2022 Mit einem Geländewagen durch Tunesien
Das Cap Bon: antiker Steinbruch
Vor uns liegen die Felsen, aus denen vor etwa 3000 Jahren die Steine zum Bau der Stadt Karthago entnommen und auf Schiffe geladen wurden. Die Küste besteht aus kargem, sandfarbenem Felsgestein. Kein Geröll, keine Steinanhäufungen, nur harte, von den Winden in scharfen, ziselierten Konturen ausgeschliffene Steinformationen, als wenn Bildhauer hier über Jahrtausende ihre Lebenswerke hinterlassen hätten.
Dort am Ende des recht neu angelegtem Parkplatzes steht ein Kassenhäuschen aus den Steinen dieser Gegend mit Drehkreuz, bereit, Heerscharen von zahlenden Touristen in die Steinbrüche gelangen zu lassen. Über dem Eingang hängt ein rotes Schild in französischer und arabischer Sprache: „Aus Sicherheitsgründen ist diese Anlage vorübergehend geschlossen worden. Der Eintritt ist verboten“
Wir stehen da etwas ratlos, ein älterer Mann mit zerfurchtem Gesicht kommt auf uns zu: „Wollt Ihr in die Steinbrüche? Ich zeige Euch den Weg“
Klarer Fall. Dieser Herr gibt sich als Guide (Fremdenführer) aus und will hinterher abkassieren.
„Wenn Ihr in den Steinbruch wollt, muss ich Euch führen. Ich kenne die sicheren Höhlen, in die ich Euch hineinlassen kann“
„Und das rote Schild dort?“
„Das hängt da seit zehn Jahren, weil man kein Geld hat, die gefährlichen Stellen im Steinbruch abzusichern. Seitdem machen wir hier die Arbeit und führen die Touristen durch die Steinbrüche.“
Wir sehen uns an und lassen uns für dieses Mal darauf ein. Schließlich sind wir gerade 100 km hierher gefahren, um die Steinbrüche zu sehen. Und jetzt wollen wir, weil wir unseren Prinzipien auf Biegen und Brechen gerecht werden wollen, es daran scheitern lassen? Quatsch, gehen wir also mit.
„Was wollen Sie denn für die Führung haben?“
„Gar nichts, Ihr braucht mir nichts zu geben, wenn Ihr nicht wollt.“
„Na, er wird schon etwas haben wollen,“ denke ich bei mir, „und wir werden uns nicht mit einem schlechten Gewissen verabschieden wollen.“
Ohne feste Preisabsprache folgen wir also unserem Guide einen schmalen Pfad am Häuschen vorbei, über ein Felsplateau zu einem Maschendrahtverhau vor einer hohen Höhle. An der Seite ist ein schmaler Eingang zum Durchschlüpfen in den Draht geschnitten worden und unversehens stehen wir in den punischen Steinbrüchen.
Unser Guide ist gut informiert und erzählt am laufenden Meter in deutscher Sprache. Es geht in die Tiefe durch in Stein gehauenen Hallen, die jeweils eine rechteckige, mit Baudrahtgittern belegte Öffnung ins Freie haben.
„Hier haben die Sklaven so lange gearbeitet, bis sie tot umgefallen sind. Dann wurden sie einfach ersetzt.“
„Die Steinblöcke wurden unter Tage gehauen und über die Öffnungen nach oben befördert.“
„Dort oben an der Kante, die weiß blühende Pflanze, das sind Kapern.“
„Hier in der nächsten Höhle kommen wir zu einem Stein, der aussieht, wie ein Kamel.“ Und tatsächlich hockt dort im Gegensonnenlicht ein übergroßes Dromedar und blickt ins Licht hinaus.
Es scheint uns so, als würde unser Guide uns durch die Anlage drängen, als hätte wir nicht die Zeit, die wir uns selbst nehmen würden.
Schließlich stehen wir wieder im Sonnenlicht, bekommen noch einen Fels in Form eines Löwenkopfes am Meer gezeigt und dann einen fragenden Blick.
„Habt Ihr noch ein Geschenk für mich und meine Familie?“
„Aha, jetzt will er Geld sehen“, haben wir verstanden.
Wir geben ihm zehn Dinare, was aber offensichtlich noch nicht reicht, denn er meint, dass der offizielle Eintritt ja auch 8 Dinare pro Person gekostet hätte. Nachdem wir uns bei 15 Dinaren geeinigt haben, ist unser Guide zufrieden und kurz danach wie vom Erdboden verschwunden. Jetzt sind wir unter uns. Wir gehen den ganzen Weg durch die Höhlen zurück, um in Ruhe und mit uns die punischen Steinbrüche auf uns wirken zu lassen. Als wir das zweite Mal den Rundweg beenden, sehen wir schon einen anderen Guide mit seinen Kunden durch das Loch im Maschendrahtzaun schlüpfen. Offensichtlich sitzt hier eine ganze Gruppe von diesen Führern zusammen, die nach Schließung der offiziellen Anlage das Geschäft mit den ankommenden Gästen übernommen haben und es unter sich aufteilen. Hier bekommt jeder genau mit, ob man auch ordentlich seinen Eintritt bezahlt hat. Um sechs Uhr beobachten wir, wie die ganze Bande der Führer dann, eingezwängt in einem kleinen Geländewagen, zu ihren Familien zurückfährt, wahrscheinlich um ihre “Geschenke“ des Tages zu Hause abzuliefern.
Aufbruch: | 06.04.2022 |
Dauer: | 10 Wochen |
Heimkehr: | 17.06.2022 |
Ich habe alle Berichte von eurer Reise verschlungen!
Liebe Grüße an euch!