Neustart

Reisezeit: Juni 2021 - Januar 2022  |  von Beatrice Feldbauer

Puerto Pizarro

Ich weiss nicht so genau, was man in Tumbes sehen sollte. Es ist einfach die nördlichste Stadt des Landes und gehörte auf meine Reise in den Norden von Peru. Ich mache also erst einmal einen kurzen Streifzug durchs Quartier. Auf dem Hauptplatz vor dem Hotel scheint sich etwas anzubahnen, zwei Reihen von Polizisten stehen da. Man scheint auf etwa zu warten.

Meine Aufmerksamkeit wird aber schon bald von einem riesigen Mosaik abgelenkt. 15 Meter hoch soll er sein, der auferstandene Christus zu dessen Füssen Wasser aus dem Jordan fliessen soll (hab nachträglich gegoogelt). Das Wasser ist allerdings längst verdunstet, der Brunnen ist ausgetrocknet. Ich gehe weiter, komme in eine Fussgängerpassage und komme zu einem anderen Mosaik. Es ist ein kleiner Pavillion mit einem indigenen Symbol, oder eine Inkasonne so genau kann ich das nicht bestimmen.

Mein Hotel am Hauptplatz von Tumbes

Mein Hotel am Hauptplatz von Tumbes

Bald bin ich zurück am Hauptplatz, wo sich inzwischen eine Demonstration aufgebaut hat. Arbeiter scheinen für mehr Rechte und gerechten Lohn zu protestieren. Es ist eine friedliche Demonstration mit grossen Transparenten und lauten Parolen. Ausnahmslos alle tragen eine Maske, auch die Polizisten, die auf beiden Seiten der Protestanten mitmarschieren.

Meine Aufmerksamkeit hat aber inzwischen ein grosser Baum auf sich gezogen. Die langen roten Blüten sehen aus wie Glockenblumen, sind aber bereits am Verblühen. Dafür sind die Früchte sehr auffällig. Es ist ein Sausage Tree, ein Leberwurstbaum. Ich habe überhaupt noch nie von diesem Baum gehört, aber weil ich eine Foto sofort in meinen Status stelle bekomme ich umgehend Reaktionen von einer Freundinn, die die Früchte als Kalberwürste bezeichnet und einer anderen, die sie aus Afrika erkennt und benennt: Leberwurstbaum. Der dritte Hinweis ist dann der ganz korrekte, den mir auch Google später bestätigt: Kigelia, ist vor allem in Afrika weit verbreitet. Ich liebe die sozialen Netzwerke. Dadurch gibt es immer Rückmeldungen und Inspirationen. Ich möchte mich an dieser Stelle einfach wieder einmal bei allen herzlich bedanken, die meinen Bildern und Texten mit soviel Aufmerksamkeit folgen.

Leberwurstbaum - Kigelia

Leberwurstbaum - Kigelia

1,144 Gallonen für 20 Soles = 5,2 Liter für Fr. 5.00

1,144 Gallonen für 20 Soles = 5,2 Liter für Fr. 5.00

Mein Spaziergang durch die Stadt war zwar spannend, kann mich aber nicht langfristig fesseln. Ich suche daher ein Taxi, das mich zum Meer bringen könnte. Doch zu meiner grossen Überraschung finde ich kein einziges Taxi, nur Mototaxis. Ob die auch so weit fahren? Den ersten, den ich frage, verneint, nein so weit mag er nicht fahren, der zweite macht mir einen fairen Preis und meint, dass wir in einer halben Stunde in Puerto Pizarro sein würden. Es sind knapp 15 Kilometer.

Ich glaube wir haben etwa länger gebraucht, aber wir haben ja auch noch kurz getankt. Nicht aufgetankt, nur für 20 Soles etwas Benzin gekauft. Nein, auffüllen würde er nie, erklärt mir mein Fahrer, nur immer für gut fünf Franken tanken, Bedient, versteht sich.

In Puerto Pizarro angekommen, im Hafen von wo Francisco Pizarro im Jahr 1526 die Eroberung Perus bagann, werde ich sofort von einem Bootsfahrer angesprochen. "Magst du eine Bootsfahrt machen? Wir fahren in die Mangroven, zur Krokodilfarm, und an den Strand, wo es feine Restaurants gibt." Und ob ich will. Ich habe schnell gesehen, dass es hier im Ort nicht wirklich viel zu sehen gibt. Ausser den vielen Ausflugsbooten, die etwas verloren im Wasser liegen. Und den farbigen Fischerbooten etwas weiter hinten. Juan, so heisst mein Bootsführer, sieht sich noch etwas um und findet tatsächlich zwei weitere Passagiere, ein Paar aus Lima, die ebenfalls in die Mangroven fahren wollen. Er zieht sein Boot im knietiefen Wasser zum Steg, wir steigen ein und schon geht es los.

Mangroven, diese speziellen Büsche, die sowohl im Salzwasser, wie auch im Süsswasser leben. Agua saldulce, Süss-Salzwasser-Pflanzen. Sie wachsen vor allem in Küstengebieten, die einerseits von einem Fluss gespiesen, anderseits am Meer liegen. Hier fliesst der Rio Tubes ins Meer. Dieser Fluss bringt das ganze Jahr Wasser. Auf der anderen Seite bringt das Meer durch den Gezeitenwechsel immer wieder Salzwasser.

Es ist diese spezielle Situation zwischen den Büschen mit den langen Wurzeln, die meistens aus dem Wasser ragen und den Anschein erwecken, als ob die Bäume sich zum Wasser neigen würden. Es sind ein paar Inseln und Sandbänke, zwischen denen wir durchfahren. Manchmal fliegt ein weisser Reiher auf, Manchmal kommt uns ein anderes Boot entgegen, doch eigentlich ist es sehr ruhig auf dem Wasser. Juan erzählt von den vier verschiedenen Mangrovenarten die hier wachsen, doch weil er dabei auch noch den Motor bedient, kann ich ihn kaum verstehen. Und eigentlich kann ich auch gar keine grossen Unterschiede sehen zwischen den Klein- und grossblättrigen Arten und den leicht roten Mangroven. Weiss gar nicht, wo ich den Unterschied festmachen könnte und geniesse daher einfach nur die Fahrt auf dem ruhigen Wasser.

Bald legen wir an, wir sind bei einer Krokodilfarm. Ein paar Souvenirshops verkaufen Muschelarbeiten. Und völlig automatisch empfiehlt jede Verkäuferin: "Sonnenschutz, Mückenspray und Sonnenhüte". So als ob grad Hochsaison mit starker Sonneneinstrahlung und hoher Luftfeuchtigkeit herrschen würde. Es ist dieses automatische unpersönliche Geplapper, auf das ich nicht einmal mit einem freundlichen Abwinken reagieren kann. Und der Automatismus geht gleich weiter.

Der junge Mann, der uns durch die Krokodilfarm führt, weiss zwar bestimmt alles über Krokodile, aber er plappert wie ein Roboter daher. Sagt seinen Text auf, ganz ohne darauf zu achten, ob ich es verstehe, oder ob die beiden anderen überhaupt Lust haben, zuzuhören. Sie haben offensichtlich so wenig Lust wie ich, sie plaudern nämlich untereinander. In solchen Situationen frage ich mich dann, was jemanden dazu bringt, diesen Job zu machen, wenn er doch nicht die geringste Lust zeigt, wirklich etwas zu vermitteln.

Es leben gegen 350 Krokodil in dieser Anlage. Sie liegen träge da und kaum eines bewegt sich. Einzig Diego, das blinde Krokodil ist grad dabei, aus seinem Salzwasser-Pool zu steigen, um sich sofort in den kleinen Süsswasserpot zu legen und dort bewegungslos zu verharren. Eigentlich weiss ich gar nicht, wozu diese ganze Farm ist. Schade eigentlich, aber ich mag den Mann nichts fragen, habe das Gefühl, dass ich seinen auswenig gelernten Text unterbrechen würde.

Entsprechend klein fällt sein Trinkgeld von uns dreien am Schluss aus.

Nachdem wir noch einmal durch die Mangroven gefahren sind, kommen wir zum Strand. Da ist allerdings überhaupt nichts los. Lediglich ein paar einfache Sonnendächer mit vielen Plastikstühlen. Hier könnte man etwas essen. Frische Fische und Meeresfrüchte verspricht Juan, doch ich habe im Moment keinen Hunger und bin froh, dass auch das Paar kein Interesse zeigt. Auch wenn die Insel, denn um das handelt es sich bei dieser Sandbank, Isla del Amor heisst. Bestimmt war hier vor der Pandemie mehr los.

Wir fahren also zurück nach Puerto Pizarro, wo ein Schwarm Vögel die Ankunft eines Fischerbootes anzeigt. Es sind elegante Fregattvögel, die über dem Schiff kreisen und sich manchmal steil nach unten fallen lassen. Daneben sind es schwerfällige Pelikane. Bevor wir zurück in den Hafen kommen, fahren wir an einer Sandbank vorbei, wo die Vögel im Wasser stehen. Als wir in ihre Nähe kommen, fliegen sie alle auf. Ein eindrücklicher Anblick.

Zurück im Hafen schlendere ich noch ein wenig am Ufer entlang, sehe den Fischern zu, die ihre Ausbeute des Tages ans Ufer bringen. Leider komme ich nicht nahe genug an die Boote heran, um zu sehen, was sie in ihren Plastikkisten mitbringen, das Gebiet ist für Touristen gesperrt. Schade.

Ich beobachte die Vögel, die bei den Fischerbooten im Wasser schwimmen.

Inzwischen hat der Himmel etwas aufgeklart und weil ich bekanntlich keine Gelegenheit auf einen Sonnenuntergang auslasse und auch die Hoffnung niemals aufgebe, obwohl die Voraussetzungen auch heute nicht besonders gut sind, setze ich mich in das Restaurant und bestelle etwas Reis mit Crevetten. Das Restaurant ist zwar das einzige, das offen ist, aber es ist völlig leer. Würde ja gern wissen, wie es hier zu anderen Zeiten ausgesehen hat, bevor Covid die ganze Welt angehalten hat.

Kurz vor sechs Uhr gehe ich zurück zum Hafen und werde heute komplett überrascht. Die Sonne zeigt sich noch kurz hinter den Wolken und verabschiedet sich dann mit einem grandiosen Sonnenuntergang. Ich wusste es doch, dass es irgendwann einmal noch klappen muss. Die Vögel liefern ein grandioses Schauspiel dazu.

Bevor es komplett dunkel wird, suche ich mir ein Taxi, das mich nach Tumbes zurück fährt und bekomme tatsächlich den Sitz neben dem Fahrer in einem Sammeltaxi, das bereits zur Abfahrt steht.

Was für ein fantastischer Tag wieder hinter mir liegt.

Zufällig hab ich ein Plakat eines männlichen Fregattvogels fotografiertt und mich später daran erinnert. Daraufhin hab ich ihn gegoogelt und echt gestaunt, wie der aussieht wenn er sich für ein Weibchen interessiert. Wegen der Fotorechte darf ich das tolle Foto das ich gefunden habe, nicht hier hineinstellen. Darum wer mehr wissen will, googelt am besten selber unter Fregattvogel.
Dass es Fregattvögel sind, hat mir der Bootsführer Juan gesagt.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Immer wenn der Mensch seine Zukunft plant, fällt das Schicksal im Hintergrund lachend vom Stuhl. Dieser Satz hat mich durch das Corona-Jahr begleitet. Eigentlich war mein Abflug nach Südamerika am 3. April 2020 gebucht. Doch dann kam alles anders.
Details:
Aufbruch: 20.06.2021
Dauer: 7 Monate
Heimkehr: 29.01.2022
Reiseziele: Peru
Kolumbien
Argentinien
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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