Neustart

Reisezeit: Juni 2021 - Januar 2022  |  von Beatrice Feldbauer

Schock und Abschied

Seit ich vom Norden zurück nach Lima gekommen bin, war ich ziemlich beschäftigt. Ich wusste nicht, wohin meine Reise weiter gehen sollte. Argentinien ist seit Monaten komplett abgeschlossen. Es gibt keine Flüge. Nichts.

Nach Chile gibt es zwar Flüge, aber Ausländern ohne Wohnsitz in Chile ist die Einreise verboten. Keine Touristen. Absolut.

Auch Ecuador, auf das ich so lange gehofft hatte, lässt keine Ausländer rein.

Kolumbien scheint da einfacher zu sein. Allerdings bin ich nicht sicher, ob ich das auch tatsächlich alles richtig verstehe. Ich frage in einer Reiseagentur nach, doch da will man mir nebst dem Rückflug auch noch einen Weiterflug verkaufen. Und ausserdem will die Dame erst noch die Botschaft von Ecuador anfragen. Das ist natürlich sehr nett, nur leider bekomme ich von ihr dann keinen Bescheid mehr und es vergeht wieder ein Tag

Und dann erreiche ich endlich Pocha. Sie hat für mich, resp. für Freunde schon öfters Reisen durch Peru organisiert. Sie bucht Hotels, Ausflüge, Transporte, so dass man zwar individuell unterwegs, aber trotzdem organisiert ist. Gerade für Leute, die sich das Reisen auf eigene Faust nicht so zutrauen, oder kein Spanisch sprechen, ist das sehr praktisch. Peru ist in dieser Beziehung sehr gut organisiert.

Ich erkläre Pocha mein Problem und sie klärt ab. Kolumbien verlangt tatsächlich nicht einmal einen PCR-Test, dafür eine Registrierung, die man kurz vor Abflug online ausfüllen und ausdrucken muss. Das tönt gut, ich buche einen Retourflug nach Kolumbien. Der Retourflug ist Bedingung, denn ich muss bestätigen, dass ich das Land auch wieder verlassen werde. Mein Billigflug übrigens, den ich bei meiner Einreise für Santiage gebucht hatte, wurde längst gecancelt.

"Wenn du auf der Reise ein Problem hast, ruf mich an, du hast eine Freundin in Lima". Pocha gibt mir Sicherheit. Ausserdem schwärmt sie von Kolumbien.

Meine Perureise noch einmal im Überblick

Jetzt bin ich also gerüstet. Ich brauche nur noch eine Unterkunft in Medellin. Die ist bald gefunden. Eine kleine Wohnung in einem geschützten Wohnblock mit Aussicht auf einen Park. Doch leider, ich bekomme keine Antwort und so cancelt BnB den Auftrag wieder, das Geld kommt zurück auf das Konto. Jetzt wird es allerdings sehr kurzfristig und die günstigen Angebote sind inzwischen weg.

Doch auch das klappt. Ich habe jetzt keine Pläne mehr, will mich am späteren Nachmittag mit Juan in Larcomar treffen und laufe los. Zeit, um noch einmal einen richtig langen Spaziergang zu machen.

Ich bin locker unterwegs, fotografiere viel, heute sind es Strassenverkäufer. Und da passiert es. Es geht so schnell, dass ich kaum weiss was passiert ist und trotzdem jeder Moment noch immer vor meinem inneren Auge abläuft.

Ich stehe an einer Strassenkreuzung, halte mein Handy hoch, will etwas auf der anderen Strassenseite fotografieren, als mir jemand mein Handy aus der Hand nimmt. Ich könnte nicht einmal sagen, dass es mir aus der Hand gerissen wurde, nein, der Motorradfahrer ist einfach vorbei gefahren und hat es mitgenommen.

So verdattert war ich wohl noch gar nie im Leben. Bin ihm zwar ein paar Schritte hinterher gerannt und habe sofort ein Taxi angehalten, mit dem ich hinterher wollte. Aber erklär mal einem Taxifahrer, wem du hinterher willst, wenn das Motorrad längst verschwunden ist. Er war nicht James Bond und so meinte er, nachdem er meine hysterischen Erklärungen endlich verstand, dass wir wohl besser zum nächsten Polizeiposten fahren würden.

Auch wenn ich das einsah, nutzen würde es wohl kaum. Ich sass dann also ein paar Minuten im Comisario während der Beamte sich eines Anliegens einer anderen Frau widmete. Vor mir sass eine weitere Frau, der das Portemonaie gestohlen wurde. Das konnte Stunden dauern. Und inzwischen hat der mit meinem Handy weiss was angestellt.

Ich verliess den Posten, fuhr in ziemlicher Panik mit dem nächsten Taxi ins Hotel und änderte auf dem Laptop das Facebook-Passwort. Und fing endlich an zu überlegen. Mein Handy hat einen Code und es hat eine sehr kurze aktive Phase. Ich muss es alle paar Minuten entsperren. Bis das Motorrad anhielt, war das längst blockiert. Von da sollte also keine Gefahr drohen. Meine Fotos speichere ich täglich auf den Laptop. In meinem Rucksack habe ich mein altes Handy dabei, das wurde erst im April auf das ganz neue umkopiert. Wegen der Kamera hatte ich ein neues Gerät gekauft.

Ich sperrte meine Nummer bei Swisscom und schrieb ein Mail. Doch in der Schweiz war Freitag-Abend, da war wohl keine Hilfe mehr zu erwarten.

Nachdem ich einen Hilferuf an Juan per Facebook abgeschickt hatte, meldete er sich sofort und besorgte mir eine neue Internet-Karte mit der Peru-Nummer, die mir soeben abhanden gekommen war. Ich hatte also bereits wieder Internet auf meinem alten Handy

Mit Juan ging ich noch einmal auf einen Polizeiposten, wollte eine offizielle Meldung, wollte ein offizielles Papier. Doch das würden sie erst am Montag machen, war der Bescheid. Am Montag bin ich nicht mehr hier.

Ich bin tatsächlich nicht schnell aus der Kontrolle zu bringen, doch dieser Abend war die Hölle. Es war natürlich vor allem der Verlust, dann die Frage, wie ich das hier in Lima lösen könnte, und dann schlicht die Tatsache, dass mir das passiert war. So blödsinnig simpel.

Am Samstag wurde ich ruhiger. Und fing an, logisch zu denken. Das muss doch alles online gelöst werden können. Ich suchte einen Apple-Shop, Juan fuhr mich hin, kaufte ein neues Iphone. Die Daten von meinem alten wurden innert Minuten auf das neue umkopiert, so dass ich alle alten Apps wieder hatte. Einzig das WhatsApp funktionierte nur mit der Peru-Nummer. Also zurück ins Hotel und jetzt Schritt für Schritt. Punkt für Punkt. Und Ruhe bewahren.

Zwei Anrufe bei der Hotline später hatte ich meine Schweizer Nummer wieder. Und mein WhatsApp funktionierte. Nur die letzten Chats hatte ich verloren, doch das ist Schnee von gestern. 24 Stunden nach dem Diebstahl, war ich wieder online mit allen Funktionen. Was ich allerdings ohne mein altes Handy gemacht hätte, weiss ich nicht, denn es galt bei Apple als vertrauenswürdiges Gerät (ich hatte es noch nicht abgemeldet) und man konnte mir dort einen Code hinschicken.

Was mich in den letzten Tagen übrigens auch beschäftigt hatte, war die Suche nach einem Schirm. Das ist gar nicht so einfach, denn es regnet hier kaum. Und ausserdem sollte es ein schöner Schirm sein. Ein farbenfroher. Ich fand nirgends einen, war schon in verschiedenen Läden.

Doch auch da kam mir Juan zur HIlfe. Er suchte im Internet farbige Schirme und zeigte mir seine Ergebnisse. Und dann fuhren wir eines Nachmittags nach La Punta - das war der Tag, als wir auch den Ausflug auf die Insel abklärten. Dort hatte er mit einer Verkäuferin abgemacht, die mit einem Regenbogenschirm daher kam.

Man stelle sich vor. Wir stehen an einer Strasse, warten auf die Verkäuferin. Die kommt mit dem Schirm und wir kaufen ihn für 20 Soles. Ich mache ein paar Fotos. Danach verschwindet der Schirm im Kofferraum von Juan. Dass wir den Schirm nicht kaufen würden, konnte ich der Verkäuferin nicht zumuten, sie war eh nicht so guter Laune, dass sie den Schrim selber bringen musste.

Auch die Karte mit der ganzen Peru.Reise hatte ich schon vor ein paar Tagen vorbereitet. Heute hätte ich dazu keine Nerven mehr gehabt.

Ich muss jetzt nur noch packen.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Immer wenn der Mensch seine Zukunft plant, fällt das Schicksal im Hintergrund lachend vom Stuhl. Dieser Satz hat mich durch das Corona-Jahr begleitet. Eigentlich war mein Abflug nach Südamerika am 3. April 2020 gebucht. Doch dann kam alles anders.
Details:
Aufbruch: 20.06.2021
Dauer: 7 Monate
Heimkehr: 29.01.2022
Reiseziele: Peru
Kolumbien
Argentinien
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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