2022 Mit einem Geländewagen durch Tunesien

Reisezeit: April - Juni 2022  |  von Michael Bünte

Anreise: nach Salerno

Tag 3

Wieder begrüßt uns ein sonniger Tag. Der kleine Parkplatz an einer Recycling-Station etwas außerhalb der Ortschaft Luino am Lago Maggiore war ruhig. Neben dem Platz fließt ein munteres Bergbächlein vorbei, an dem man sich prima waschen kann. Das Wasser ist schweinekalt - klar! Die Polizei machte heute morgen ihre Runde über den Parkplatz. Doch es gab weder Fragen noch Vorwürfe über unsere Übernachtung hier. Alles ist friedlich. Wir packen unsere sieben Sachen zusammen und fahren, jetzt bei Tageslicht, weiter den Lago Maggiore entlang.
Herrlich, die Ausblicke auf die Berge hinter dem grünblauen Seewasser. Alte Gebäude, die auf Felsspitzen sitzen, weiß blühende Bäume, die ersten Palmen an den Straßenrändern. Wir sind im Süden angekommen.
Hier in Italien können wir wieder mit Euros bezahlen. In einer kleinen “Panificio“ holen wir uns ein italienisches Weißbrot und dazu hauchdünn geschnittenen Parmaschinken. Das soll unser Frühstück werden!
Wir sind wieder auf Achse. Die Thermoskanne voll mit kochendem Wasser, aus dem ein Kaffee aufgegossen werden kann, das frisch gekaufte Brot, Butter aus unseren Vorräten und der duftende Schinken. Bei meiner Copilotin auf dem Schoß entstehen kleine Häppchen, die mir hin und wieder während der Fahrt in den Mund geschoben werden. Dazu frisch aufgebrühter Kaffee auf der Mittelkonsole. So lässt es sich leben.
Unter uns rollt die Straße hinweg. Immer weiter und weiter und weiter in Richtung Süden.
In der Nähe der Stadt Varese erreichen wir die italienische Autobahn. Die Autobahngebühr wird von Zeit zu Zeit bei den Mautstationen entrichtet. Unsere Girokarte wird nicht akzeptiert. Also sammeln wir unser Kleingeld zusammen, um den gierigen Automaten die Münzen möglichst passend in den aufgeklappten Rachen zu werfen. Ein schrilles “Arrividerci“ quakt uns aus dem Automaten entgegen, als der Schlagbaum sich öffnet.

Jetzt können wir wieder gut Strecke machen. Wir lassen die Berge hinter uns. Die Po-Ebene breitet sich vor uns aus. Eine endlose flache Weite, durchsetzt von Alleebäumen der schnurgeraden Zufahrten einzelner Bauernhöfe. Ansonsten Felder, Brachflächen und Ödland. Ein manchmal sehr breiter Fluss zeigt sich schimmernd im gleißenden Gegenlicht. Das Wasser schlängelt sich durch Geröllfelder, die von Schilfinseln durchsetzt sind. Lange Brücken über jetzt trockenes Land zeigen uns, dass hier manchmal viel Wasser seinen Weg zum Meer sucht. Jetzt im Frühjahr hätten wir erwartet, dass die Flüsse voller wären.
Spät in der Nacht erreichen wir unseren Platz für diese Nacht. Die App zeigte uns in Montalto, etwa 120 km vor Rom, einen Wohnmobilplatz für 4,50 Euro pro Nacht an. Die Navigation führt uns in ein Wohngebiet mit Ferienhäusern, deren Fensterverschläge zu dieser Jahreszeit alle verschlossen sind. Jetzt im April ist hier noch der Hund begraben.
An der als Womo-Parkplatz beschilderte Wiese sind wir im Dunklen erst einmal vorbeigefahren. “. . . Sie haben ihr Ziel erreicht“ - wie, was, wo denn?
Erst zu Fuß erkennen wir die halbmeter hohe Wildgrasfläche als das, was es eigentlich sein sollte: der von uns gesuchte Stellplatz.
Mit dem Geländewagen haben wir keine Bedenken, ein Stück in die grüne Vielfalt zu fahren. Ein überbordender Mülleimer ist der einzige Hinweis darauf, dass hier zu dieser Zeit überhaupt mal jemand vorbei kommt.
„Wer packt auch hier noch seinen Müll in die Tonne? Die wird doch Monate lang nicht geleert“, sind wir der Ansicht. Ungestört gönnen wir uns noch ein Glas Wein und krabbeln dann in unser Zeltdach.

Wohnmobilstellplatz: “. . . Sie haben ihr Ziel erreicht“

Wohnmobilstellplatz: “. . . Sie haben ihr Ziel erreicht“

Nachtleben.

Nachtleben.

Tag 4

Am Morgen des vierten Reisetages werden wir von der Brandung, kläffenden Kleinsthunden und dem Müllauto geweckt, das tatsächlich die Hinterlassenschaften der Zivilisation einsammelt und mitnimmt.
Zusammenpacken, und ab in das kleine Dorf Montalto di castro mit der riesigen Burg, die die geduckten Häuserzeilen um ein Vielfaches überragt.
Das Leben hat hier schon angefangen. Wir suchen eine Bäckerei, um uns einen Kaffee und etwas zu Beißen zu besorgen. Da es hier so etwas jedoch nicht gibt, entscheiden wir uns für eine Bar, in der das Leben tobt.
Wir bekommen unsere Kaffeegetränke und etwas croissant-artiges, hocken uns in die Lederpolster und beobachten eine Zeit lang das morgendliche Treiben, hören die fremden Laute und freuen uns an der sprühenden guten Laune, die das Mädel hinter der Theke versprüht. Lautes, schrilles Stimmengewirr, lachende Menschen, besorgte Väter mit ihren Kindern, ältere Herrschaften, die ohne Zögern, kaum dass sie die Gebäckstange überreicht bekommen haben, noch an der Theke hineinbeißen, als hätten sie tagelang nichts mehr gegessen. Abstand zu halten, was wegen der Corona-Pandemie immer noch notwendig sein sollte, ist in dieser kleinen Bar nur sehr bedingt möglich.
Gestärkt, mit den ersten Eindrücken des Tages, wandern wir noch etwas die Straße entlang, finden eine “Panificio“, also eine Bäckerei, in der wir unsere Vorräte ergänzen und rollen von dannen in Richtung Autobahn, um die letzten 300 Kilometer bis nach Neapel in Angriff zu nehmen.

Unser Geländewagen schnurrt wieder leise vor sich hin während er die Straße unter sich abspult. Wir rollen durch eine phantastische Berglandschaft, die sich uns südlich von Rom darbietet. Die helle, schattenwerfende Sonne, die schweren Wolkenfetzen, die sich durch die Kegelberge hindurch schieben, machen die Versuchung groß, häufig anhalten zu wollen, um die Eindrücke fotografisch festzuhalten. Doch wir wollen weiter und werden diese Eindrücke nur in unseren Köpfen mit uns nehmen.

Am späten Nachmittag, nachdem wir Neapel auf dem äußeren Autobahnring umrundet haben, landen wir in der am Meer gelegenen Stadt Castelmare di Stabia auf einem kleinen städtischen bewachten Parkplatz, auf dem man für 1 Euro pro Stunde, aber für maximal 5 Euro, ungestört und relativ ruhig direkt am Meer stehen kann. Über die App und den Routenfinder fahren wir diesen unscheinbaren Parkplatz dieses Mal problemlos an.
Es herrscht ein starker Wind. Das Meer ist gar nicht ruhig, sondern tost gegen den Strand. Der Parkplatz liegt hinter einem Schlagbaum und wird durch 4 taghelle LED-Scheinwerfer beleuchtet. Eine kleine Treppe führt hinter der Mauer zu dem schwarzen Sandstrand herab. Ein Glück, dass wir in unserem Dachzelt die Isolierteile einkletten können. Diese Extrateile sind hilfreich bei großer Kälte aber auch bei zu hellem Licht, das von außen in das Zeltdach scheint.
Ein kleiner Snack mit Blick auf die Lichter der Stadt, die würzige Seeluft in den Lungen, kriechen wir wieder in unsere Schlafsäcke. Trotz des Sturmes, des Rauschens der Wellen und des Schaukelns des Autos in Sturmböen schlafen wir bald tief und fest im Oberstübchen unseres Gefährts.

Ein kleiner Parkplatz in Castelmare di Stabia

Ein kleiner Parkplatz in Castelmare di Stabia

Außenduschen auf dem Parkplatz

Außenduschen auf dem Parkplatz

© Michael Bünte, 2022
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Wir starten in Hamburg und reisen mit einem Toyota HZJ78 über Neapel nach Tunesien. Dieses ist der Bericht unserer zehnwöchigen Reise.
Details:
Aufbruch: 06.04.2022
Dauer: 10 Wochen
Heimkehr: 17.06.2022
Reiseziele: Tunesien
Der Autor
 
Michael Bünte berichtet seit 26 Monaten auf umdiewelt.
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