Neustart

Reisezeit: Juni 2021 - Januar 2022  |  von Beatrice Feldbauer

Wanderung

Mein Bungalow

Mein Bungalow

Mein alternativer Schreibbungalow

Mein alternativer Schreibbungalow

Nach einem währschaften Frühstück mit frischen Früchten, Yoghurt mit Flocken, frisch gebackenem Brot und einer heissen Schokolade bin ich bereit für einen Ausflug. Ich will die Ausgrabungsstätte von San Agustin besuchen von der ich gelesen hatte, dass es die wichtigste des Landes sei.

Gestern hatte ich nichts getan, hatte mich in die Hängematte gelegt und das Buch zu Ende gelesen. Und dann bin ich etwas durch den Garten gestöbert und habe Blumen fotografiert. Ich kann mich noch immer begeistern ob den wunderschönen Heliconias. Im Garten gibt es aber auch ganz spezielle Begonien, fleissige Lieschen in rot und weiss, knallrote Amaryllis und in einer Ecke habe ich ein paar Orchideen gefunden. Leider hat es im Moment keine Blüten. Dazu kommen hohe Bambushaine, Bäume mit wunderbaren blauen oder gelben Blüten und ganz viele hohe Bäume. Der ganze Garten ist angenehm schattig mit vielen bequemen Sitzgrupen. Am ersten Abend brannte irgendwo ein Feuer. Man könnte also einen gemütlichen Abend draussen geniessen. Wenn es dann nicht gerade regnet. Im Moment ist Regenzeit, da muss man immer wieder mit einem Regenguss rechnen.

Weil das Internet in meinem Zimmer sehr schlecht ist, hat mir Yolanda von der Rezeption eine Alternative angeboten. Das runde Zelt. Es ist noch nicht bereit für neue Gäste, daher dürfe ich ohne weiteres dort schreiben. Leider war das Internet dort auch nicht besser und ich verzog mich dann doch lieber wieder ins Restaurant.

Flamingoblume

Flamingoblume

Amaryllis

Amaryllis

Bei dieser Gelegenheit habe ich auch das runde Zelt kennen gelernt, das mich schon auf der Homepage der Finca Ecologico El Maco fasziniert hat.

Überhaupt bin ich begeistert von der ganzen Finca. Von all den vielen kleinen Details in der Dekoration und von den Ideen mit der Nachhaltigkeit. Das Essen kommt vorwiegend aus der nächsten Umgebung. Es gibt zwei Kühe und ein paar Hühner, die einerseits Eier, aber auch Fleisch liefern. Ausserdem gibt es einen Garten in dem Gemüse wie Zwiebeln, Tomaten und Karotten gezogen wird. Das Brot wird jeden Morgen frisch gebacken. Ich bin völlig fasziniert, und habe es dem René auch gesagt, als ich ihn gestern kurz getroffen habe. René Suter, ein Schweizer. Ihm gehört dieser wunderbare Ort. Innert den letzten 25 Jahren hat er hier ein Paradies geschaffen. Ein zentrales Gebäude, das sich nicht abhebt, sondern in die Gegend einfügt und trotzdem gross genug ist für ein paar schön aufgedeckte Tische und eine kleine Sitzecke. Dazu verschiedene Bungalows und seit wenigen Jahren zwei Rund-Zelte, um nicht noch mehr Bungalows zu bauen. Alles wunderbar bequem eingerichtet und gebaut mit dem Rohstoff, von dem es hier zur Genüge hat: Bambos. Und überall gibt es frische Blumen auf den Tischen. An den Bungalows hängen Blumentöpfe mit Begonien.

Ich bin auch überrascht vom Service, den er mit seinen Leuten aufrecht halten kann. Angefangen vom Bedienen im Restaurant, zum Zimmerservice und dann vor allem die Küche. Am ersten Abend habe ich eine Pizza gegessen, am zweiten ein Thai-Curry und heute werde ich wohl die Rösti probieren.

Man kann die Steilheit auf dem Foto nicht erkennen.

Man kann die Steilheit auf dem Foto nicht erkennen.

Ich habe mich erkundigt, wie das Gelände ist, wenn ich zum archäologischen Park laufen möchte. "Kein Problem," meinte Yolanda, "es geht eigentlich alles ebenerdig." So ganz traue ich ihr nicht, immerhin habe ich die steile Strasse gesehen, auf der wir am ersten Abend zum Hotel hinauf gefahren sind. Doch vielleicht hat sie die eigentliche Zufahrt zum Hotel weggelassen. Die werde ich schaffen, respektive könnte ich für die Rückkehr ein Taxi nehmen.

Auf meinem Handy habe ich den Plan, der wie immer über Steigungen nichts aussagt. Ausserdem hat mir René gesagt, bis hinunter zur Hauptstrasse, dann rechts und immer geradeaus, dann kommst du zum Eingang des Parks.

Schon die erste Anweisung halte ich nicht ein, ich gehe nicht ganz hinunter zur Hauptstrasse, zweige schon vorher beim öffentlichen Bassin nach rechts ab und da geht es bereits zum ersten Mal steil hinauf. Was man an Höhe hat, das hat man, das muss ich später nicht mehr machen, denke ich und steige hinauf. Steil ist es, und ich muss immer mal wieder stehen bleiben um zu Atem zu kommen. Respektive, um das Pferde zu fotografieren, den Rindern zuzusehen, die mich neugierig über den Zaun beobachten und ein paar Blumen zu fotografieren. Rot-weisse Amaryllis blühen in vielen Gärten. Überhaupt gibt es hier ein paar wunderschöne Häuser. Villen, die zum Teil Gästehäuser und Hotels sind. Das gibt genug zu sehen und ganz allmählich erreiche ich die Höhe.

Da oben gibt es Kaffeeplantagen hinter Zäunen, grosse Agaven, Bananenstrauden und weit hinten geht der Blick auf Berge. Weil mir ausser einem alten Mann mit einem Stock niemand begegnet ist, nehme ich die nächste Gelegenheit wahr, mich über meinen Weg zu erkundigen. Der Mann der sein Auto belädt und den ich frage, ob ich hier zur Ausgrabungsstätte komme, ist ganz entgeistert. "No, Senorita, da kommen sie niemals hin. Da müssen sie zurück". "Zurück?" Zweifelnd sehe ich ihn an, aber er ist völlig überzeugt, dass ich hier falsch bin." Aber da geht doch ein Weg zum Museum", versuche ich zu erklären. "Ja, das Museum ist aber nicht der Park", windet er sich. "Aber das gehört doch zusammen". Ich weiss im Moment nicht, was ich jetzt machen soll. Die ganze Höhe, die ich mir mühsam erkämpft habe, wieder zurück. Zum Glück kommt jetzt eine Frau aus dem Haus und wie ich sie sehe, scheint sie hier zu Hause zu sein. Der Mann ist vielleicht nur Gast hier. Ich frage auch bei ihr und sie meint: "Si, si, noch etwas geradeaus und dann links, dann kommen sie zum Park".

Also doch. Ich laufe weiter. Jetzt wo ich die Höhe habe, geht es sehr einfach. Und dann komme ich zur Abzweigung und verstehe, warum der Mann glaubte, dass ich falsch bin. Es ist nur ein Fussweg, der schräg abfällt und mich direkt zum Parkeingang bringt. Hier empfangen mich ein paar Schmetterlinge, als ich aus dem Tor trete, das am Ende des Fussweges steht. Sie haben mich schon den ganzen Weg gelockt, aber nie konnte ich sie fotografieren, immer flogen sie weiter. HIer flattern gleich mehrere winzige Falter. Mit blauen Innenflügeln und rot-weissen Aussenfarben. Und hier kann ich tatsächlich einen fotografieren. Danke fürs motivieren, lieber Schmetterling.

Beim Eingang des Parkes könnte ich einen Guia engagieren. Natürlich wäre das spannend, den eigentlich weiss ich nichts über diese Kultur, die hier in der Gegend die schönen Figuren hinterlassen hat. Andererseits muss ich mit einem Guia die ganze Strecke ablaufen und ich bin nicht sicher, ob ich das tatsächlich will. Ausserdem ist es heiss und Erklärungen können manchmal sehr langatmig sein. Ich möchte nicht an der prallen Sonnen lange Erklärungen abhören. Natürlich sind das alles interne Ausreden, denn auch Guias wissen, dass Touristen am liebsten im Schatten stehen bleiben und bestimmt gibt es auch Sitzgelegenheiten für ausgelaugte Touristinnen, aber ich will jetzt einfach allein sein.

Verlaufen kann ich mich nicht, es gibt einen schön ausgebauten Weg, der durch den Wald zu den ersten Fundstätten führt.

Es scheint sich um Gräber zu handeln, denn es sind hohe Steine mit flach darüber gelegten Steinplatten. Zum Teil liegen sie in tiefen Schächten, die mit Steinplatten ausgelegt sind. Das Schild am Eingang zu diesem ersten Komplex schreibt denn auch von einem Cementerio, ein alter Friedhof. Ein uralter Friedhof, entstanden 1000 JvChr.

Es gibt steinerne Sarkofage und breite Figuren, die mehrheitlich Menschen darstellen. Eine erinnert mich an eine Eule. Bestimmt ein Symbol für Weisheit. Ich reime mir meine Erklärungen zusammen und gehe weiter, trete wieder in den Wald, als ich weiter vorne eine kleine Gruppe entdecke. Sie sind stehen geblieben und zeigen ganz aufgeregt zum Wald, oder zum Wegrand. Und dass ich mich beeilen soll. Und dann sehe ich die Aufregung. Eine lange schwarz-rote Schlange windet sich am Wegrand. Schleicht durchs Laub und kommt zur mossbewachsenen Böschung. Eine Coral, meint der Guia, der mit der Gruppe unterwegs ist. Sie sei giftig, wenn man sie herausfordert, fügt er noch bei, aber diese sei sehr entspannt unterwegs.

Fasziniert sehen wir ihr nach, dann gehen wir weiter.

Ich bin fasziniert, habe erst selten eine Schlange in der Wildnis angetroffen. Und hier hätte ich sie schon gar nicht erwartet. Zeigt aber eben schon, dass wir hier in der freien Natur sind und man nie weiss, was einem da begegnet.

Auch der nächste Komplex sind wieder Gräber. Schöne Figuren mit grossen runden Augen, geschützt unter hohen Bambusdächern. Auch einen Sitzplatz gibt es, von der Sonne geschützt mit Dächern aus Bambus und bequemen Bänken. Alles aus Bambus, das ist hier das bevorzugte Baumaterial.

Beim Weitergehen merke ich, dass es jetzt hinunter in eine Schlucht geht. Soll ich, soll ich nicht. Es geht steil hinunter und alles was ich jetzt hinunter gehe, muss ich später wieder hinauf. Ich setze mich auf eine Bank, sehe den Leuten zu, die gerade heraufkeuchen. Ob es sich lohnt? Ob da unten wenigstens ein Wasserfall sei?

Nein, kein Wasserfall, aber eine Quebrada, eine Schlucht. Und ja, es lohne sich unbedingt, es sei sehr schön dort unten. Und ausserdem wäre da auch ein Verkaufsstand, um etwas zu trinken. Das überzeugt sogar mich. Um mir jeden Zweifel zu nehmen, zeigt mir der Mann die Fotos, die er gemacht hat, und ausserdem den Weg, der weiterführt. Noch einmal hinauf über Treppenstufen auf die Höhe mit der wunderbaren Rundumsicht. Auch seine Mutter, die sich neben mich gesetzt hat und sich vom Aufstieg erholt, überzeugt mich, den ganzen Weg zu machen.

Also steige ich ab. Der Weg ist angenehm im Schatten der Bäume und schon bald steht da wieder eine Statue. Ein Frosch, das ist eindeutig zu erkennen. Wahrscheinlich als Zeichen für das Wasser, das ich weiter unten rauschen höre.

wieder hinauf, oder doch hinunter in die Schlucht?

wieder hinauf, oder doch hinunter in die Schlucht?

Ein Sapo, ein Frosch

Ein Sapo, ein Frosch

Die Quebrada ist ein breiter Wasserlauf über flache Steine, die zum Teil bearbeitet sind. Tiefe Pools wurden ausgeschnitten, Zeichen und Löcher auf die Steinplatten gearbeitet. Darüber führt eine wunderschöne Brücke. Ganz aus Bambus gebaut. Das ganze wird geschützt von einer leichten Stahlkonstruktion. Ich bleibe lange auf der Brücke stehen, schaue hinunter ins Wasser, versuche zu ergründen, was für eine Bedeutung der Platz wohl gehabt haben mag. Wasser ist überall heilig und Ursprung des Lebens. Bestimmt wurden hier Zeremonien abgehalten. Vielleicht etwas wie Taufriten mit den Pools. Jetzt wäre es schön, einen Guide zu haben, der mir ein paar Dinge erklärt, die man inzwischen von der alten Kultur erforscht hat.

Ich trinke im Restaurant einen grossen Guanabana-Saft und fotografiere ein paar Blumen in den Büschen. Ich habe diese violetten Blüten mit den weissen Zusatzblüten im Innern noch nie gesehen. Immer wieder erstaunlich, was es alles für Formen und Farben gibt. Neben dem Café wächst ein riesiger Busch mit Hummer-Heliconias.

Danach bin ich ausgeruht und motiviert, auch den letzten Anstieg noch anzugehen. Treppenstufen können mich nicht mehr schrecken. Der Weg geht zuerst wieder langsam bergauf, erst später beginnt die Steintreppe. Auf dem Weg gibt es zwei Restaurants, beide mit vielen Blumentöpfen vor dem Haus. Doch ich gehe weiter und erreiche bald und sogar ohne ausser Atem zu kommen, die Anhöhe. Tatsächlich bietet sich hier ein Rundumpanoramablick in die Berge. Ja, wenn da nicht die Wolken so tief hängen würden. Was muss das für ein fantastischer Punkt sein, bei blauem Himmel!

Die paar Stufen können mich nicht mehr erschrecken

Die paar Stufen können mich nicht mehr erschrecken

Ich sehe mir die paar Statuen an, es sollen die höchsten der Gegend sein und bewundere den Baum mit den vielen Baumbärten. Später habe ich erfahren, dass das Tillandsian sind, die man auch in der Schweiz in Blumengeschäften kaufen kann. Hier schwingen sie wunderbar im Wind und haben den ganzen Baum eingenommen. Dazwischen gibt es ein paar riesige Bromelien. Die roten Blüten, am anderen Baum habe ich noch nie gesehen.

Auf dem Abstieg kehre ich in einem der beiden Restaurants ein. Ich habe dort vorher eine Zuckerrohr-Presse gesehen und tatsächlich, der Saft wird frisch hergestellt. Dazu eine halbe Zitrone, die dem Getränk die Süsse etwas nimmt. Auch hier gibt es wieder ganz viele Blumen zu fotografieren. Vor allem finde ich hier ein paar Orchideen in den Töpfen.

Der Rückweg ist dann ganz einfach. Hinunter zum Wasser, dann wieder hinauf, vorbei beim Frosch, von dem ich mich eingehend verabschiede und dann bin ich schon wieder oben auf dem Waldweg. Noch einmal komme ich an einer Ausgrabungsstätte vorbei, denn auf dem Rückweg wähle ich eine andere Route. Ich bin völlig allein unterwegs und kann meinen eigenen Gedanken nachhängen. Kann von alten Kulturen eigene Fantasien spinnen.

Es geht gegen fünf Uhr, als ich am Eingang des Parks ankomme. Bald wird er geschlossen. Der Parkwächter ruft mir ein Taxi, das mich zurück in die Finca bringt. Für das Zurücklaufen fehlt mir die Energie, auch wenn jetzt fast alles nur noch abwärts führt.

Später bestelle ich mir im Restaurant die Rösti. Sie ist nicht ganz so, wie ich sie mir vorgestellt habe. Viel dünner, und mit viel Käse. Aber bekanntlich gibt es ja viele Röstirezepte. Meine einfache Rösti, ist nicht der Weisheit letzter Schluss.

Es war wieder ein toller Tag voller Farben und mit einer für mich sehr eindrücklichen Wanderung.

Rösti mit Spiegelei - fast wie zu Hause

Rösti mit Spiegelei - fast wie zu Hause

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Immer wenn der Mensch seine Zukunft plant, fällt das Schicksal im Hintergrund lachend vom Stuhl. Dieser Satz hat mich durch das Corona-Jahr begleitet. Eigentlich war mein Abflug nach Südamerika am 3. April 2020 gebucht. Doch dann kam alles anders.
Details:
Aufbruch: 20.06.2021
Dauer: 7 Monate
Heimkehr: 29.01.2022
Reiseziele: Peru
Kolumbien
Argentinien
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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