Neustart

Reisezeit: Juni 2021 - Januar 2022  |  von Beatrice Feldbauer

Minca

Nach Minca fahre ich am nächsten Tag weil es mir von verschiedenen Leuten empfohlen wurde. Minca liegt hinter Santa Marta in den Bergen. Seine Lage auf knapp 600 Metern verspricht etwas weniger Hitze. Ich fahre mit dem Taxi, lasse meinen Koffer im Hotel in Santa Marta und bin endlich mit etwas weniger Gepäck unterwegs. Den Rucksack kann ich leicht tragen.

Mein Hotel liegt etwas oberhalb des Dorfes. Ich bekomme ein kleines Zimmer mit Balkon. Das ist so wundervoll, dass ich mich gleich hinlege. Ein helles Zimmer mit Fenster, mit Balkon, mit Sicht auf den üppigen Wald, in die Berge. Das ist genau der Aufsteller, den ich gebraucht habe. Hier kann ich durchatmen, das ist es, was mit gefehlt hat.

Mein Hotel hat kein Restaurant, aber es gibt nur ein paar Meter die Strasse hinunter eine grosse Finca mit einem Pool und einem eleganten Restaurant. Auf dem Weg dahin fällt mir die Tafel mit dem Spruch vom Lächeln auf. Passt grad wunderbar. Ich komme lächelnd im Restaurant an.

Lächle in den schlechten Momenten, weil in den guten macht es die ganze Welt.

Lächle in den schlechten Momenten, weil in den guten macht es die ganze Welt.

Poke bowl mit rohem Thunfisch und frischem Salat

Poke bowl mit rohem Thunfisch und frischem Salat

Die Karte ist sehr vielseitig und international. Ich bestelle eine exotische Schüssel mit frischen Salaten, gebratenem Reis, grünen Algen und rohem Thunfisch. Eine ungewöhnliche Kombination, die wunderbar schmeckt. Und mir ein paar Vitamine gibt, die meine Lebensgeister wecken.

Die Aussicht von meinem Fenster

Die Aussicht von meinem Fenster

Am Morgen gehe ich hinunter ins Dorf MInca. Das ist eine halbe Stunde durch den Wald. Es riecht wunderbar frisch und ist kühl.

Im Dorf treffe ich mich mit der Freundin einer FB-Kollegin. Sie meinte, ich müsse unbedingt ihre Freundin treffen, die hier seit ein paar Jahren lebt und sich inzwischen in Dschungel ein Haus gebaut hat. Zusammen mit Einheimischen hat sie ein Projekt um Kindern eine Ausbildung zu ermöglichen. Ihr Anliegen ist es, die Kulturen besser zu verbinden. Einerseits die kolumbianische weisse Bevölkerung, die vielen Ausländer, die hier leben und die einheimische indigene Bevölkerung, die in der ganzen Entwicklung zu kurz kommt. Ganz genau habe ich nicht verstanden, was Nina genau will, aber sie steht ja auch erst am Anfang. Hat zuerst ihr Haus aufgebaut, kümmert sich um ihren kleinen Sohn. Dabei hilft ihr ihre Mutter. Ich finde schon das sehr bemerkenswert, wie die beiden Frauen sich in dieser doch fremden Kultur behaupten. Kurse möchte Nina anbieten, Kinderbetreuung. Nachhaltiges Leben in der Einheit mit der Natur.

Es ist ein spannendes Gespräch, mir imponieren Menschen, die ihren Träumen folgen, die eine neue Lebensweise anstreben. Nina ist eine Inspiration, eine starke Persönlichkeit, die ihre Grenzen ausloten will. Ob es gelingt? Ich wünsche es ihr jedenfalls von Herzen. Und wenn nicht, war es den Versuch auf jeden Fall wert.

Selber habe ich übrigens nicht den Traum, auszuwandern. Auch wenn viele meiner Freunde immer wieder meinen, Peru sei meine zweite Heimat, oder dass ich vielleicht irgendwann auf meinen Reisen hängen bleiben könnte. Das ist aber tatsächlich nicht mein Plan. Ich mag es, andere Leben, andere Kulturen, andere Weltanschauungen zu beobachten. Jede Begegnung ist eine Inspiration, bringt neue Ideen. Alt werden - ich meine richtig alt - werde ich aber in der Schweiz. Bis es soweit ist, versuche ich, möglichst viel zu reisen. Auch ich folge dabei meinem Traum. Dem Traum vom Reisen, vom Unterwegssein.

Dass dieses Unterwegssein auch seine Durchhänger hat, nehme ich dabei in Kauf. Das gehört zum Langzeitreisen dazu. Ausserdem habe ich die auch in der Schweiz zwischendurch. Gehört ja nicht nur zum Reisen, sondern überhaupt zum Leben.

Was mir in den letzten Tagen bewusst fehlt und ich habe es in einigen persönlichen Chats auch schon erwähnt, ist das Zusammensitzen mit Freunden, mit der Familie. Das ungezwungende Plaudern. Gespräche in der eigenen Sprache. Das Anstossen mit einem feinen Glas Wein, das gemeinsame Essen.

Ich werde es definitiv sehr geniessen, wenn ich irgendwann zurück in der Schweiz bin und werde versuchen, mit möglichst vielen Freundinnen direkten Kontakt aufzunehmen. Nina hat mir aber etwas von dieser Sehnsucht erfüllen können. Sie ist Schweizerin. Wir sind in einem kleinen Restaurant zusammen gesessen und haben entspannt geplaudert. Ich habs genossen. Sie hoffentlich auch.

Bevor ich mich wieder auf den Aufstieg hinauf zum Hotel mache, sehe ich mich noch ein wenig im Dorf um. Minca ist ein kleines Dorf. Es gibt unzählige kleine Restaurants, Boutiquen, Tourenanbieter, einfache Unterkünfte, Fincas und diskrete Hotels hinter grossen Toren. Es ist ein Touristenort und war wohl vor der Pandemie komplett überlaufen. Mir ist es gerade recht, dass es im Moment beschaulich und ruhig ist.

An der langen Mauer beim Dorfeingang gibt es ein paar farbenprächtige Grafittis. Einige davon hat ein Freund von Nina gemalt. Er ist Maler und Tourguide. Im Moment ist er mit ein paar Touristen auf einer mehrtägigen Wanderung.

Beim Aufstieg werde ich immer wieder von Motorrädern überholt. Einige hupen dann, fragen wohl, ob ich aufsteigen will. Scheint ein gängiges Taxigeschäft zu sein.

Doch ich will laufen. Mit genügend Zeit und Musse bewältige ich auch die steilen Stellen ohne Probleme. Oben lasse ich mir im einfachen Cafe einen Kaffee kredenzen und ziehe mich ins Zimmer zurück. Draussen hat inzwischen ein riesiger Regen eingesetzt. Es regnet, es schüttet, riesige Wassermassen fallen vom Himmel und irgendwann geht der Strom aus. Und damit natürlich auch das Internet. Ich bin selber überrascht, wie gelassen ich das heute nehme. Ich bin nicht am Schreiben, es betrifft mich nicht. Mein E-Reader funktioniert auch im Dunkeln.

Riesige Bambushaine auf dem Weg

Riesige Bambushaine auf dem Weg

Thai red Curry

Thai red Curry

Als ich später noch einmal zum Restaurant gehe, gibt es noch immer keinen Strom. Aber man hat den Generator eingeschalten. Er durchbricht die Stille, auch wenn er weit weg vom Haus steht.

Das red Thai-Curry schmeckt fantastisch, das Personal ist sehr aufmerksam. Ich verbringe einen angenehmen Abend in meiner Gesellschaft, stosse mit einem Glas Rotwein in Gedanken mit vielen Freunden an. Und mit mir.

Am Morgen gehe ich in das kleine Café neben dem Hotel und als ich sehe, dass es auch Frühstück serviert, bestelle ich das normale Angebot. Und bekomme ein wunderbar ungewöhnliches Frühstück.

Toastbrot mit Avocados, Tomaten, belegt mit einer frisch zubereiteten Omelette. Dazu gibt es eine heisse Schokolade mit einem Zimtstängel darin. Himmlisch.

Die Besitzerin spricht ein etwas ungewöhnliches Spanisch und ich muss mich erst einhören. Habe das Gefühl, sie würde da noch eine indigene Sprache hinein mischen. Doch dann erklärt, sie, dass sie ursprünglich aus Buenos Aires stammt. Sie spricht also ein argentinisches Spanisch. Jetzt kann ich ihre Wörter besser einordnen. Nur schon, dass sie von VOS (ihr) spricht, ist in Südamerika ungewöhnlich. Diese Höflichkeitsform wird eigentlich nur in Spanien verwendet. Und anscheinend auch in Argentinien, das war mir nicht mehr bewusst. Ausserdem spricht sie das Y und das LL wie ein SCH aus. Statt YO (ich) sagt sie SCHO. Das ist schon ziemlich gewöhnungsbedürftig.

Sie lebt mit ihrem Mann seit ein paar Jahren hier im Dschungel und betreibt ihr kleines Café. Ausserdem verkauft sie ein paar Handarbeiten, Kaffeebohnen aus Minca und selbst gezogene Pflanzen. Wieder so eine spannende Auswanderergeschichte.

Ich kehre zurück zum Hotel, frage ob man mir ein Taxi bestellen könne. Ob ich ein Motorrad oder einen Wagen will, fragt mich der Besitzer. Schon eher einen Wagen, mit dem Motorrad möchte ich die steilen Kurven hinunter ins Dorf nicht fahren. Dann soll ich doch besser bis Minca laufen und dort ein Taxi nehmen, rät mir der Besitzer. Zuerst bin ich etwas überrascht, doch dann schiebe ich den Grund auf den fehlenden Strom. Denn noch immer gibt es weder Strom noch Internet. An der Rezeption war gestern als ich zurück kam nur eine Notbeleuchtung in Betrieb.

Bevor ich mich verabschiede, leihe mir noch für einen Moment den etwas defekten Schirm aus, den ich an der Rezeption entdecke. Der Hotelier ist etwas erstaunt, immerhin fällt im Moment kein Tropfen vom Himmel. Doch heute lasse ich das mit der Erklärung, mache mein Selfie, schnalle mir den Rucksack auf und mache mich auf den Weg ins Dorf. Es war ein sehr kurzer Aufenthalt in Minca, aber er hat mir gut getan. Die Kühle, die Natur, das feine Essen und das Gespräch mit Nina.

Auf nach neuen Ufern

Auf nach neuen Ufern

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Immer wenn der Mensch seine Zukunft plant, fällt das Schicksal im Hintergrund lachend vom Stuhl. Dieser Satz hat mich durch das Corona-Jahr begleitet. Eigentlich war mein Abflug nach Südamerika am 3. April 2020 gebucht. Doch dann kam alles anders.
Details:
Aufbruch: 20.06.2021
Dauer: 7 Monate
Heimkehr: 29.01.2022
Reiseziele: Peru
Kolumbien
Argentinien
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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