Neustart

Reisezeit: Juni 2021 - Januar 2022  |  von Beatrice Feldbauer

Busfahrt

Es fällt mir nicht leicht, Abschied zu nehmen. Abschied von der Finca El Maco. Es war ein wunderbar ruhiger Ort, ich habe die Hängematte genossen, habe viel gelesen, sehr fein gegessen. Das Frühstück war eines der besten meiner Reise, nur noch vergleichbar mit der Casa Fitzcarraldo in Iquitos. Dass ausgerechnet diese beiden Hotels Schweizern gehören, mag ein Zufall sein, wahrscheinlich auch nicht. Überhaupt war das Essen hier fantastisch. Gestern hab ich noch einmal eine Pizza gegessen, und den Rest des Weins vom Vorabend dazu genossen.

Heute also noch einmal Früchte-Frühstück mit Yoghurt und frisch gebackenem Brot, dann verabschiede ich mich von Jolanda, der sehr freundlichen Angestellten, die in den letzten Tagen die Rezeption und den Service übernommen hat. Heute sind zwei neue Angestellte eingetroffen. Aus Deutschland, René ist zuversichtlich, dass die Touristen jetzt wieder zunehmen, die Saison auf Ende Dezember sich verbessert. Er hat nicht nur das Hotel, sondern betreibt auch eine Reiseagentur, die Touren in ganz Kolumbien anbietet:

Sollte man sich also unbedingt merken: www.elmaco.ch

Abschied von meinem Bungalow mit Hängematte

Abschied von meinem Bungalow mit Hängematte

Ich hatte mich erkundigt, ob ich einen Bus reservieren müsse nach Neiva, der Hauptstadt des Departement Huila, doch man versicherte mir, dass da täglich genügend Busse fahren würden. Also fahre ich mit dem Taxi zum Busterminal.
Wohin ich wolle, fragt mich der Taxifahrer, und ob ich schon ein Ticket habe. Nein, hab ich nicht. Dann würden wir am besten direkt zu den Taxis fahren, denn ab San Agustin müsse ich zuerst mit einem Pickup nach Pitalito fahren. Von dort fahren die Busse weiter in die Hauptstadt Neiva.

Bei den Taxis wartet man noch auf Passagiere, mein Koffer wird auf das Dach gebunden, Abfahrt in fünf Minuten. Bevor wir San Agustin verlassen, sucht der Fahrer noch nach zusätzlichen Passagieren, denn es sind nur 4 Leute auf der Ladefläche und hinter mir auf der Rückbank eine junge Frau mit einem Baby. "Pitalito! Pitalito!" ruft er aus dem Seitenfenster, dann schliesst er es, wir haben den Ort verlassen und fahren jetzt auf der Strasse, auf der ich vor ein paar Tagen angekommen bin. Doch nicht lange, dann kommen wir auf eine bessere Strasse und er kann ziemlich schnell fahren. Bis von hinten eine Hupe ertönt und er unvermittelt bremst und anhält. Was war das? Polizei?

Eine junge Frau kommt an sein Fenster, reicht ein paar Scheine und wir fahren weiter. Es war eine der Passagiere von der Ladefläche. Dort hinten hat es eine Hupe, um dem Fahrer mitzuteilen, wenn man aussteigen will. Noch zweimal halten wir so unvermittelt an. Einmal lassen wir auch jemanden einsteigen, der ein paar Kilometer mitfährt. Eine knappe Stunde dauert die Fahrt. Der Chauffeur will nun wissen, wo die Frau mit dem Baby hinwill. Ins Spital. Also fahren wir zuerst das Spital an, wo die Frau aussteigt, bevor wir zum Busterminal fahren. Grad will mir der Fahrer erklären, dass es bis Neiva 3 Stunden sind mit einem PW und 4 Stunden mit einem Bus, und womit ich lieber fahren möchte, als wir beim Terminal eintreffen.

"Neiva?" fragt mich jemand, noch bevor ich ausgestiegen bin. "Ja", kann ich noch sagen und mich kaum von meinem Fahrer verabschieden, denn schon werden Koffer und Rucksack vom Autodach geholt und in einen Bus verfrachtet. Ich muss nur noch einsteigen, fünf Minuten später sind wir unterwegs. So einfach kann Busfahren also sein in Kolumbien. Bezahlt wird irgendwann auf der Strecke, nachdem noch ein paar zusätzliche Passagiere eingestiegen sind.

Ich behalte meinen Doppelsitz fast die ganze Zeit für mich allein, erst ganz am Schluss kommt noch eine Frau dazu. Also eine sehr angenehme Fahrt. Und auch die Strasse ist sehr gut ausgebaut. Es geht vorwiegend mit dem Fluss Magdalena, immer wieder kann ich ihn rechts von mir sehen. An einigen Stellen ist er gestaut und es gibt wunderschöne Stauseen. Wäre bestimmt schön, irgendwo einen Fotohalt einzulegen. Doch wir sind hier nicht auf eine Sightseeing-Tour, sondern unterwegs nach Neiva. Das ist ÖV Caolombiano.

Manchmal steigt ein Verkäufter zu mit Snacks. Obwohl ich gute Sicht nach vorne habe, kann ich nicht erkennen, auf welches Zeichen der Chauffeur achtet, plötzlich öffnet sich die Seitentüre, das Auto kommt ins Rollen, fast zum stehen, ein Verkäufer steigt zu, bietet seien Waren an, der Bus fahrt weiter.

Nach einer Weile das selbe, langsames Rollen, die Seitentüre geht auf, der Verkäufer springt ab und wir sind bereits wieder auf Tempo. Gesprochen wird dabei kaum. Der Chauffeur ist höchst konzentriert, sein Helfer auf dem Nebensitz kümmert sich um die Passagiere und rugt in Ortschaften laut "Neiva! Neiva!" aus dem Fenster, um noch den einen oder anderen Mitfahrer zu gewinnen.

Eigentlich wollte ich auf der Strecke lesen, aber die Gegend ist zu schön, ich muss hinaus sehen. Irgendwann hören die Kaffeeplantagen auf, Bananen bleiben. Ich sehe weiter unten den Fluss, manchmal grosse Seen. Und langsam kommen wir immer tiefer. San Agustin lag noch auf 1700 m, Neiva nur noch auf gut 400. Das merkt man auch an der Temperatur. Es ist bedeutend heisser, auch jetzt noch, am späten Nachmittag. Und jetzt gibt es grüne ebene Flächen. Hier wächst Reis.

Ein Taxi bringt mich zu meinem Hotel, das ein paar Blocks vom Zentrum entfernt ist. Es ist ein kleines Hotel, das günstigste, das ich je hatte. Für 15 Franken kann man eigentlich kaum ein richtiges Bett erwarten, aber ich habe ein sauberes Zimmer mit einem breiten Bett, Dusche/WC und einer Klimaanlage. Nur ein Fenster fehlt halt mal wieder. Doch im Moment macht mir das nichts aus, wenigstens ist das Internet sehr schnell. Ick kann sogar noch einen Krimi aus der Mediathek ansehen, werde später noch ein wenig schreiben.

Reisfelder

Reisfelder

Bei Einbruch der Dunkelheit gehe ich noch einmal hinaus, suche ein Restaurant fürs Nachtessen. Fünf Blocks weiter hat mir der Nachtportier gesagt, aber ich finde nichts, was mich anspricht. Und ausserdem scheint mir die Gegend etwas zu dunkel zu sein. Kaum Beleuchtung auf der Strasse und zweimal werde ich von Motorradfahrern beim Vorüberfahren angesprochen. Natürlich reagiere ich nicht darauf, laufe unbeirrt weiter.

Und dann finde ich doch noch ein Restaurant, mit Grillhähnchen. Die Portion mit lauwarmen Kartoffeln, ebenfalls lauwarmen Süsskartoffeln und einem halben Hähnchen - heiss und direkt vom Grill - ist viel zu viel. Mit schlechtem Gewissen stochere ich darin herum, als ich draussen sehe, wie schon das zweite mal jemand vor dem Lokal steht und hinein schaut. Eine schmächtige Gestalt in Lumpen.

Ich bitte den Kellner um ein Take-Away-Geschirr und lasse meine unangetasteten Reste dem Mann geben. Der freut sich darüber und jetzt ist auch meine Welt wieder etwas besser im Lot. Für die Rückkehr ins Hotel nehme ich mir ein Taxi, das ich gleich vor dem Lokal anhalte. Im Schein des Lichtes.

Zurück im Hotel die Enttäuschung: Das Internet ist weg und ich wollte doch unbedingt noch das Kapitel von gestern fertig schreiben.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Immer wenn der Mensch seine Zukunft plant, fällt das Schicksal im Hintergrund lachend vom Stuhl. Dieser Satz hat mich durch das Corona-Jahr begleitet. Eigentlich war mein Abflug nach Südamerika am 3. April 2020 gebucht. Doch dann kam alles anders.
Details:
Aufbruch: 20.06.2021
Dauer: 7 Monate
Heimkehr: 29.01.2022
Reiseziele: Peru
Kolumbien
Argentinien
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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