2022 Mit einem Geländewagen durch Tunesien

Reisezeit: April - Juni 2022  |  von Michael Bünte

Sahara: nach Ksar Ghilane

Wir erreichen Douz, ergänzen unsere Vorräte und holen auch für die Iveco-Familie die bestellten Nahrungsmittel. Hier im Schutz der Gebäude bringen wir auch den Luftdruck in den Reifen wieder auf einen straßentauglichen Wert und lassen unsere Dieseltanks füllen. 18 Liter auf 100 Kilometer bei 70% Dünenfahrt. Ein Schnäpperle - ich hatte mit 25 Litern gerechnet.

wie im Märchen aus “1001 Nacht“

Zwei Stunden später rollen wir in die Oase “Ksar Ghilane“ ein. Kurz zuvor wurden wir von einer Horde von Ralleyfahrzeugen mit italienischen Kennzeichen überholt. Vor dem Ort sehen wir schon die Ansammlung der Ralleyteilnehmer, die sich in der unwirtlichen Dünenwelt mit ihren hochmotorisierten Krachmaschinen austoben - Männerspielzeuge in allen Variationen. Auch das Fahrzeug des letzten Gewinners der Paris-Dakar-Ralley hat Gerhard erkannt. Wir sind heilfroh, dass sich die Ralleyteilnehmer außerhalb der Oase in einem eigenen Camp installiert haben.

Jetzt sitzen wir, und das ist wirklich kaum zu glauben, mitten in der Wüste bis zum Hals in einem Teich mit kristallklarem, grünblauem Wasser. An unseren Füßen spüren wir, wie es mit einer Temperatur von 32 Grad aus der Quelle in den Pool strömt. Über uns sehen wir die Palmenwedel, deren Konturen sich gegen den fahlen Wüstenhimmel abzeichnen. Wir befinden uns in einem Märchen aus 1001 Nacht.

im Quellpool von Ksar Ghilane

im Quellpool von Ksar Ghilane

„Genieße den Augenblick und sei Dir dessen bewusst, was Du gerade erfahren darfst. Denn dieser Moment kann kurze Zeit später wieder vorüber sein . . .“
Eine Horde italienischer Männer verschiedenen Alters springt grölend in den Pool. Einer lauter als der andere, versucht mit rhythmischen Rufen und Gesängen weitere Ralleyfahrer ins Wasser zu locken. Keiner von ihnen hat einen Blick auf die Einzigartigkeit um sie herum. Aber sie haben viel Spaß. Wir treiben noch lange im warmen Wasser. Schließlich müssen wir die seit vier Tagen ausgefallenen Duschen nachholen. Wir bleiben so lange, bis der Pool sich wieder geleert, das Wasser sich wieder beruhigt hat, und die Palmen sich wieder in der kristallenen Oberfläche spiegeln. Dann verlassen auch wir diesen verwunschenen Ort, denn für um sieben Uhr haben wir uns heute Abend zu einem Couscous-Essen in Ibrahims kleinem Restaurant angemeldet. Ibrahim lernten wir übrigens in seinem Shop an der Hauptstraße dieser Oasenstadt kennen.

Couscous auf tunesisch

Couscous auf tunesisch

ein neuer Tag in Ksar Ghilane

Heute ruft kein Muezzin um halb 5 seine religiösen Weisen. Heute besorgen das die Tauben, die in Heerscharen in den riesigen Tamarisken leben, unter denen wir unser Camp aufgeschlagen haben. Es ist ein permanentes Gurren, das bis durch die Ohrenstopfen dringt und das die Nacht noch vor Sonnenaufgang für beendet erklärt.

Einfahrt zum Camp "Oasis" in Ksar Ghilane

Einfahrt zum Camp "Oasis" in Ksar Ghilane

Unser Camp im Schatten riesigen Tamarisken

Unser Camp im Schatten riesigen Tamarisken

Endlich angekommen in dieser lange ersehnten Idylle, wollen wir nicht gleich wieder losfahren, sondern diesen Ort noch einen Tag länger auf uns wirken lassen. Ein Tag Fahrpause tut uns bestimmt ganz gut.

Vier Kilometer von Ksar Ghilane entfernt gibt es die Ruine eines römischen Grenzpostens zu besichtigen. Die wollen wir uns heute ansehen. Und dann haben wir ja hier auch noch diesen wunderbaren Quellpool, den wir mit vielleicht nicht allzu vielen Mitbadenden nutzen wollen. Obendrein bekommt man in einem der Restaurants sogar im Ramadan Dosenbier zu kaufen, und in den Shops hier im Ort sind wir auch noch gar nicht gewesen.
Soweit unser Plan für heute.

drei auf Touristen wartende Kamele

drei auf Touristen wartende Kamele

hunderte auf Touristen wartende Quads

hunderte auf Touristen wartende Quads

durch das schwarze Fenster links vorne wird frisch gebackenes Brot verkauft

durch das schwarze Fenster links vorne wird frisch gebackenes Brot verkauft

In einer Backstube erstehe ich heute Morgen drei noch warme Brotfladen für je einen Dinar, so dass der Tag schon mit einem guten Frühstück beginnt. Im roten Iveco, der auch wieder neben uns steht, regt es sich. Robert und seine Familie haben gestern den kurzen Weg durch die Dünen auch nicht mehr gefunden und sind, während wir in Douz einkaufen waren, auf der Asphaltstraße an uns vorbeigerauscht. Sie waren gestern eine halbe Stunde vor uns auf diesem Platz angekommen.

Ibrahim vor seinem Laden

Ibrahim vor seinem Laden

Dekorationen in Ibrahims Laden

Dekorationen in Ibrahims Laden

eine frisch eingekleidete Mädelsgruppe

eine frisch eingekleidete Mädelsgruppe

moderne Transportmittel

moderne Transportmittel

zum römischen Grenzposten

Wir fahren zu den Ruinen des römischen Grenzpostens. Für die vier Kilometer dorthin wollen wir aber nur mit einem der Fahrzeuge fahren.
Gabi setzt sich in den hinteren Raum von Gerhards Toyota und muss sich gut festhalten. Eine ausgefahrene Piste gibt es nicht. Gerhard sucht sich einen Weg durch die Dünenwelt und wieder geht es auf und ab über Sandberge. Dieses Mal betrachte ich die Fahrt als Beifahrer. Gerhard ist mit Rücksicht auf der hinten sitzenden Gabi besonders vorsichtig, nimmt an einem der Sandhügel etwas zu wenig Schwung, und schon sitzen wir fest. Die Räder graben sich tiefer und tiefer in den Sand. Auch die eingelegten Differetialsperren nutzen nichts mehr. Und wir sind alleine. Hier ist weit und breit kein anderes Fahrzeug in Sichtweite.
„Sandbleche?“, meine bescheidene Frage.
„Wir können es ja versuchen“, Gerhards Antwort.
Wir schrauben die beiden Alubleche von ihren Halterungen, graben den Sand vor den Rädern weg, so dass wir die Sandbleche so tief wie möglich unter die Räder schieben können. Ein kurzer Ruck, die groben Reifenprofile greifen, und der Wagen ist auf den Blechen, bekommt dann genügend Schwung wieder festen Untergrund zu fassen, und wir sind wieder draußen.
Das war also unsere heutige Schulungseinheit “Verwenden der Sandbleche“.

In einiger Entfernung sehen wir dann zwei Fahrzeuge in den Dünen stehen. Es ist ein uns gut bekannter roter Iveco und der weiße Bremach des Berliner Ehepaares vom Campingplatz. Der Bremach, ein kleiner bulliger LKW mit aufgesetzter Wohnkabine, hat sich in den Dünen festgefahren. Wir schließen auf und dürfen mitbekommen, wie der Iveco den kleinen LKW, bei dem die Winde nicht mehr funktioniert und auch die Differentialsperre verreckt ist, aus den Sand zieht.
Gemeinsam fahren wir zu den nicht einmal mehr 500 Meter entfernten alten Mauern aus der Römerzeit und wandern auf ihnen im gleißenden Sonnenlicht herum.

auf der Fahrt zu den Ruinen des römischen Grenzpostens

auf der Fahrt zu den Ruinen des römischen Grenzpostens

die Reste der römischen Gebäude

die Reste der römischen Gebäude

das Eingangsportal zur Festung

das Eingangsportal zur Festung

zurück in Ksar Ghilane

Wieder zurück in Ksar Ghilane möchte die dresdener Familie aus dem Iveco mit den beiden Kindern noch einmal in den Pool springen. Volker, der Fahrer des Bremach, spendiert uns als Dank für die Befreiungsaktion ein kühles Bier aus dem Restaurant. Und so kommt es, dass das von uns seit Tagen aus Jux gemalte Bild “in der hellen Wüstensonne mit einem kühlen Bier in der Hand bis zum Hals im warmen Wasser zu sitzen“ wahr wird.

Nachdem Robert sich dann noch unter den Bremach gelegt und das klemmende Differential ausgebaut hat, damit der kleine LKW überhaupt wieder weiter fahren kann, trennen sich nun endgültig unsere Wege und wir verabschieden uns ein erneutes Mal ganz herzlich voneinander.

Wir bleiben wie geplant den Tag über hier in der Oase, springen in den Pool, waschen Wäsche, plaudern mit den Verkäufern in den Shops und sitzen bis in die Nacht bei gesponnenen Geschichten und erlebten Erfahrungen zusammen. Als dann die Kälte uns den Rücken empor kriecht freuen wir uns auf unser kuscheliges Bett.

nachts am warmen Quellpool von Ksar Ghilane

nachts am warmen Quellpool von Ksar Ghilane

© Michael Bünte, 2022
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Wir starten in Hamburg und reisen mit einem Toyota HZJ78 über Neapel nach Tunesien. Dieses ist der Bericht unserer zehnwöchigen Reise.
Details:
Aufbruch: 06.04.2022
Dauer: 10 Wochen
Heimkehr: 17.06.2022
Reiseziele: Tunesien
Der Autor
 
Michael Bünte berichtet seit 26 Monaten auf umdiewelt.
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