Reise durch Indien

Reisezeit: Juni 2022 - Januar 2023  |  von Beatrice Feldbauer

Weihnachten

Es ist Zeit, weiter zu gehen. Den Schirm habe ich im Tempelmuseum vor zwei Tagen gefunden. Gerade eben recht um den nächsten Wechsel anzukündigen.

Es gilt Abschied zu nehmen. Reena ist beim Frühstück da, meint, dass ich fast schon eine Freundin des Hauses sei und nächstes Mal direkt im Haus übernachten könnte. Mir ist allerdings mein Adlerhorst oben im 4. Stockwerk ganz recht. Ich brauche nicht allzu viel persönlichen Anschluss, bin wohler, wenn ich meine Privatspäre behalten kann. Das sage ich ihr natürlich nicht.

Sie schenkt mir einen Gamosa-Schal. Das ist ein weisses Baumwolltuch mit roter Bordüre, der wie ich später ergoogle, in Assam zu allen offiziellen Anlässen verschenkt wird. Früher wurde er in den Bergen von Assam als Kopfbedeckung von den Männern getragen, heute ist er ein unverzichtbares Accesoire für alle Gelegenheiten. Als Halstuch, um sich das Gesicht abzuwischen oder einfach als Schmuck. Ich habe es in den letzten Tagen oft gesehen, auch der Elefantenführer hat eines getragen. Vorgestern beim Tempel habe ich instinktiv selber eines gekauft ohne mich über die besondere Bedeutung bewusst zu sein. Dass ich jetzt noch eines geschenkt bekomme, freut mich besonders, denn es ist eine Respektsbezeugung und Ehre, einen Gamosa geschenkt zu bekommen (Google)

Rahul kommt zur Zeit und lädt meinen Koffer in den Kofferraum. Bevor wir losfahren dreht er sich um, er scheint etwas nervös zu sein. Ich hab da noch was für dich, sagt er und gibt mir etwas in einen Plastiksack verpackt. Dann startet er den Motor, wir fahren los.

Ich bin völlig überrumpelt, habe noch nie von einem Taxifahrer ein Geschenk bekommen und packe das Tuch aus. Es ist eine Gamosa. Noch eine. Zwar etwas einfacher, aber es rührt mich. Er meint es wirklich ernst, wenn er sagt: I will miss you. Und ich weiss, das bezieht sich nicht nur darauf, dass ich seine Fahrten immer gut bezahlt habe, dass er jetzt ein paar gute Tage hatte. Ganz unerwartet für ihn, wie auch für mich. Nach den Erfahrungen mit den Taxifahrern in Kolkata habe ich ihn erst recht geschätzt. Wir hatten einfach eine gute Zeit zusammen, er hat mich mit seiner jugendlichen Unbekümmertheit amüsiert, er hat von mir gelernt, seine eigene Umgebung besser zu beachten.

Eine Gamosa zu bekommen mag nichts grosses zu sein, aber die Symbolik dahinter rührt mich echt.

Gamosa, das traditionelle Geschenk in Assam

Gamosa, das traditionelle Geschenk in Assam

ein sehr opulenter Christbaum im Flughafen von Guwahati

ein sehr opulenter Christbaum im Flughafen von Guwahati

Am Flughafen geht dann alles ganz schnell, ein kurzes Good bye, und wann kommst du wieder? die immer gleiche Frage, die ich immer gleich beantworte: wer weiss schon was die Zukunft bringt?

Dann checke ich ein und bin selber überrascht, wie toll ich das diesmal mit dem Gewicht des Koffers hinbekommen habe. Er wiegt gut 15 Kg. Dafür ist der Rucksack inzwischen wieder 10 Kilogramm schwer, aber das will niemand kontrollieren Und ausserdem trage ich meine Jacke über den Arm, und die wärmsten Kleidungsstücke, die ich erst wieder in der Schweiz bei der Ankunft tragen wollte, am Körper. Am Schluss kommt doch immer alles mit, es wird nur irgendwie anders verteilt. Mene zusätzlichen Einkäufe sind also wieder irgendwo untergebracht, ohne dass ich auf etwas von den inzwischen reduzierten persönlichen Gegenstände verzichten muss.

Ich vertreibe mir die Wartezeit mit einem Computerspiel und dann geht es in die Luft. Zwei Stunden, knapp 3000 km in den Süden. Nach Chennai an der Ostküste des Landes. Chennai hiess früher Madras, das ist ein vertrauter Begriff, den ich von der Currysauce kenne. Mehr weiss ich nicht von der Stadt, und im Moment will ich auch gar nicht mehr wissen, denn ich bin etwas ausgelaugt und ausserdem will ich unbedingt an meinem Blog weiter schreiben.

Ankunft in Chennai mit einem Willkommen von Durga, der weiblichen unabhängigen Hindu-Göttin die auch als wilde Kali auftritt.

Ankunft in Chennai mit einem Willkommen von Durga, der weiblichen unabhängigen Hindu-Göttin die auch als wilde Kali auftritt.

Ich habe daher ein richtig gutes Hotel ausgesucht. Ein 5-Stern-Haus, das mit einem interessanten Preis aufwartet. Natürlich hatte ich mit extra-hohen Preisen gerechnet, da Weihnachten in diese Tage fällt, aber weil Weihnchten in Indien einfach eines der religiösen Feste ist, fällt es überhaupt nicht ins Gewicht, eher im Gegenteil.

Ich werde mich also in den nächsten Tagen zurückziehen. Das Hotel ist ideal dazu. Es gibt einen Pool auf dem Dach, der zwar nicht benutzt wird, denn das Wetter ist nicht so toll, der Himmel trotz gut 25 Grad immer bedeckt. Dafür gibt es drei verschiedene Restaurants, das exklusive auf dem Roof Top, in dem ich am Weihnachtstag ein Tenderloin-Steak gegessen habe. Irgendwie mit schlechtem Gewissen, denn mit der Zeit bekommt das mit den heiligen Kühen auch für mich eine Bedeutung. Es war aber trotzdem sehr fein.

Mein Weihnachtsmenu am zweiten Weihnachtstag

Mein Weihnachtsmenu am zweiten Weihnachtstag

Am 24. Dezember ging ich in die Bar im 3. Stock und war völlig verblüfft, als ich ganz allein da sass. Einzig ein Südamerikaner kam noch dazu, trank seinen Whisky und erzählte, dass er nach vielen Jahren jetzt in Indien sei, um seine Spuren zu suchen, denn er ist ein gebürtiger Inder, der vor über 20 Jahren das letzte mal im Land war, als er seine Grossmutter in ihr Heimatdorf begleitete.

Er wird dann bald von seiner Frau zum Essen abgeholt und ich telefoniere eine Weile mit meiner Schwester. Was würden wir nur ohne diese ganzen technischen Möglichkeiten machen, die uns die Kommunikation über alle Grenzen und Distanzen zulassen, als ob man im nächsten Haus wäre.

Danach ging ich hinüber ins A-la-Carte-Restaurant, wo ich mir Frühlingsrollen und ein feines Thai-Chicken-Curry mit einem Glas Rotwein servieren liess.

Mein Weihnachtsmenu

Mein Weihnachtsmenu

Inzwischen habe ich das Buffet im grossen Restaurant in der Lobby entdeckt. Dort gibt es zum Frühstück was das Herz begehrt, inklusive Müesli, Gipfeli und Toast mit Confitüre. Allerdings bediene ich mich sehr gern bei den indischen Speisen. Es gibt wieder Idli, diese gedämpften leichten Küchlein und verschiedene Gemüse-Masalas..

Das Früchteangebot

Das Früchteangebot

Frühstück mit Idli und grünen Erbsen/Mais-Curry

Frühstück mit Idli und grünen Erbsen/Mais-Curry

Abend-Vorspeisen

Abend-Vorspeisen

Vorspeisen

Vorspeisen

Hauptgang

Hauptgang

und Dessert

und Dessert

Ich bleibe also tatsächlich die ganze Woche im Haus, lasse mir gelegentlich den Wind auf dem Dach um die Ohren wehen, mache einen kurzen Spaziergang am Abend um das Hotel und lasse im Übrigen Indien beiseite.

Langsam allerdings habe ich meinen Blog aufgeholt und werde mich noch ein wenig um Chennai kümmern, um wenigstens zu wissen, was die Stadt zu bieten hat. Tatsächlich befinde ich mich in der Endphase meiner Reise. Bereits fange ich an, zurück zu schauen. Zu resumieren, wieviel ich gesehen, wieviele tolle Menschen ich in den letzten Monaten kennen gelernt habe. Mit einigen bin ich noch jetzt in Kontakt. Ein gelegentliches How are you erreicht mich manchmal am Morgen. Ein paar likes im Facebook, einige wenige sehen sich sogar meine Blogbeiträge an. Wenigstens die Fotos.

In einem Monat werde ich zurück in der Schweiz sein. , aber die Nachbearbeitung aller meiner Abenteuer wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen, denn ich liebe es, hinterher zu googeln, zu erkennen, was ich gesehen, was ich vielleicht richtig erkannt, oder komplett falsch verstanden habe. Dass ich fast nichts im voraus plane oder abkläre hat bei mir System. Ich möchte nicht vorher schon wissen, was ich sehen werde, was mich erwartet. Die Überraschung und meine eigenen Reaktionen sind für mich die Essenz meines Reisens.

Dass ich bei dieser Art des Entdeckens manchmal wesentliche Orte verpasse, gehört eben einfach dazu und ich empfinde es nicht als Verlust. Aber all die unerwarteten persönlichen Erlebnisse und Begegnungen sind der Gewinn meines Systems.

Du bist hier : Startseite Asien Indien Weihnachten
Die Reise
 
Worum geht's?:
Es geht wieder los. Vier Monate ist es her, seit ich von meiner Südamerikareise zurück gekommen bin. Sieben Monate war ich unterwegs. Und jetzt stehe ich vor einem neuen Start. Mein Traum ist das Taj Mahal. Mein Ziel heisst Indien.
Details:
Aufbruch: 01.06.2022
Dauer: 8 Monate
Heimkehr: 30.01.2023
Reiseziele: Vereinigte Arabische Emirate
Indien
Indonesien
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
Bild des Autors