Reise durch Indien

Reisezeit: Juni 2022 - Januar 2023  |  von Beatrice Feldbauer

Tempeltour Chennai

Lounge und Pool im Hotel sind eigentlich immer verwaist. Auch das Restaurant da oben öffnet nur am Abend.

Lounge und Pool im Hotel sind eigentlich immer verwaist. Auch das Restaurant da oben öffnet nur am Abend.

Zum Frühstück hab ich heute versehentlich einen indischen Kaffee bekommen. Da er sehr heiss ist, wird er ein paarmal hin und her geschüttet, bis er Trinktemperatur hat.

Zum Frühstück hab ich heute versehentlich einen indischen Kaffee bekommen. Da er sehr heiss ist, wird er ein paarmal hin und her geschüttet, bis er Trinktemperatur hat.

Ich hab tatsächlich noch immer nichts gesehen von Chennai und bin doch bereits eine Woche hier. Dafür habe ich geschrieben und es inzwischen geschafft, die letzten Tage von Assam festzuhalten.

Gestern wollte ich dann endlich mal einen längeren Spaziergang machen und startete Richtung Innenstadt. Die ist allerdings gut 10 Kilometer entfernt und natürlich wollte ich gelegentlich ein Taxi rufen. Doch dazu kam es nicht, den ganz in der Nähe meines Hotels entdeckte ich einen Spa und so kam es, dass ich ein paar Stunden in der Manicure und Pedicure sass und danach zufrieden zurück zum Hotel ging.

Heute allerdings will ich nun endlich los und stelle mich vor das Hotel, warte bis ein Tuctuc anhält. Hier gibt es sie wieder, obwohl auch Chennai eine Millionenstadt ist und es 4-6 spurige Hauptstrassen gibt, die quer durch die Stadt führen.

Jayagaj, mein Chennai-Tuctuc-Fahrer

Jayagaj, mein Chennai-Tuctuc-Fahrer

Er heisst Jayagaj und spricht ein wenig Englisch. Gerade genug, dass er versteht, dass ich ein paar Tempel in der Stadt sehen möchte. Denn es soll hier wieder sehr viele Tempel geben. Wo in Indien eigentlich nicht?

Der erste Tempel, den er mir zeigt, ist der Ashtalakshmi Tempel. Schon an der Form kann ich erkennen, dass ich zurück im Süden bin. Es ist einer dieser typischen Turmaufbauten. Wo die farbigen Figuren pyramidenförmig übereinander stehen.

Vor dem Tempel werden Blumen verkauft. Auch da gibt es einen frappierenden Unterschied. Es sind nicht mehr die gelben und orangen Tagetes, die das Bild vor den Tempeln des Nordens prägen, hier sind es Rosen und sogar geschlossene Lotusblüten. Die hatte ich im Norden eher selten gesehen.

Die Opferkörbe

Die Opferkörbe

Die vielen Absperrgitter im Eingangsbereich weisen darauf hin, dass hier oft viel Betrieb ist. Heute kann ich einfach hinein spazieren. Die meisten Frauen tragen Jasminblüten in den Haaren und ich hab das Gefühl, dass diese hier viel intensiver duften als in den Tempeln und Blumenmärkten des Nordens.

Ich folge den Frauen, komme durch schmale Gänge, enge Treppen, die hinauf in den Tempelaufbau führen. Überall gibt es kleine Nischen, in denen eine Göttin steht. Die steinernen Statuen sind mit Tüchern bekleidet. Später finde ich heraus, dass es immer die gleiche Göttin ist, der hier gehuldigt wird. Es ist Ashtalakshmi, eine frühe Form der Göttin Lakshmi. Sie ist die Hüterin aller sieben Formen des Reichtums nämlich Nachkommenschaft, Erfolg, Wohlstand, Reichtum, Mut, Tapferkeit, Nahrung und Wissen. Vor jeder Statue huldigen die Besucherinnen, tippen sich an Stirn und Mund, legen eine Münze oder eine kleine Note in den bereitgestellten Teller und gehen dann weiter. Ruhig und schweigend, immer höher. Vor den Nischen steht oder sitzt jeweils ein bärtiger Mann mit nacktem Oberkörper und einem langem Tuch, das er um die Hüften gebunden hat. Ich bin nicht sicher ob ich fotografieren darf, halte mich daher bedeckt und werde nicht behelligt.

Jasminblüten im mit Kokosöl eingeölten Haar

Jasminblüten im mit Kokosöl eingeölten Haar

Auch wenn ich es nicht ergoogelt hätte, dass der Tempel einer Frau und Göttin gewidmet ist, wäre es mir auch so aufgefallen, denn es gibt am ganzen Gebäude kaum Männerfiguren. Überall ist es die Göttin mit den 4 Armen oder Tempeltänzerinnen, die rund um den Turm aufgereiht sind. Wobei ich beim genaueren Hinsehen dann doch noch ein paar Männer sehen, denn sie tragen nackte Oberkörper. Ihre wallenden Röcke haben mich wohl etwas irritiert.

Die wechselnden Kleider der zum Teil schwarzen Göttin aber erinnern mich an die Kleider der Madonna von Einsiedeln. (wichtigster Marien-Wallfahrtsort in der Schweiz) Die Madonna von Einsiedeln hat eine eindrückliche Garderobe mit perlenbestickten Kleidern aus aller Welt, die im Lauf des Kirchenjahres ausgewechselt werden.

Es geht immer rundum im Aufbau des Tempels. Immer höher durch schmale Durchgänge und hohe Stufen.

Es geht immer rundum im Aufbau des Tempels. Immer höher durch schmale Durchgänge und hohe Stufen.

Es ist ungewöhnlich, dass man im Tempelinneren hinauf auf den Turm steigen kann und ganz oben wieder an die Luft kommt. Hier hat man einen wunderbaren Ausblick auf den Strand, der sich direkt hinter dem Tempel ausbreitet. Von der grossen Terrasse kann ich Menschen sehen, die am Strand stehen. Nein, sie liegen nicht, sie stehen am Strand, zum Teil im Wasser aber alle sind angezogen.

Das muss ich mir genauer ansehen und als ich später zu Jayagaj zurück komme, bitte ich ihn, noch einen Moment auf mich zu warten, ich möchte mir den Strand ansehen. Ich merke, dass ihm das nicht behagt, aber er kann mir keine einleuchtende Erklärung geben. Erst später habe ich verstanden, warum er drängte, weiter zu fahren, schliesslich wollte ich noch mehr Tempel sehen.

Der Strand von Chennai. Eigentlich hatte ich erwartet, dass man hier badet, dass Leute auf Sonnenliegen unter Sonnenschirmen das tolle Wetter geniessen, aber es badet niemand. Es sind alle angezogen, aber sie scheinen das Wetter trotzdem zu geniessen. Es wird fotografiert und dass beim Gang in die Wellen auch mal ein Sari etwas nass wird, scheint nicht zu stören.

Was für ein Bild! Wieder einmal eine indische Situation, sie so komplett anders ist, als ich mir das vorgestellt habe.

Einzig der Verkaufsstand mit den Muscheln, könnte genauso in Spanien stehen. Dort an der Costa Blanca konnte ich anfangs auch gar nicht genug bekommen von den Muschelketten und Bastelarbeiten aus verschiedenen Muscheln.

Der nächste Tempel ist ganz in der Nähe. Es ist der Arupadai Veedu-Tempel. Es ist ein ganzer Tempelkomplex mit verschiedenen niedrigen Gebäuden. Also eine komplett andere Struktur. Geweiht ist er dem Lord Murugan und seinen sechs Häusern oder Zuständen. Ich habe es längst aufgegeben, auch nur irgendwelche Zusammenhänge bei den indischen Göttern zu finden, denn letzlich scheinen alle in verschiedenen Zuständen und Inkarnationen zusammen zu gehören.

Im Komplex entdecke ich aber immerhin Ganesha, den Elefantengott, der Beseitiger von Hindernissen und Glücksbringer. Und jetzt, als ich doch noch ein wenig über ihn ergoogle, entdecke ich, dass er ausserdem der Patron der Briefe und des Lernens während Schreibsitzungen sei. Ist vielleicht kein Zufall, dass ich jetzt, während ich am Schreiben bin, ausgerechnet über ihn etwas mehr lese, als über andere Götter.

Ganesha, nebst vielen anderen Funktionen auch Götterbote

Ganesha, nebst vielen anderen Funktionen auch Götterbote

MIr gefallen die farbigen Rosetten an den Decken und ich verliere mich etwas darin, sie zu fotografieren. Dazu muss ich genau unter der Mitte der Rosette stehen und die Kamera möglichst waagrecht halten.

Dabei übersehe ich völlig, dass der Tempel geschlossen wird. Die einzelnen Altarräume sind nicht zufällig mit Gittern verschlossen, sondern der Tempel wird über Mittag zugesperrt. Jetzt verstehe ich auch, warum mein Fahrer auf die Weiterfahrt drängte. Alle Tempel haben eine mehrstündige Siesta und öffnen erst wieder nach vier Uhr oder noch später.

Doch es gibt in Chennai nicht nur Tempel, es gibt hier auch grosse Kirchen. Eine steht ganz in der Nähe und vor dem Eingang des Komplexes steht eine Statue der Mutter Teresa von Kolkata. Sie habe ich in Kolkata irgendwie verpasst, dafür begegnet sie mir hier.

Es ist eine elegante weisse Kirche mit zwei schlanken hohen Türmen mit spitzem Dach und roten Kreuzen. Daneben steht eine goldene Säule, wie ich sie vorhin auch beim Tempel gesehen habe, mich aber mit dem Balkon fast ganz oben eher an ein Minarett erinnert. Doch an der Spitze thront auch hier ein Kreuz.

Neben der Kirche ist in einem offenen Pavillon eine grosse Krippe aufgebaut.

In der Kirche scheint es Vorbereitungen zu geben für ein Fest. Vielleicht eine Hochzeit? Jedenfalls stapeln sich auf einer der Kirchenbänke ganz viele Geschenke und der Altarraum ist über und über mit Blumen geschmückt. Etwas aufwändig für eine Hochzeit, aber in Indien bin ich auf alle Übertreibungen gefasst. Jedenfalls habe ich noch kaum je so üppigen Blumenschmuck gesehen.

Es ist weder ein Geburtstag, noch eine Hochzeit, die gefeiert wird, das heisst, eine Hochzeit könnte es vielleicht im weitesten Sinne vielleicht sein. Eine der Nonnen, die jetzt in die Kirche kommen, feiert heute ihr 50-jähriges Jubiläum. Goldene Hochzeit sozusagen. Wie jung muss sie wohl gewesen sein, als sie in die Gemeinschaft eingetreten ist? Schlecht scheint es ihr jedenfalls da nicht ergangen zu sein, denn sie schaut mit ihren über 70 Jahren noch sehr gut und rüstig aus.

Aus Lautsprechern erklingen beschwingte Melodien und es scheint, dass der Gottesdienst bald beginnen wird. Ich verziehe mich daher, kaufe noch zwei Kerzen, die ich an einem dafür vorgesehen Ort anzünde. Es gibt immer jemandem, dem man an einem solchen Ort gedenken kann.

Als ich mich allerdings von dem Tisch mit den Kerzen entferne und noch einmal zurück schaue, entdecke ich, dass die beiden Schwestern, die hier für Ordnung sorgen, alle Kerzen auslöschen und einsammeln. Sie haben ihre Bestimmung durch den Verkauf und das Anzünden erreicht. Dass sie ganz herunterbrennen sollten, war wohl nicht vorgesehen.

Sie feiert ihr 50-jähriges Nonnenjubiläum

Sie feiert ihr 50-jähriges Nonnenjubiläum

Noch einmal eine Krippendarstellung. Sie wird das ganze Jahr bleiben, ist in die Fassade der Kirche eingelassen.

Noch einmal eine Krippendarstellung. Sie wird das ganze Jahr bleiben, ist in die Fassade der Kirche eingelassen.

Der nächste Tempel, der ebenfalls ganz in der Nähe ist, ist bereits geschlossen. Mein Fahrer schickt mich durch den Hintereingang, der noch offen steht, aber ich werde von einem Tempelhüter gleich wieder hinaus spediert. Ist besser, als wenn er mich darin eingeschlossen hätte. Ich sehe mich noch kurz um, versuche ein paar Eindrücke von den farbigen Figuren und Ornamenten zu erhaschen und lasse mich dann zurück fahren. Auf dem Rückweg kaufe ich mir noch ein paar Bananen als Imbiss ein.

Den Nachmittag verbringe ich in meinem kühlen Zimmer mit Schreiben und Lesen. Am Abend gehe ich hinauf zum Roof-Top-Restaurant und geniesse einen feinen Chicken-Spiess mit Grill-Gemüse und ein Glas Weisswein.

In diesem 5-Stern-Hotel gibt es Alkohol, auch wenn ich offensichtich die einzige bin, die ein Glas Wein zum Essen trinkt.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Es geht wieder los. Vier Monate ist es her, seit ich von meiner Südamerikareise zurück gekommen bin. Sieben Monate war ich unterwegs. Und jetzt stehe ich vor einem neuen Start. Mein Traum ist das Taj Mahal. Mein Ziel heisst Indien.
Details:
Aufbruch: 01.06.2022
Dauer: 8 Monate
Heimkehr: 30.01.2023
Reiseziele: Vereinigte Arabische Emirate
Indien
Indonesien
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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