Neustart

Reisezeit: Juni 2021 - Januar 2022  |  von Beatrice Feldbauer

Salta

Ich habe keine Pläne, als ich am Morgen aus dem Zimmer komme. Einfach mal durch die Stadt bummeln, sehen, was sie mir bietet.

Und sie bietet mir gleich zwei Häuser neben meiner Unterkunft eine Überraschung in Form einer Western Union-Agentur. Ich kann also die nächste Geldportion abholen und bin jetzt richtig liquid. Und es scheint hier auch tatsächlich überhaupt kein Problem zu sein, mir 500 Peseten auszuzahlen. Sogar in relativ grossen Noten, so dass mein Bündel Banknoten nicht ganz so riesig ist. In Ushuaia bekam ich 20'000 Peseten in 100-Noten. Das gab ganz viel Papier.

Einen Block weiter finde ich ein ganz winziges Cafe mit ein paar wenigen Tischen. Hier bestelle ich ein kleines Frühstück mit Medialunas - süssen Halbmonden und Joghurt. Jetzt bin ich gerüstet für den Tag.

Die Schönheit der Stadt erschliesst sich mir nicht auf Anhieb. Vielleicht hatte ich auch eine zu idealisierte Vorstellung der kolonialen Stadt. Es gibt viele verfallene Häuser, absplitternde Mauern, ungepflegt Fassaden. Aber ganz langsam erkenne ich doch hinter all diesem Verfall die traditionelle Architektur. Salta ist keine auf Hochglanz herausgeputzte Stadt, sondern eine gewachsene Stadt, in der gelebt wird. Es gibt viele kleine Läden, kleine Kioske, in denen man alles bekommt was man braucht. Von Lebensmitteln über Baterien bis Nagellackentferner. Unglaublich, was in so einem kleinen Laden für eine Vielfalt angeboten wird.

Und übrigens, auch bröckelnde Mauern und abspitternder Verputz haben ihren Reiz. Ich schlendere durch die verkehrsreduzierten Strassen, die auf beiden Seiten mit grossen Eisenkugeln einen Fussgängerbereich absichern, finde Fassaden in den typischen Erdtönen Ocker und Tizianrot. Finde die schattigen Arkaden am Hauptplatz, lange Alleen unter kühlenden Bäumen. Bewundere die Spitzbögen mit den Verzierungen, die Säulen an den Häusern, die Gitterbalkone. Ja, ganz langsam nimmt mich der Zauber der Stadt gefangen und ich versuche so viel als möglich mit Augen und Kamera einzufangen.

Arkaden rund um den Hauptplatz

Arkaden rund um den Hauptplatz

Unter den Bäumen im Park tanzen die jungen Leute wieder. Das ist eine wunderbare Einladung, mich auf eine Mauer zu setzen und einfach zuzusehen. Es sind ganz junge Tänzer und man sieht ihnen die Begeisterung und Freude an, hier vor einem grösseren Publikum aufzutreten. Zwischendruch will der Moderator wissen, woher die Zuschauer kommen. Sie kommen aus ganz Argentinien, aus Cordoba, Buenos Aires, aus Santa Cruz, Mendoza. Jede Provint wird beklatscht. Ausländer melden sich keine, ich weiss nicht, ob ich die einzige Europäerin bin, aber es meldet sich niemand aus dem Ausland. Ich zwar auch nicht, so dass das keine definitive Aussage sein kann.

Der Tanz geht weiter, angefeuert vom Moderator, der das Publikum auffordert mitzuklatschen oder gar mitzutanzen. Eine unglaublich fröhliche Stimmung.

Heute ist das Tor der Kathedrale offen, es wird eine Messe gefeiert. Ich gehe hinein und bin wieder einmal erstaunt ob dem Prunk. Es ist eine ausgesprochen opulente Dekoration mit den rosaroten Pseudo-Marmorsäulen, dem goldenen Stuck, den in einen Teil der Säulen eingelassenen Reliefen und dem strahlenden Altar. In den Seitengängen hängen riesige Leuchter, an den Säulen diskretere Lampen und die Decke mit ihren geometrischen Mustern aus Dreiecken und Kreisen in beige und grün ist ebenfalls eine Augenweide.

Wieder einmal eine 15-jährige. Selbstverständlich dürfe ich sie fotografieren, erklärte mir der Fotograf stolz: sie ist meine Tochter!

Wieder einmal eine 15-jährige. Selbstverständlich dürfe ich sie fotografieren, erklärte mir der Fotograf stolz: sie ist meine Tochter!

Ich schlendere noch etwas weiter und als ich eine Agentur entdecke, die Ausflüge organisiert, erinnere ich mich, warum ich eigentlich nach Salto kommen wollte. Es gibt hier den Tren a las Nubes, den Wolkenzug. Als ich 2008 in Argentinien war, war er ausser Betrieb. Doch heute soll er wieder fahren.

"Leider alles ausgebucht", meint die junge Frau und ich bin gleich wieder auf der Strasse. Doch so schnell gebe ich nicht auf und frage in einem zweiten Büro. Auch hier der gleiche Bescheid. Für nächsten Dienstag könnte es noch das eine oder andere Ticke haben, doch am Dienstag fliege ich zurück nach Buenos Aires.

Die Entäuschung muss mir auch hinter der Maske anzusehen sein, jedenfalls meint die Frau, warte mal, gehen wir zu meiner Freundin über die Strasse. So komme ich zu Mercedes, die mir zwar auch kein Ticket verkaufen kann, aber immerhin verspricht, sich bei einem Freund zu erkundigen, der beim Zug arbeitet. Vielleicht gibt es im letzten Moment jemanden der absagt, eine kleine Chance besteht immer.

Und genau an diese Chance halte ich mich. Übermorgen ist die nächste Exkursion, wir tauschen Nummern aus, Mercedes will mich morgen informieren.

Soll ich mich jetzt freuen? Ich lasse es ganz offen, es wird schon richtig kommen, immerhin habe ich den ersten Schritt geschafft, ich habe eine Option auf einen Platz.

Tiamar Travel E.V.T von Mercedes Vega in der Nàhe der San Francisco-Kirche

Tiamar Travel E.V.T von Mercedes Vega in der Nàhe der San Francisco-Kirche

In der Nähe der Agentur ist eine zweite wunderschöne Kirche: Die San Francisco-Kirche. Eben war das Tor noch geschlossen, doch inzwischen findet eine Andacht statt und ich kann hinein schlüpfen. Es sind nicht viele Leute drin, vorne steht eine Frau, betet vor und die wenigen Kirchgänger folgen ihr.

Und ich kann diskret meine Fotos machen. Auch diese Kirche ist wunderschön, aber sie ist nicht so farbig gehalten. Alles in grau macht die Inneneinrichtung eleganter und höher, graziler. Ich bin sehr überrascht über diese wunderschönen Kirchen, sowohl von aussen wie innen. Und immer gibt es eine reich verzierte Kuppel, durch die das Licht ins Innere geleitet wrid.

Die San Francisco-Kirche

Die San Francisco-Kirche

Steinerne Vorhänge hängen über dem Portal

Steinerne Vorhänge hängen über dem Portal

Zum Nachtessen leiste ich mir heute etwas Besonderes. Jedenfalls scheint mir das Dona Salta zu den besten Restaurants zu gehören. Auf jeden Fall zu den schönsten mit seinen vielen hohen Räumen, dem kolonialen Stil, dem rustikalen Charme mit den eigenartigen Lampen aus Wurzelgeflecht.

Der Service ist sehr zuvorkommend und elegant mit echten Stoffservietten, richtiger Weinempfehlung und der Möglichkeit, den Wein zu kosten, auch wenn ich nur ein Glas bestellt habe.

Und das Essen ist hervorragend, wenn auch wieder einmal mit einer viel zu grossen Portion, so dass ich obwohl ich eigentlich eines der verführerischen Desserts versuchen wollte, wieder passen muss.

Tamale, mit Maisblättern umwickelter Maisbrei (Polenta) mit Fleischfüllung

Tamale, mit Maisblättern umwickelter Maisbrei (Polenta) mit Fleischfüllung

Kanincheneintopf

Kanincheneintopf

San Francisco-Kirche

San Francisco-Kirche

Auf dem Rückweg komme ich wieder bei den Tänzern am Hauptplatz vorbei. Ich sehe ihnen noch eine Weile zu, bevor ich mich definitv auf den Heimweg mache. Ich fühle mich in dieser Stadt völlig sicher, und staune selber darüber.

Kathedrale

Kathedrale

Tartagal-Mango - so süss wie Du/Sie

Tartagal-Mango - so süss wie Du/Sie

Beim Früchtehändler kann ich nicht widerstehen und kaufe mir einen ganzen Fruchtcocktail ein. Der junge Mann an der Rezeption organisiert mir einen Teller und ein Messer, damit ich die Mango aufschneiden kann.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Immer wenn der Mensch seine Zukunft plant, fällt das Schicksal im Hintergrund lachend vom Stuhl. Dieser Satz hat mich durch das Corona-Jahr begleitet. Eigentlich war mein Abflug nach Südamerika am 3. April 2020 gebucht. Doch dann kam alles anders.
Details:
Aufbruch: 20.06.2021
Dauer: 7 Monate
Heimkehr: 29.01.2022
Reiseziele: Peru
Kolumbien
Argentinien
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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