Neustart

Reisezeit: Juni 2021 - Januar 2022  |  von Beatrice Feldbauer

Tarapoto

Ich bin jetzt also in Tarapoto, der Stadt, von der ich nicht vie mehr weiss, als das sie für mich den Einstieg in den Regenwald bedeutet. Die schnellste Verbindung - abgesehen vom Flugzeug, um an den Amazonas zu gelangen. Hier fahren alle schweren Lastwagen vorbei mit der Fracht für die Frachtschiffe auf dem Amazonas. Darum ist es für mich noch immer nicht verständlich, dass die Strasse nach Yurimagus über den Pass noch immer in diesem relativ schlechten Zustand ist. Ob es in Peru überhaupt Autobahnen gibt? Muss mich mal bei Juan erkundigen, aber eigentlich habe ich bisher nur in Lima unten am Meer die Strasse mit den drei Spuren gesehen und nach Chancay war die Strasse 4-spurig. Aber über die Berge im dichten Nebel, was einen grossen Teil des Jahres so ist.

Ein neues Frühstück: Humita aus Maismehl. Mais wird in Iquitos nicht viel gegessen, Tarapoto liegt auf 350 m, da wächst Mais.

Ein neues Frühstück: Humita aus Maismehl. Mais wird in Iquitos nicht viel gegessen, Tarapoto liegt auf 350 m, da wächst Mais.

Der Blick aus dem Fenster zeigt mir einen Ort in den Bergen.

Der Blick aus dem Fenster zeigt mir einen Ort in den Bergen.

Also, Tarapoto. Als erstes brauche ich ein paar Schuhe, meine sind im Dschungel geblieben. Nicht fortgeworfen natürlich, aber jemand konnte sie grad brauchen und ich war ja eh nur in FlipFlops unterwegs.

Da ich keine Ahnung habe, wo der Markt ist halte ich ein Mototaxi an und bitte ihn, mich zum Markt zu fahren. "Was möchtest du denn kaufen, ich möchte dich den richtigen Ort bringen?" - Ich wusste schon immer, dass Taxifahrer die besten Einkaufsberater sind und so bin ich innert kürzester Zeit Besitzerin von neuen bequemen Schuhen.

Ob er Zeit und Lust hätte, mir Tarapoto zu zeigen, frage ich meinen Fahrer und selbstverständlich hat er beides. Und dann fragt er, ob er seinen kleinen Sohn mitnehmen dürfe, Eike, 6 Jahre alt. Natürlich bin ich sofort einverstanden, denn das finde ich ja sehr sympathisch.

Wir fahren also zuerst zu Cesar nach Hause, wo Evelyn uns freundlich begrüsst. Weil ich nach Kakaobäumen gefragt hatte, will sie mir ihren Majambo-Baum zeigen. Das ist eine Frucht, die sehr ähnlich dem Kakao ist. Leider hängt die einzige Frucht etwas hoch und die Foto kommt nicht gut, Weitere Fotos dürfte ich bestimmt machen, aber ich finde es doch etwas zu intim, ihr einfaches Daheim zu fotografieren. Einzig von Evelyn hätte ich eine Foto machen sollen, das reut mich nun hinterher.

Bald darauf sind wir zu dritt unterwegs. Der kleine Eike freut sich sehr, dass er mitkommen darf und sein Papa ist stolz, ihm etwas neues zu zeigen. Denn tatsächlich waren sie beide noch nie auf dem Aussichtspunkt hoch über Tarapoto.

Es ist eine Naturstrasse, die hinauf führt und wir werden ziemlich durchgeschüttelt, während sich das Mototaxi hinauf würgt. Ich staune immer wieder, was man hier den Motoren zumutet. Bein Parkplatz angekommen, werde ich von einem Parkwächter nach meinem Alter gefragt, was mich kurz stutzig macht. Bin ich zu alt, soll ich schummeln? Doch kein Problem, im Gegenteil, ich bin alt genug, um keinen Eintritt zu zahlen. So geht das. Cesas zahlt sowieso nichts, weil er der Chauffeur ist. Bis hierher ist er schon ein paarmal gekommen, doch dann wartet er jeweils bei seinem Moto, bis seine Gäste hinauf gestiegen sind und wieder zurück kommen. Heute steigt auch er tatsächlich zum ersten Mal bis ganz hinauf.

Taytamaki heisst der Ort, was aus der indianischen Quechua-Sprache 'Hand Gottes' heisst. Seit in paar Monaten gibt es die Hand Gottes sogar tatsächlich als begehbare Skulptur, auf der man spektakuläre Fotos machen kann. Per Zufall hatte ich vor ein paar Wochen ein Bild davon irgendwo gesehen, aber längst wieder vergessen, wo es war. Jetzt stehe ich direkt darunter, was mir wieder einmal beweist, dass alles kommt und ich mich gar nicht immer um genaue Planungen und Vorabklärungen kümmern muss. Was ich sehen soll, werde ich sehen, was nicht, brauche ich nicht. Das gehört zu meinen Lebensmottos.

Der Aufstieg bringt mich übrigens ziemlich ausser Atem und ich bin froh, dass auch Cesar kein Bergläufer ist. Er ist ja eigentlich auch immer mit seinem Mototaxi unterwegs. Aber Eiko rennt auf der Treppe auf und ab und mag kaum warten, bis die Erwachsenen auch endlich oben auf dem Aussichtsplatz stehen.

Wir sind auf ca 700 meter und die Aussicht ist tatsächlich fantastisch, auch wenn der Himmel weitgehend von Wolken bedeckt ist. Tarapoto liegt in den Bergen und es ist auch für mich ziemlich ungewohnt, nach der riesigen Ebene am Amazonas jetzt endlich wieder Berge zu sehen. Auch wenn es höchstens 1000-er sind.

Im Restaurant lade ich zu einem Krug Maracujasaft ein und Cesar erzählt mir, dass sie als Familie kaum je einen Ausflug machen. Zum einen weil das Geld fehlt und zum anderen, weil das einfach nicht zu ihren Gewohnheiten gehört. Er hat drei Kinder, die anderen beiden sind etwas älter und arbeitet sehr viel, um die Familie durch zu bringen. Umso mehr geniesst er jetzt diesen Ausflug mit seinem kleinen Sohn.

Mano de dios - Hand Gottes

Mano de dios - Hand Gottes

Auf dem Rückweg halten wir bei einer kleinen Kakaoplantage an. Kakao wächst in den Hügeln rund um Tarapoto. Vor allem auf der Strecke von Yurimaguas, wo ich beim Vorbeifahren eine grössere Plantage gesehen hatte. Die Bäume hier sind noch jung und tragen noch nicht viele Früchte. Es ist aber trotzdem faszinierend, diese schweren Kakaofrüchte zu sehen, die direkt aus dem Stamm wachsen. Um zu reifen bleiben sie am Stamm hängen bis sie braun und reif geerntet werden.

Ich glaube, für Eike ist es auch ganz interessant, zu sehen, wofür sich so eine Touristin interessiert.

Beim Weiterfahren kommen wir bei einem kleinen Kakaobauern vorbei, vor dessen Haus Kakaobohnen zum Trocknen ausliegen. Die Früchte wurden geöffnet, die Kerne von ihrer weissen Umhüllung getrennt und jetzt trocknen sie an der Luft um danach auf dem Markt verkauft zu werden.

Ein einzelner Coca-Strauch. Coca ist der Ausgangspunkt zu Kokain, wird aber in Peru legal als Tee konsumiert, oder die Blätter werden gekaut, was gegen Höhenkrankheit hilft. Ausserdem dämpft er das Hugergefühl.

Ein einzelner Coca-Strauch. Coca ist der Ausgangspunkt zu Kokain, wird aber in Peru legal als Tee konsumiert, oder die Blätter werden gekaut, was gegen Höhenkrankheit hilft. Ausserdem dämpft er das Hugergefühl.

Verboten ist nur der Handel und die Ausfuhr von Cocablättern

Verboten ist nur der Handel und die Ausfuhr von Cocablättern

Es gibt verschiedene kleine Schokoladefabrikationen. Eine davon gehört der Cousine. Leider ist sie nicht im Betrieb, so dass wir die Herstellung der Schokolade nicht sehen können. Dafür besuchen wir sie auf dem kleinen Markt, wo an diesem Wochenende viele kleine Handwerksbetriebe ihre Produkte ausstellen. Natürlich kaufe ich ein paar von den süssen Pralines, die aus sehr hohem Kakaoanteil mit Haselnüssen oder Mandeln, aber ganz ohne Milch hergestellt sind.

Ein Früchteverkäufer

Ein Früchteverkäufer

beim Bau ist noch fast alles Handwerk.

beim Bau ist noch fast alles Handwerk.

Danach fahren wir quer durch die Stadt zum Busbahnhof. Hier wo die grossen Überlandbusse ankommen, will ich für Montag ein Ticket kaufen. Cesar wird mich am Montag auch wieder hierher bringen, damit ich rechtzeitig losfahren kann.

Ich bin froh, dass ich mit dem Mototaxi unterwegs bin, denn die Strassen gehen in dieser Stadt ständig bergauf und -ab und ausserdem ist die Stadt gross. Gut 70'000 Menschen leben hier.

Zurück im Hotel bleibt mir noch einen Moment, um mich auf die Tour bereit zu machen, die ich für heute Nachmittag gebucht habe.

Pünktlich um 15.00 Uhr werde ich abgeholt, um nach Lamas, ein kleines Dorf in der Nähe von Tarapoto zu fahren.

In Lamas ist man sich seiner indianischen Kultur noch sehr bewusst und zeigt dies auch stolz mit grossen Figuren auf dem Hauptplatz. Vor Corona wird dieser Ort wohl ein riesiger Touristenhotspot gewesen sein, jetzt sind es ein paar wenige Gruppen, die hierher kommen. In unserer Gruppe sind es 10 Leute aus Lima und ich als einzige Ausländerin. Ich treffe tatsächlich kaum je auf europäische Touristen, egal wo ich unterwegs bin. Fühle mich aber völlig wohl und sicher unterwegs. Man ist sich an Touristen aus aller Welt gewöhnt hier in Peru, nur im Moment sind sie halt nicht da.

Die Hauptstrasse von Lamas ist sehr gepflegt und hat auf beiden Seiten viele Läden und kleine Restaurants. Im Moment ist vieles geschlossen, aber der Glacestand mit der exotischen Auswahl findet die Aufmerksamkeit der ganzen Gruppe. Da kann Paula, unsere Führerin lange fragen, ob jemand das Museum besuchen wolle, jetzt wird Dessert bestellt. Es schmeckt aber auf tatsächlich fein, so ein Eis. Meines ist Kakao mit Kokosnuss. Himmlisch.

Eine Art Musum gibt es übrigens an den Wänden der Hàuser. Hier sind grosse Gemälde mit den Bräuchen des Ortes und bei jedem Bild gibt es einen QR-Code über den man weitere Informationen aufrufen kann.

Doch so schön Lamas sich auch präsentiert, seit ein paar Jahren gibt es hier eine Attraktion, die alles andere schlägt. Und die aus einer völlig anderen Tradition kommt. Im Jahr 2004 hat hier nämlich ein Italiener eine mittelalterliche Burg hingebaut. Eine Burg mit Türmen und Zinnen, mit einem eisernen Drachen und einem Erzengel auf dem Turm.

Ich habe dieses Schloss vor ein paar Monaten im Internet entdeckt und es war der Grund, dass ich in Tarapoto Halt gemacht habe. So was Verrücktes muss ich einfach sehen.

Es scheint, dass die Familie einen Teil des Schlosses bewohnt, denn einige Räume sind nicht zugänglich. Der Rest aber ist öffentlich zugänglich und sehr schön gemacht. Einfach crazy.

Viel kann ich dazu eigentlich nicht sagen, darum lasse ich die Bilder sprechen.

Im abschliessenden Laden, der darf natürlich nirgends fehlen, kann man hausgemachte Schokolade kaufen. Oder Puros, dicke Zigarren und ausserdem gibt es eine grosse Auswahl an Likören aus Früchten und Kakao.

Zum Sonnenuntergang fahren wir mit dem Van weiter zur Dorfwiese, wo jeden Abend für und mit den Touristen getanzt wird. Es sind vor allem die älteren Leute, die da mitmachen und es herrscht fast eine Chilbistimmung, denn natürlich fehlen auch die Verkaufsstände mit allerlei Handarbeiten und Souvenirs nicht.

Während die letzten Sonnenstrahlen den Himmel orange färben, fahren wir zurück nach Tarapoto. Es war ein unglaublich voller Tag, voller Erlebnissen, Begegnungen und verrückten Orten.

Ich werde auch zu diesem Tag ein paar Videos auf meine Bison-Seite aufladen.
Im Moment aber schliesse ich den Bericht ab, denn ich muss mich jetzt bereit machen für die längere Busfahrt...

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Immer wenn der Mensch seine Zukunft plant, fällt das Schicksal im Hintergrund lachend vom Stuhl. Dieser Satz hat mich durch das Corona-Jahr begleitet. Eigentlich war mein Abflug nach Südamerika am 3. April 2020 gebucht. Doch dann kam alles anders.
Details:
Aufbruch: 20.06.2021
Dauer: 7 Monate
Heimkehr: 29.01.2022
Reiseziele: Peru
Kolumbien
Argentinien
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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