Indien - ein Traum den ich nun lebe

Reisezeit: Dezember 2006 - Juni 2007  |  von helli l

Sadhanna forest-die etwas andere Art zu leben

09.03.2007 - 11.03.2007

Als ich an diesem Morgen am vereinbarten Treffpunkt, Obststand der eigentlich auch Fliegen ins Angebot haette naehmen koennen, zum Sadhannaforest stand und darauf wartete bis mich jemand abholt war ich eigentlich recht aufgeregt. Auch wenn Sofi mir schon einiges erzaehlt hatte, war ich ziemlich neugierig was mich in dem "gruenen Camp" so alles erwarten wuerde.

Gewartet hab ich nicht sehr lange und erstmal gings mit einem Schrottmoped ueber sandige Pisten und einen mehr oder weniger gruenen Wald zu dem Gelaende des Sadhanna Forest Projects. Mein Fahrer, Yari, war ziemlich unsicher, kein Wunder bei dem vielen Sand, und trotzdem ist er eigentlich ziemlich schnell dahin geduest und ich hab mich mehr als einmal im Graben liegen sehen.

Ein unscheinbares Holztor oeffnete schliesslich die Welt zu einer kleinen Anlage im Gruenen und auf den ersten Blick hat man nicht viel erkennen koennen. Bei meiner Ankunft war gerade ein Workshop fuer interessierte Besucher von ausserhalb im Gange und man hat mich gleich dazugesetzt um erste Einblicke in die Funktionalitaet der oekologischen Farm zu gewinnen. Caroline, eine nette Englaenderin, war auch ein Frischling und sie musste ueber Umwege aus einem Chaistand gefischt werden und erreichte etwas spaeter als ich das Camp.

Zu Beginn war alles recht turbulent und chaotisch und die vielen neuen Gesichter und Namen haben mich ganz schoen verwirrt. Nach meiner ersten Mahlzeit (Gemuese, Gemuese, Gemuese und Salat) wurden Caroline und ich durch das Camp gefuehrt. In punkto Umweltfreundlichkeit ist dieser Ort ein schillerndes Beispiel an Effizienz und selbst der Strom wird ausschliesslich ueber Solarzellen gewonnen. Auch die sanitaeren Anlagen stehen nicht so ohne weiteres in der Gegend herum. Die strikte Trennung von fest (wird kompostiert) und fluessig (wird gefiltert und aufbereitet) zur Duengung des Waldes bzw des Gemuesegartens verwendet.

das stille Oertchen
links poo (fest), rechts pee (fluessig) und unten links pee while poo.

das stille Oertchen
links poo (fest), rechts pee (fluessig) und unten links pee while poo.

eines der netten Hinweisschilder in den Toiletten

eines der netten Hinweisschilder in den Toiletten

Besonders gefallen haben mir die Quartiere, einfacher geht's wirklich nicht mehr. Grosse und kleine Holzhuetten und die Matratzen, naja waren eigentlich gar keine, waren ziemlich duenn. Meinen Schlafplatz konnte ich ueber eine Leiter erreichen und die luftige und offene Konstruktion fand ich einfach klasse. Man erwacht am Morgen mit einem Hauch frischer Luft und die Naturkulisse ist einfach wunderbar. Geschlafen hab ich sehr gut und selbst das ganze Viech'szeug's um mich gerum hat mich eigentlich fast nicht gestoert. Meine Spinnenphobie, mit der Zeit ist man muede Angst zu haben (immerhin gibt es in Indien unglaublich viele von den krabbelnden Tierchen) beschraenkt sich mittlerweilen nur noch auf die wirklich dicken Dinger mit Haaren an den Beinen.

mein genialer Schlafplatz, war echt klasse

mein genialer Schlafplatz, war echt klasse

Die Duschen, sucht man vergebends, sind vielmehr Holzverschlaege und seinen Kuebel mit Wasser kann man ca. 200m weiter ueber eine Pumpe organisieren. Als Waschmittel fuer die Kleidung werden Soaknuts, oder so aehnlich, benutzt. Biologische abbaubar ist das oberste Gebot der Gemeinde, was wirklich sehr lobenswert ist und wenn mehr Menschen auf die ohnehin schon geschundene Umwelt achten wuerden bliebe die Natur fuer zukuenftige Generationen erhalten.

Noah, die in der Abwesenheit der eigentlichen Besitzer, den Laden schmeisst hat uns erstmal ueber unsere Pflichten, Aufgaben und ueber den Tagesablauf informiert. Das Regelwerk hier ist ziemlich streng, was mich im ersten Moment doch ein wenig schockiert hat. Die Community lebt ausschliesslich veganisch, was nicht nur bedeutet dass kein Fleisch verzerrt wird. Die Bewohner weisen alles zurueck was auch nur in geringster Form tierischen Ursprungs, unter anderem auch Honig, ist oder wodurch ein Tier zu schaden kommen koennte. Darueber hinaus gibt es keinen Kaffe, Tee, Zucker und fuer die Wuerze der Speisen steht ausschliesslich biologisches Salz zur Verfuegung. Uff, ganz schoen hart so ein Veganerleben, naja einen Versuch ist es auf alle Faelle wert. Achja auch ins Camp darf man nur organische Lebensmittel bringen und fuer den eigenen Verzehr von, auch wenn manche Kokusnusskekse hineinschmuggeln, ebensolchen gibt es einen Schrank zum Aufbewahren.

Die weiteren Regeln sind wie folgt> 4 Stunden Arbeit pro Tag und die Einteilung erfolgt ueber die Campleiterin, mit etwas glueck findet man jemanden der bereit ist zu tauschen. Die Aufgaben hier sind unter anderem Reinigung, Kompostierung, Kochen, Gemuesegarten (ist nicht wirklich vorhanden), Wasseraufteilung (wird aus dem Boden gepumpt, tiefes Grundwasser) Fahrrad- und sonstige Reperaturen. Die Neupflanzung des angrenzenden Regenwaldes geht ziemlich langsam von statten und zur Zeit wird eigentlich nur bewaessert. Wiederaufforstung = Fehlanzeige. Die Aufgaben umfassen bei genauerer Betrachtung mehr das Leben in der Kommune als die Wiederbelebung des Dschungels.

Es leben insgesamt mehr als 30 Leute hier. Manche sind schon Monate da und es gibt auch einige Familien, die ansaessig sind. Die Kinder, laufen meist nackt herum, koennen machen was sie wollen und im Regelwerk wird ausfuehrlich darauf hingewiesen wie man sich ihnen gegenueber verhalten soll. Null Autoritaet, keine Schule, schlafen, essen, spielen und herumtoben. Wahrscheinlich ein Traum fuer jedes Kind. Der paedagogische Wert der ganzen Sache sei dahingestellt, immerhin scheinen die Kindern recht gluecklich damit zu sein. Die restlichen, meist junge Traveller, sind Leute die sich als Freiwillige melden und hier einige Zeit die Arbeit in der Kommune verrichten und im Gegenzug dafuer gratis Unterkunft bekommen. Das Motto, die Arbeit vollenden und dann den ganzen Tag nichts tun.

Natuerlich kann man ausserhalb der Arbeitszeiten das Camp verlassen und sei es nur um mal einen Kaffee zu schluerfen oder was ungesundes in den Darm zu jagen, schadet bestimmt nicht . Sprachlos war ich bei der Einfuehrung der streng vorgeschriebenen Toilettartikel. Das Stueck biofreundliche Seife zum Waschen war da noch harmlos. Beunruhigt haben mich eher die beiden Plastikgefaesse in denen ein brauenliches Pulver zum Vorschein kam. Zahnpasta und Shampoo in pulvriger Staubigkeit, was mit Wasser vermischt eine nicht weniger ekelhafte Paste ergibt. Das Gefuehl seine Zaehne mit dem Zeug zu putzen ist widerlich und das Shampoo klebt wie Sand in den Haaren und man muss einen extra Kuebel heranschleppen um den Brei loszuwerden.

links Zahnpuder und rechts Haarpuder, pfui Teufel, einziges Highlight, die nach zitronen duftende Seife.

links Zahnpuder und rechts Haarpuder, pfui Teufel, einziges Highlight, die nach zitronen duftende Seife.

An meinem ersten Tag wurd ich gleich mal zum Kuechendienst eingeteilt. Kochen fuer mehr als 30 Leute, eine neue Erfahrung und jede menge Arbeit. Als neuer hatte ich nicht viel mit zu reden und hab die naechsten 4 Stunden damit verbracht Gemuese zu schaelen, rupfen, raspeln und sonst irgendwie in mundgerechte Stueck zu zerkleinern. Nirumalai, der Name stammt wahrscheinlich von der letzten spirituellen Reise der jungen deutschen Frau, hatte genaue Vorstellungen wie die Form und Groesse der Zutaten sein sollte und war von den Kochtoepfen nicht fortzubewegen. Das komische dabei, sie isst lediglich Rohkost, das soll einer verstehen. Auch der Abwasch war natuerlich ueberdimensional und da ausschliesslich Asche als Spuehlmittel verwendet wird, hat es dann doch etwas laenger gedauert.

Insgesamt sind die Leute die hier leben eigentlich ganz nett, wobei manche ziemlich schraege Lebensphilosphien haben. Yari, ein Finne dessen eiskalte Ausstrahlung, einen in Angst und Schrecken versetzen kann will in absehbarer Zeit sein Vorhaben ausschliesslich von Sonne, Erde, Luft und Wasser zu leben in die Tat umsetzen. Wie er erklaert, eine Annanas schmatzend, ist er noch nicht bereit dafuer. Viel Glueck Yari und hoffentlich endet das ganze nicht mit kuenstlicher Ernaehrung aus dem Tropf. Einige andere haben ihre Extrawurst (veganisches Wortspiel) und essen ausschliesslich Rohkost, was den Koerper anscheinend in ein Kraftpaket verwandeln soll, schwer vorzustellen?.

Die meisten Travellerer (Freiwillige) sind weder Veganer noch Vegetarier und ihren Aufenthalt erklaere ich mir mit den billigen Kosten und der Ruhe und Abgschiedenheit dieses Ortes.

In der mitte des kleinen Dorfes steht ein grosses Holzhaus, offen zu allen seiten, in dem sich alles trifft. Dort wird gekocht, geplaudert, gegessen und insgesamt stellt dieser Ort den Lebensmittelpunkt der Kommune dar. Bei den vielen Leuten, die meisten sind schon laenger hier faellt es anfangs ein wenig schwer anschluss zu finden, doch nach ein paar Stunden hat man mit den meisten kurz geplaudert und ist nicht mehr der neue Unbekannte. Es sind sogar ein paar richtig nette Leute hier mit den man ziemlich viel zu lachen hat.

Am ersten Abend sind die meisten jungen Dschungelbewohner in ein nahegelegenes Dorf gefahren um an einem free dance, genauer gesagt contact dance teilzunehmen. Ich hab noch nie was davon gehoert und umso neugieriger war ich das ganze persoenlich zu erleben. Yari, sein Blick ist wirklich schauderhaft, hat mich auf seinem Moped mitgenommen und mir den Tip gegeben das ganze nicht allzu ernst zu nehmen. Dort angekommen betraten wir einen Saal und was dann geschah hat mich wirklich in Staunen versetzt. Die Anwesenden, ca. 20 Leute, haben bei Beginn der auesserst schraegen Musik begonnen wie Schmetterlinge herumzuflattern, komische Grimassen zu schneiden, Balletahenliche Figuren zu springen, am Boden zu kriechen oder irgendwelche andere Tiere zu immitieren. Oh gott, ich muss im falschen Film gelandet sein. Erstmal stand ich wie angewurzelt und hab mit offenem Mund die Geschehnisse im Saal verfolgt. Total abgefahren. Als der erste Kulturschock vorueber war hab ich mich schliesslich auch ins Getummel geschmissen und es war zeitenweise unbeschreiblich witzig mit den anderen schraegen Voegeln zu agieren. Als die Musik immer schlechter wurde und die Leute begonnen haben sich gemeinsam am Boden zu waelzen und sich aneinander zu reiben, daher der Name contact dance, wurde mir das ganze Schauspiel zu extrem. Eine Show der Eitelkeiten. Jeder versuchte noch komischer dreinzuschauen und sich noch ausgefallener zu bewegen und andere haben sich durch die Gegend gewirbelt, ein Wunder das niemand verletzt wurde.

Eine nette Erfahrung, immerhin kann man sich bei der Gelegenheit sehr gut austoben und einmal seine kindische Seite herauslocken (ab und zu sehr wichtig) doch zwischendurch war das Ganze einfach zu extrem und so bin ich die letzte halbe Stunde (gedauert hat es so an die 2h) vor die Tuer gefluechtet.

Meine Entscheidung das Camp heute, schon nach 3 Tagen, (11.03.2007) zu verlassen hat mehrere Gruende. Hauptsaechlich ist die ganze Geschichte nicht das was ich eigentlich machen wollte bzw was ich erwartet hatte. Ich wollte an einem Wiederaufforstungsprojekt mitwirken und nicht in einer veganischen Kommune leben und arbeiten und die sonst ueblichen Yogastunden finden auch nicht statt. Nothing more to do for me. Die Menschen sind zwar ganz nett und das einfache Leben, ausgenommen Zahnpasta und Haarwaschmittel ist eine Bereicherung fuer Geist und Seele, doch insgesamt ist mir das ganze einen Tick zu gruen. Es ist vorbildhaft so schonend mit der Natur umzugehen, doch ein Leben auf dieser Basis muss aus Ueberzeugung stattfinden und die Tatsache das so viele must's und do not's herumschwirren macht das ganze nicht gerade einfacher.

Ich hatte 3 sehr interessante und aufschlussreiche Tage hier und moechte die Erfahrungen unter keinen Umstaenden missen, doch nun ist es Zeit wieder Fuss in Indien zu fassen. Das veganische Essen war uebrigends, auch ohne wuerzige Raffinesse, ueberraschend gut und zum Fruehstueck gab es eine riessen Portion Obsalt und etwas was so aehnlich wie Schokoladenpudding geschmeckt hat. Auf Dauer ist die veganische Koste jedoch nichts fuer mich. Eine Woche laenger und ich haette mich in einen Rosenkohl verwandelt. Auf Fleisch, aus hygienischen Gruenden, hab ich in Indien bisher verzichtet und es geht mir auch nicht weiter ab, doch die restlichen suendigen Speisen kann ich nicht so ohne weiteres vergessen. Alles in allem bin ich froh wieder die (vor allem sanitaere) Freiheit zu haben mein Leben so zu gestalen wie ich es fuer richtig erachte, auch wenn ich durch dieses Projekt so einiges lernen konnte.

Falls jemand interessiert daran ist an diesem Projekt mitzuwirken, einfach melden, ich kann die Kontaktadresse per e-mail weiterleiten.

Seit dem spaeten Nachmittag bin ich nun wieder in Pondicherry und hab erstmal ein anstaendiges indisches Menue und einen Schokodoughnut verspeisst. Hinunter gespuelt hab ich das ganze mit einem koestlichen Milchshake, als Veganer verpasst man so einiges, hihi.

Achja gewonnen hat uebrigends Steffie, eine meiner hoffentlich astronomisch hohen Zahl an heimlichen Lesern. Ihr alle koennt mir ruhig schreiben, mein Guestbook beisst auch bestimmt nicht. Herzlichen Glueckwunsch. Da ich dich nicht kenne hab ich natuerlich keine Ahnung wo deine geschmacklichen Vorlieben angesiedelt sind? Lass mich wissen was dir gefaellt und ich versuch in absehbarer Zeit deinen Gewinn nach Deutschland zu verschiffen.

PS>
Lamuela, spuck, joesas das es zwoa a no am leben seids. Viel spass auf kho lanta. Kho jum soll auch auch spitze sein, noch viel spass in Thailand. Gruesse an rene. Nicht zu viel feiern, ge!

ManuI, leider gottes war Steffie ein wenig schneller als du. Nicht traurig sein, hab eh schon laengst eines fuer dich besorgt. Gruesse an deine Mum, der es hoffentlich schon wieder besser geht. Gruesse auch an deinen Dad und die restliche Familie

Phillip, find ich toll dass dir meine Berichte so gut gefallen und umso mehr ueber deinen Eintrag im Guestbook. Hoffe du hattest eine tolle Zeit in Amerika und hast die Firma in Las Vegas nicht verzockt. Steak und Rippelen, was ist das? Nach der ganzen Zeit ein Geschmack, dessen Erinnerung immer mehr verblast. Gruesse an deine Freundin (mein schlechtes Namensgedaechtnis hat wiedermal zugeschlagen) und die Familie

Steffie,
die glueckliche Gewinnerin. Du kannst gerne noch laenger mitfahren und mich auf meiner Reise begleiten. Jaja das liebe Geld, ich kenn das Problem selber recht gut. Das Alter, naja Ansichtssache, vielleicht traust dich ja doch noch den Rucksack zu packen. Bis dahin schoene gruesse nach frankfurt.

Mahesh,
Danke fuer die Teilnahme. Respekt das du ornotologisch so gut bescheid weisst. Leider hat Pfau schon voellig ausgereicht, kein all zu schweres Raetsel

© helli l, 2006
Du bist hier : Startseite Asien Indien Sadhanna forest-die etwas andere Art zu leben
Die Reise
 
Worum geht's?:
Die Welt ist wie ein Buch, wer nie reist, sieht nur eine Seite davon. Nach meiner 1monatigen Pause werd ich nun ins verrueckte Indien stolpern und freue mich schon auf neue und fazinierende Abenteuer in diesem facettenreichen Land. Auf der Suche nach mir selbst und auf der Jagd nach Inspiration und Erleuchtung werde ich hoffentlich fuendig. Soweit so gut, einen genauen Plan hab ich nicht, ich lass mich einfach treiben. gruesse in die heimat helliL
Details:
Aufbruch: 26.12.2006
Dauer: 5 Monate
Heimkehr: 02.06.2007
Reiseziele: Indien
Thailand
Myanmar
Trivandrum
Der Autor
 
helli l berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.