Reise durch Indien

Reisezeit: Juni 2022 - Januar 2023  |  von Beatrice Feldbauer

Elefantensafari

Es ist kurz nach Sonnenaufgang, als Rahul mich am Morgen abholt. Er hat sich etwas verspätet, denn auch er, genau wie ich steht morgens nicht gern früh auf. Das haben wir gestern bereits herausgefunden. Doch wir sind früh genug. Es sind nur knapp 50 Kilometer bis zum Pobitora Wildlife Sanctuary, wo ich für heute Morgen eine Safaritour gebucht habe. Es war ziemlich aufwändig, bis ich das Ticket endlich hatte. Schon vor zwei Tagen haben wir davon gesprochen, aber ich konnte per Internet niemanden erreichen. Auf meine Chatanfragen gab es keine Antworten. Dann hat gestern morgen Ramesch versucht anzurufen und konnte sogar mit jemandem sprechen, aber auch da kam keine Antwort mehr. Es brauchte wieder Rahul und eine Adresse, die ihm von einem Freund übermittelt wurde, bis ich gestern Abend endlich mein Ticket für die Safari buchen konnte. Ohne Ticket fahre ich nicht so früh los, wenn ich nie weiss, ob das klappen wird, hatte ich ihm erklärt. Aber irgendwie geht am Schluss alles. Jedenfalls sind wir jetzt unterwegs.

Rahul verwechselt sich zeitweise mit einem Rennfahrer. Es ist noch kaum jemand unterwegs und die Strecke ist leer. Hat aber auch wieder etliche dieser Schwellen die helfen sollen, die Autos abzubremsen. Nachdem er wieder einmal mit knapper Flughöhe über eine Schwelle gebrettert ist, frage ich ihn vorsichtig, ob das eigentlich sein Auto sei, das er da zu Schrott fahren wird. Ja, ist es, meint er und entschuldigt sich sogleich, er wollte mich nicht erschrecken.

Ob er schon einmal da war, will ich wissen, worauf er nickt, dann aber am Ziel doch nicht so genau weiss, wohin wir fahren müssen. Der Sammelplatz sei an einem anderen Ort, meint er als Entschuldigung. Bestimmt hat er schon lange niemanden mehr hierher gebracht.

Wir sind an einem kleinen Wasserlauf und ich überbrücke die Wartezeit mit fotografieren. Die Stimmung über dem Wasser, in dem sich die Sonne spiegelt, die inzwischen schon ziemlich hoch steht, ist ziemlich verträumt, denn noch immer liegt Dunst über der Landschaft.

Wir müssen noch mindestens eine Stunde warten und ich frage an der Kasse, ob es noch freie Plätze gäbe. Ja, man könnte noch buchen, meine ganze Aufregung der letzten beiden Tage war gar nicht notwendig. Die Preise für Inder sind bedeutend niedriger als für Ausländer und ausserdem sind die Preise beim Buchen vor Ort noch einmal günstiger als online.

Magst du mitkommen? frage ich Rahul. Er weiss nicht so genau, druckst etwas herum, wackelt mit dem Kopf. Sowas gibt es gar nicht, dass ein Tourist einen Fahrer zu einem bezahlten Ausflug einlädt. Doch bei mir kann es sowas schon mal geben, denn ich bin immer wieder überzeugt, dass die Leute die Sehenswürdigkeiten und Möglichkeiten ihres Landes selber auch kennen müssen. Also buche ich und seine Begeisterung hält sich noch immer in Grenzen. Wahrscheinlich ist es ihm irgendwie peinlich oder er weiss nicht, wie er damit umgehen muss. Am besten ganz normal. Wir trinken noch einen Tee am Imbisstand, während jetzt eine Gruppe Touristen mit ihrem Guide eintrifft

Es ist eine Safari mit Elefanten. Wenn wir Glück haben, werden wir Nashörnern begegnen. Ich hatte gelesen, dass man mit den Elefanten näher an die Tiere herankommen kann. Darum hatte ich mich trotz allen Bedenken für die Elefanten entschieden. Ich hatte aber gesehen, dass es nur zwei Touren am Morgen gibt. Die Elefanten werden also nicht den ganzen Tag mit Touristen unterwegs sein.

Die Alternative wäre eine Jeep-Tour gewesen, aber das habe ich an anderen Orten bereits gemacht.

Als sie kommen, die Elefanten, als sie aus dem Morgennebel langsam dahertrotten, bin ich allerdings schon sehr beeindruckt. So hoch sind diese Tiere. Hoffentlich falle ich da nicht herunter. Einen Moment wünsche ich mir die Jeeps zurück.

Einer nach dem anderen kommen die Elefanten an das hohe Gebäude, wo die Touristen absteigen. Ich sehe ihnen mit gemischten Gefühlen zu, erkenne aber, dass einige Leute in meinem Alter sind. Sie haben es ebenfalls geschafft. Ich werde das auch können. Es gibt dreisitzige Aufbauten und zweisitzige. Rahul und ich bekommen einen Elefanten für uns. Ganz vorsichtig steige ich auf, der Elefant steht sicher und unbeweglich. Vor uns sitzt der Elefantenführer.

Mit einem Stock dirigiert er das Tier sanft nach rechts oder links, oder er redet ihm zu. Ruhig bleiben, warten bis alle Touristen aufgestiegen sind. Anscheinend ist unser Tier das Leittier - oder ist der Elefantenführer der Chef der Gruppe? - jedenfalls gehen wir voraus.

Ich kann es fast nicht fassen, wir reiten auf einem riesigen Elefanten. Ich kann seinen Rücken unter mir fühlen. Ein unbeschreibliches Gefühl. Es braucht eine ganze Weile bis ich aufhöre, mich an dem eisernen Griff festzuklammern. Nur ganz langsam kann ich mich entspannen und anfangen, die Aussicht zu geniessen

Also erst mal ein Selfie machen. Und einen Blick nach hinten werfen. Rahul hat sich schneller gefasst. Er ist, wie schon im Auto jetzt wieder dauernd am Telefonieren. Gerne würde ich ihm sagen, dass sich das während einer Safari nicht gehört, dass er seine Blicke, seine Aufmerksamkeit dem hier und jetzt widmen soll. Die Videos der Umgebung kann er später noch verschicken. Doch wir sind allein auf dem Elefanten, stören niemanden und seine Freude muss irgendwo raus. Er muss sich jetzt wohl einfach irgendwie mitteilen. In seiner eigenen Spräche, mit seinen eigenen Freunden.

Ich lasse ihn gewähren, höre ihn manchmal von Switzerland und Safari reden. Würde ja gern wissen, was er seinen Freunden genau erzählt.

Wir gehen durch den Wald, als der Elefant plötzlich von einem Baum stehen bleibt, seinen Rüssel hebt und einen Zweig herunterholt. Steht er jetzt auf, werde ich rückwörts herunterfallen? Nein, er hat nur manierlich einen Ast geholt und hält ihn mit dem Rüssel fest, frisst die grünen Blätter weg und geht dann weiter.

Eine solche Elefantensafari ist so aufregend, ich habe die Nashörner längst vergessen. Erwarte eh nicht, dass wir wilden Nashörner begegnen werden. Mir genügen die paar Rehe, die jetzt zwischen den Bäumen auftauchen. Und die Kühe, die im Wald ebenfalls etwas zu fressen suchen.

Doch dann kommen wir aus dem Wald heraus in die Steppe mit dem hohen gelben Gras und da bewegt sich tatsächlich etwas am Waldrand. Es ist ein Nashorn. Und es ist nicht allein. Ein Junges ist bei ihm. Sie sind eben dabei, aufzustehen, haben vorhin noch im Gras gelegen. Bisher waren wir auf einem schmalen Pfad, doch jetzt weichen wir ab, gehen durch das Gras und kommen den beiden Tieren sehr nahe. Diese kümmern sich nicht um uns und um die anderen Elefanten, die hinter uns ebenfalls eingetroffen sind.

Ich werde ganz ruhig, während Rahul hinter mir die Szene direkt an seine Comunity übermittelt. Live Reportage. Das Junge sei gerade mal 6 Monate alt, erklärt mir der Elefantenführer, der leider kaum englisch spricht. Ich bin völlig begeistert, fange aber dann doch auch an, ein Video aufzunehmen.

Wir drehen um, gehen zurück in die Steppe und da bewegt sich doch tatsächlich schon wieder etwas zwischen den Halmen. Noch einmal ein Nashorn mit einem Jungen und später sehen wir noch weitere zwei. Mit weissen Vögeln auf dem Rücken. Ich habe inzwischen alle Zeit vergessen, bin nur noch begeistert. Habe auch alle Fragen vergessen, die ich stellen wollte. Sehe nur noch die weite Steppe und die Nashörner und mitten drin wir auf einem riesigen Elefanten.

Weil wir die vordersten der Gruppe sind, komme ich mir vor, als wären wir ganz allein unterwegs. Die anderen Touristen nehme ich überhaupt nicht mehr wahr.

Wir treffen noch eine Muttersau mit ihren kleinen Ferkeln und ganz weit hinten weidet eine Herde Wasserbüffel. Das sind die mit den spitzen runden Hörnern. Allerdings kann man sie nur sehen, wenn man weiss, was es ist, der Elefantenführer hat uns auf sie aufmerksam gemacht. Sie sind zu weit weg, als dass wir hingehen könnten.

Eine schwarze Muttersau mit drei kleinen Ferkeln kreuzt unseren Weg.

Eine schwarze Muttersau mit drei kleinen Ferkeln kreuzt unseren Weg.

Wir drehen jetzt um, gehen zurück durch den Wald, gehen zurück zum Ausgangspunkt.

Dabei kommt uns eine ganze Herde Kühe entgegen. Auch sie sind irgendwie wilde Tiere, denn sie sind frei und ungebunden und lassen sich von den grossen Elefanten überhaupt nicht einschüchtern.

Jetzt müssen erst Recht noch ein paar Fotos gemacht werden. Rahul besteht darauf, mich auf dem Elefanten aufzunehmen. Er ist bereits abgestiegen und bedient mein Handy.

Er hat inzwischen seine Telefonate eingestellt, es werden jetzt wohl alle seine Freunde wissen, wo er sich grad befindet, und mit wem. Wir fotografieren uns noch ein wenig gegenseitig, während die anderen Touristen mit ihrem Führer bereits wieder losgefahren sind.

Wir gehen hinüber zum Elefantenunterstand, wo den Elefanten jetzt die Sitzbänke abgenommen werden. Was machen die Tiere den ganzen Tag, will ich wissen. Sie sind frei, sie können sich auf dem gesamten Gelände frei bewegen. Einzig eine Fussfessel bleibt ihnen, damit sie nicht komplett weglaufen können, erklärt einer der jungen Elefantentreiber. Die Elefantensafaris werden nur am frühen Morgen durchgeführt, der Nachmittag ist frei.

Damit war meine Entscheidung eben doch richtig, dass wir mit den Elefanten gegangen sind. Wer weiss, ob man mit den Jeeps auch so viele Tiere gesehen hätte. Einzig zu den Wasserbüffeln hätte man vielleicht fahren können, sofern dahin eine Piste geführt hätte.

Der erste Elefant ist bereits auf dem Weg auf seinen Nachmittagsausflug.

Der erste Elefant ist bereits auf dem Weg auf seinen Nachmittagsausflug.

Wir verabschieden uns von den Elefanten und ihren Führern und fahren zurück in die Stadt. Diesmal fährt Rahul bedeutend langsamer. Es ist jetzt auch wieder viel mehr Verkehr unterwegs.

Siehst du die Senfpflanzen. Siehst du wie schön gelb sie blühen, magst du ein Foto machen. Ich staune, Rahul hat schnell gelernt, inzwischen sieht er sogar selber, wie schön diese Felder leuchten.

Später halten wir auch beim Fluss noch einmal an, spazieren hinunter auf die Sandbank. All das wird während der Monsumzeit überflutet sein, erzählt er und als wir weiterfahren und ich unten am Fluss grosse Pflanzungen und Gärten entdecke, meint er, dass auch diese Gegend komplett im Wasser stehen wird. Mitsamt den improvisierten Hütten. Während das Wasser sinkt, kann auf dem fruchtbaren Boden Gemüse gepflanzt werden. Sie muss gewaltig sein, die Flusslandschaft bei hohem Wasserstand. Ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen, denn das Ufer steigt nur ganz sanft an bis zum höchsten Stand, der mit einer kleinen Böschung markiert ist.

Zurück in der Stadt will ich auf den Markt, ich will mich bei den Seidensaris noch einmal umsehen. Nein, nicht zur Produktion, ich möchte ein paar Seidenläden besuchen. Irgendwie haben mich die wunderschönen Stoffe, die ich vor ein paar Tagen auf den Webstühlen gesehen habe, nicht mehr losgelassen.

Rahul besteht darauf, mich zu begleiten, was für mich sehr ungewöhnlich ist. Zwar bleibt er diskret im Hintergrund, versucht aber, mir zu helfen bei der Auswahl der richtigen Qualität.

Schade, dass die Verkäufer in den Seidenläden von Assam nicht mehr die gleiche Mentalität haben wie in Varanasi. Dort konnte man gar nicht mehr aufhören, vor mir Seidentücher, Schals und Saris auszubreiten, so dass am Schluss immer Berge von Stoffen liegen blieben. Hier muss ich zeigen, was für Farben ich gern hätte und erst dann bemüht man sich, mir den ganzen Stoff auszubreiten.

Ich entscheide mich aber trotzdem für zwei wunderschöne Saris, die ich nie tragen werde. Ich stelle mir schon vor, dass ich zuhause von einer Freundin eine Nähmaschine ausleihen muss, um davon Kissen zu machen. Seidenkissen. Eine ganze Produktion davon.

Wir bummeln noch ein wenig über den Markt, mein Bedarf an Shopping ist aber bereits wieder gedeckt. Ich kaufe dann allerdings doch noch ein paar schöne Schals, die zwar mit Paschmina angeschrieben, aber schon vom Preis her, höchstens aus Schafwolle gemacht sind. Sie sind aber trotzdem schön aber ich muss jetzt sofort wieder aufhören, sonst überkommt mich doch noch ein Kaufrausch, denn jetzt will mir jeder Verkäufer etwas anbieten.

Lächeln bitte...

Lächeln bitte...

Rahul will wissen, ob ich Fleisch esse. Rindfleisch? Ja natürlich, ich bin keine reine Vegetarierin. Er wüsste ein Restaurant, wo man Rindfleisch essen könne, ob ich Lust habe.

Ich stelle mir ein feines Rindssteak vor, doch was in dem Restaurant serviert ist, ist ein Sossenfleisch mit viel Speck. Durchzogen. Schmeckt zwar fein, hält aber meinen Vorstellungen nicht stand. War allerdings sehr gut gemeint.

Wir fahen zurück zum Hotel. Morgen wird mich Rahul zum Flugplatz fahren. Er war ein sehr guter Fahrer, genau das was ich immer überall suche. Jemanden, der mir etwas zeigen will, der etwas Englisch spricht und sympatisch ist. Sein Englisch ist übrigens in den letzten Tagen sehr viel besser geworden. Er ist jetzt sicherer, traut sich, etwas zu sagen und kann auch etwas schreiben.

Das sage ich ihm auch. Your englisch has improved in the last days. Er wird ganz verlegen und dann meint er: I will miss you.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Es geht wieder los. Vier Monate ist es her, seit ich von meiner Südamerikareise zurück gekommen bin. Sieben Monate war ich unterwegs. Und jetzt stehe ich vor einem neuen Start. Mein Traum ist das Taj Mahal. Mein Ziel heisst Indien.
Details:
Aufbruch: 01.06.2022
Dauer: 8 Monate
Heimkehr: 30.01.2023
Reiseziele: Vereinigte Arabische Emirate
Indien
Indonesien
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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