einer gewissen Gelassenheit auf das mexikanische Zeitgefühl einlässt, erlebt man das Leben hier in Zentralamerika intensiver.

© Reto Loretz, 2007
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Unsere Leben in Cuernavaca, Mexiko.
Details:
Aufbruch: Oktober 2007
Dauer: 21 Monate
Heimkehr: Juli 2009
Reiseziele: Mexiko
Guatemala
Der Autor
 
Reto Loretz berichtet seit 16 Jahren auf umdiewelt.